Schweitzer Fachinformationen
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»Fuck, fuck, fuck«, wiederholte Iza, und der Gedanke, dass Freddy genauso wenig tot war wie Klemens Wugner und jetzt vor unserem Fenster stand, schoss mir plötzlich durch den Kopf.
Du siehst wirklich immer nur das Negative, schalt ich mich sofort, Marlies hatte vollkommen recht. Ich hatte Freddy in mindestens zwanzig Einzelteile zerlegt und in einem Küchenblock einbetoniert, es gab nicht den geringsten Grund für meine negative Annahme, dass er jetzt unter dem Carport stehen könnte. Wir waren hier schließlich nicht bei The Walking Dead op Kölsch. Vermutlich zog einfach nur Regen auf, oder die adipöse Nachbarskatze erleichterte sich mal wieder in der Einfahrt.
»Die kenne ich«, flüsterte Iza.
»Ist das die dicke rotbraun Getigerte?«, fragte ich, während ich das Geschirr in die Spülmaschine räumte.
»Nein. Das ist Frau Wugner.«
Jetzt hatte Iza meine ungeteilte Aufmerksamkeit. Mit einem Satz war ich bei ihr am Fenster und starrte hinaus. Tatsächlich stolzierte Cathy Wugner in hohen Hacken und kurzem Rock den beleuchteten Bürgersteig entlang, ging von Haus zu Haus und schien die Namensschilder zu betrachten, wobei sie jedes Mal ihre blonde Mähne in den Nacken warf.
War ich jetzt zu negativ, wenn ich befürchtete, dass sie mein Haus suchte - oder einfach nur realistisch?
Reflexartig knipste ich das Licht in der Küche aus, damit man uns von draußen nicht sofort sehen konnte.
»Woher kennst du sie?«, flüsterte ich nun auch, was ein wenig absurd war, denn hören konnte uns Cathy Wugner beim besten Willen nicht.
»Aus meiner Zeit mit Freddy«, antwortete Iza leise. »Sie ist die Frau von einem echt miesen Menschenhändler. Der ist auch dick im Drogengeschäft.«
Das war keine Überraschung für mich.
»Und sie selbst ist keinen Deut besser. Die hat sich um die Neuankömmlinge gekümmert, um das Frischfleisch, wie sie es immer nannte.«
Ein mulmiges Gefühl breitete sich in meiner Magengegend aus. Hatte Iza selbst solche Erfahrungen mit Cathy Wugner gemacht?
»Sie hat die neuen Frauen eingewiesen und mit Drogen versorgt«, fuhr Iza leise fort. »Im Grunde ist sie nichts anderes als eine Zuhälterin und Dealerin.«
Das hätte ich ihr nun doch nicht zugetraut.
»Und sie war dafür bekannt, immer eine Waffe bei sich zu tragen.«
Das komische Gefühl in meiner Magengegend verstärkte sich. Mir wurde fast schlecht. Cathy Wugner war aus unserem Blickfeld verschwunden.
»Angeblich hat sie die auch regelmäßig benutzt. Auf jeden Fall .«
Bevor Iza weitersprechen konnte, klingelte es an der Haustür. Wir zuckten synchron zusammen und sahen uns wortlos an. Izas Augen spiegelten Panik. Ich hielt es für besser, wenn sie in der dunklen Küche blieb und nicht sofort von Cathy Wugner gesehen wurde. Iza wusste zwar nicht, ob die Wugner sie wiedererkennen würde, aber wenn ja, dann könnte diese Begegnung das Gespräch von Anfang an in eine falsche Richtung lenken - auch wenn ich nicht den Hauch einer Ahnung hatte, was wohl die richtige Richtung sein könnte. Alles an Cathy Wugners spätabendlichem Auftauchen war falsch, und ich konnte die Augen nicht davor verschließen, dass diese Frau höchstwahrscheinlich aus äußerst gefährlichen Gründen hier war.
»Ich bin nur ein paar Meter entfernt«, raunte Iza mir zu, während sie sich in die Nische zwischen Kühlschrank und Sideboard quetschte. »Und ich gehe sofort dazwischen, wenn es brenzlig wird.« Sie schnappte sich noch ein großes Messer aus dem Messerblock und zog sich in ihr Versteck zurück. »Du kannst dich auf mich verlassen.«
»Ich weiß.« Und obwohl sich mein Herzschlag bei Izas Hinweis auf eine möglicherweise brenzlige Situation noch beschleunigte, verspürte ich Dankbarkeit, diese Situation nicht allein durchstehen zu müssen.
Im Gegensatz zu Cathy Wugner gehört Iza eindeutig zu den positiven Menschen, bei denen ich heute froh bin, sie mehr in mein Leben gelassen zu haben. Dabei war der Anfang unserer Beziehung nicht nur wegen Freddy nicht gerade vielversprechend. Falls Sie Prostituierten vorurteilsfrei begegnen, gratuliere ich Ihnen zu dieser offenen Einstellung - ich hatte sie damals nicht. Es brauchte seine Zeit, bis ich begriffen habe, was für ein Mensch sich hinter der einst völlig sexualisierten Fassade verbarg. Tatsächlich war es dann wieder ein Mann, der uns beide näher zusammengebracht hat. Hugos Beseitigung war zwar ein Teambuilding der anderen Art gewesen, aber es war eines.
Ich hatte Iza bis dahin noch nicht über Freddys Verbleib informiert, aber ich war fest entschlossen, sie ins Vertrauen zu ziehen und ihr alles zu erzählen - wenn der richtige Zeitpunkt gekommen war. Ich wollte meine Tür für diesen positiven Menschen definitiv öffnen.
Aber erst einmal öffnete ich die Tür für Cathy Wugner und bemühte mich, einen möglichst unaufgeregten, ja fast gelangweilten Gesichtsausdruck aufzusetzen.
»Guten Tag, Frau Wugner.« Als wäre es das Normalste der Welt, dass diese übertrieben aufgedonnerte Person spätabends bei uns klingelte. Ein Rock wie ein Hüftgürtel, High Heels in knalligem Pink, eine enge Bluse in derselben Farbe, darüber eine Teddyjacke mit Leoprint und das obligatorische Louis-Vuitton-Täschchen in der Hand. »Was kann ich für Sie tun?«
Cathy Wugner sparte sich die Begrüßung. »Ich muss Sie sprechen. Darf ich reinkommen?«
Ohne eine Antwort abzuwarten, marschierte sie in den Flur, überprüfte kurz ihr Aussehen im Garderobenspiegel und drehte sich dann wieder zu mir um.
»Gibt es Probleme mit der Küche?«, fragte ich mit meiner professionellen Beraterinnenstimme und versuchte gleichzeitig, die Wugner so unauffällig wie möglich zu mustern. Hatte sie eine Waffe dabei? Vielleicht in dem kleinen Täschchen? War sie womöglich gekommen, um den Fenstersturz ihres Gatten zu rächen? Ich räusperte mich. »Stimmt etwas mit dem Marmor nicht?«
Cathy Wugner zog ihre schlauchbootartig aufgespritzte Oberlippe hoch. »Glauben Sie, dass ich deshalb um diese Uhrzeit hier auftauche?«
Ich lachte gekünstelt. »Natürlich nicht. Kann ich Ihnen etwas zu trinken anbieten?« Ich schlug mir mit der Handfläche auf die Stirn. »Blödsinn, ich Dummerchen, deshalb sind Sie ja wohl auch nicht gekommen.« Wieder lachte ich, diesmal so auffallend unecht, dass jede KI vor Mitleid in Tränen ausbrechen würde. »Ich frage nur, weil meine Schwiegereltern heute Champagner mitgebracht haben - an einem Montag, ist das nicht verrückt?«
»Nein.« Cathy Wugner verzog keine Miene und sah mich an, als hätte ich nicht mehr alle Tassen im Schrank.
»Ja, sehen Sie, so unterschiedlich können Menschen sein. Meine Schwiegereltern fanden es auch nicht merkwürdig, an einem normalen Wochentag die Schampus-Flaschen zu köpfen. Ich dagegen würde so etwas .«
»Ich bin nicht gekommen, um mich über Ihre Trinkgewohnheiten zu informieren«, unterbrach mich Cathy Wugner. »Sondern um mit Ihnen persönlich zu sprechen.«
»Sie wollen wirklich reden, ja?« - und mich nicht erschießen?, fügte ich noch in Gedanken hinzu. »Aber Sie hätten doch anrufen können. Sie haben doch noch meine Handynummer, oder nicht?«
Cathy Wugner nickte. »Mein Mann hat Angst, dass unsere Telefone abgehört werden.«
»Aber - welchen Grund sollte es denn dafür geben?«, fragte ich scheinheilig, obwohl mir spontan mehr als ein Dutzend Gründe einfielen.
»Seit er aus dem Koma erwacht ist, leidet er unter Verfolgungswahn.«
»Das tut mir leid.«
Cathy Wugner machte eine wegwerfende Handbewegung. »Muss es nicht. Er war schon vorher leicht paranoid. Das ständige Koksen hat eben seine Nebenwirkungen. Aber das muss ich Ihnen ja nicht erzählen.«
Mein Herzschlag legte noch einen Zahn zu, und ich hob ruckartig den Kopf. »Wie bitte?«
Cathy Wugner holte einen Lippenstift aus ihrer Handtasche und zog sich vor dem Spiegel die Lippen nach. »Wir können uns das Theater sparen.«
»Ich . Ich habe in meinem ganzen Leben noch nie gekokst!«, rief ich mit empörter Stimme, dämpfte sie aber sofort wieder, damit mich die Kinder oben auf keinen Fall hörten.
Sie warf mir einen skeptischen Seitenblick zu, überprüfte dann noch einmal ihr dramatisches Augen-Make-up und packte den Lippenstift wieder ein. »Sorry, aber ich glaube Ihnen kein Wort. Jeder Dealer-Karriere geht ein gewisser Eigenkonsum voraus. Das wäre ja so, als würden Sie wirklich in einem Küchenstudio arbeiten, aber selbst nie kochen.«
»Was? Wieso wirklich?« Ich verstand immer noch nicht, wovon die Frau eigentlich redete.
Cathy Wugner stöhnte ungeduldig auf. »Ja, nicht nur als Alibi-Job.« Sie legte eine dramatische Pause ein, bevor sie weitersprach. »Mein Mann hat Sie neulich wiedererkannt, als Sie bei uns waren.«
Mir rutschte das immer schneller klopfende Herz in die Hose. Ich spürte, wie mir der Schweiß ausbrach, und ich wusste nicht, ob es eine hormonell bedingte Hitzewallung oder eine mordbedingte Panikattacke war. Eilig scannte ich ihren Körper noch einmal ab. Hatte sie vielleicht eine Waffe unter ihrem Pretty-Woman-Gedächtnislook versteckt? In ihrem prallen Dekolleté?
Ich starrte in ihren Ausschnitt und suchte nach jeder Unebenheit, die sich unter dem eng anliegenden Stoff abzeichnen könnte. Würde sie gleich eine kleine Pistole aus ihrem Busen ziehen und mich damit erschießen? Ich hatte zig Agentenfilme gesehen, in denen das gang und gäbe war. Und Cathy Wugners Brüste waren so groß, dass sie dazwischen locker eine AK-47 verstecken konnte.
»Warum glotzen Sie mir so auf die Möpse?« Sie...
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