Schweitzer Fachinformationen
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Auf der Wache wurden Frank Bartels und sein junger Kollege Michael begrüßt wie Popstars. Die Kollegen klatschten und klopften ihnen abwechselnd auf die Schulter. Jede größere Festnahme eines Kriminellen wurde hier gefeiert.
Zwar war diese Festnahme nicht ohne Komplikationen vonstattengegangen, aber das war angesichts der Tatsache, dass sie einen Dealer erwischt hatten, der seine Drogen vor Schulen verkaufte, zweitrangig. Natürlich war diese Festnahme nur ein Tropfen auf einem heißen Stein, aber das war umso mehr ein Grund für ihn, jeden Kriminellen festzunageln, dem er habhaft wurde.
»Is gut jetzt. Habt ihr nix zu tun oder was?« Bartels schaute gespielt streng in die Runde.
Sie alle grinsten vor sich hin und wandten sich wieder ihrer Arbeit zu.
Er, Frank, war sehr stolz. Das waren seine Jungs und Mädels. Er war der Schichtleiter und unter seiner Führung war diese Schicht förmlich aufgeblüht.
Sie hatten die meisten Festnahmen in Hamburg und so manche Einbruchsserie war von ihnen ohne Zuhilfenahme der Kripo aufgeklärt worden.
»Frank, du sollst hoch zum Chef.« Sein Wachhabender stand neben ihm.
Frank nickte.
Das kannte er schon. Er würde nach oben gehen, einen kurzen mündlichen Bericht abliefern, sich vielleicht eine Belobigung abholen und vom Chef zum wiederholten Male sanft ermahnt werden, es doch künftig bitte ein wenig ruhiger angehen zu lassen.
Polizeioberrat Brändel war eigentlich ganz verträglich. Frei nach dem Motto Lasst ihr mich in Ruhe, lass ich euch in Ruhe fristete er schon seit mehreren Jahren sein Dasein als Dienststellenleiter eines Polizeikommissariats in Hamburg. Er kam morgens als Letzter und ging nachmittags als Erster. Mit anderen Worten: Solange man ihn nicht ärgerte, sah und hörte er auch nichts.
Oberkommissar Frank Bartels klopfte an die Tür und trat auf das Herein in das Büro seines Chefs. Brändel saß hinter seinem Schreibtisch, aber als er Frank sah, sprang er auf und ging strahlend und mit ausgebreiteten Armen auf ihn zu.
Großer Gott, will er mich jetzt an seine schmächtige Brust drücken?
Aber noch im letzten Moment überlegte Brändel es sich anders und schüttelte Frank lediglich die Hand. Dann wies er auf einen seiner Besucherstühle, während er sich selbst wieder hinter seinen Schreibtisch setzte.
»Herr Bartels, schön, dass Sie da sind. Nehmen Sie Platz.«
Frank tat wie ihm geheißen, auch wenn er sich immer ein wenig unwohl fühlte seinem Chef gegenüberzusitzen.
Brändel hatte seine Ellenbogen auf dem Schreibtisch abgestützt und klatschte in die Hände.
»Das war ja mal wieder ein dolles Ding. Diese Festnahme, meine ich.«
Frank lächelte bescheiden. »Danke.«
Brändel beugte sich ein wenig vor, so als hätten sie etwas Vertrauliches zu besprechen. »Und? Wie geht es der Familie? Was ist mit Ihrer Tochter? Die muss doch schon so um die . Ich meine, spricht sie schon? Dann kommt sie ja wohl bald in den Kindergarten?«
Plötzlich überkam Frank ein merkwürdiges Gefühl. Was sollte das hier werden? Aber er wartete erst einmal ab und antwortete pflichtgemäß.
»Sie wird nächsten Monat 15 und ist in der 9. Klasse.«
Brändel lachte auf. Etwas zu schrill und etwas zu laut.» Wirklich? Wie die Zeit vergeht! Es kommt mir vor wie gestern, als ich sie im Arm hielt . die Taufe .«
»Sie ist nicht getauft.«
Langsam kam Frank die ganze Sache hier spanisch vor. Verstohlen schaute er auf seine Uhr. Er hatte noch genug zu tun.
»Na ja, wie dem auch sei. Haha.« Wieder dieses betont joviale Gelächter. Aber urplötzlich brach das Lachen ab und sein Vorgesetzter wurde ernster. Mit einem leichten Lächeln fuhr er fort: »Sehen Sie, Herr Bartels, wir, also die Polizeiführung und ich, also wir haben uns überlegt, dass Sie sich eine Belohnung verdient haben.«
»Ich habe nur meine Arbeit gemacht. Die Arbeit, für die ich von den Hamburger Bürgern bezahlt werde.«
»Ja, aber sehen Sie, ein verdienter Beamter wie Sie hat Besseres verdient. Sie sind nun in dem Alter, indem man vielleicht auch mal der Jugend den Vortritt lassen sollte.«
Frank war irritiert. Hatte er irgendetwas verpasst? Lief hier gerade irgendetwas an ihm vorbei? Bevor er Luft holen konnte, kam Brändel ihm zuvor.
»Sie werden versetzt.«
»Ich werde was?« Vergessen war die Festnahme und auch der Bericht, der unten im Schreibraum auf ihn wartete. Hatte er sich verhört?
»Was? Wohin? Warum?« Frank riss entsetzt die Augen auf.
»Nach Neuendiek. Und wie gesagt, es ist eine Belohnung. Und beruhigen Sie sich.«
»Aber . ich verstehe nicht . Ich habe die höchste Festnahmequote. Ich habe .«
Brändel hob, in dem Bestreben Franks Redefluss zu stoppen, eine Hand.
»Ihre Qualifikation wird auch an anderer Stelle dringend benötigt. Und außerdem, Neuendiek ist eine zauberhafte Insel. Sie werden da arbeiten, wo andere Urlaub machen. Was wollen Sie mehr?« Er hob die Arme und drehte die Handflächen nach oben. Er wirkte, als habe er seinem Untergebenen gerade ein großes Geschenk gemacht.
»Diese Polizeiaußenstelle in Neuendiek hat doch schon einen Beamten, oder?« Die Hoffnung stirbt schließlich zuletzt.
»Der geht nächsten Monat in den wohlverdienten Ruhestand.«
»Aber Sie können doch nicht . ich meine . mein Platz ist hier .«
Brändels Lächeln war wie weggewischt. Er wirkte jetzt ernsthaft böse und kniff seine Augen zusammen.
»Ich rede jetzt mal Klartext. Sie mögen ja die höchste Festnahmequote haben, aber haben Sie mal daran gedacht, was das die Stadt Hamburg in den letzten Jahren gekostet hat? Tausende von Euro. TAUSENDE! Ach, was sage ich? HUNDERTTAUSENDE! Wenn der Schaden nicht gar in die Millionen geht.«
»Ich verstehe nicht .«
»Erinnern Sie sich noch an Ihre Festnahme letztens? Der Handtaschenräuber. Es gab diverse Beschwerden gegen Sie, von Bürgern, die gesehen haben, dass Sie den Mann geschlagen haben.«
»Der Mann hatte wochenlang alten Damen vor Banken aufgelauert und ihnen dann die Tasche entrissen. Als ich ihn festnehmen wollte, hat er sich gewehrt.« Frank beugte sich vor und breitete die Arme aus. Dabei drehte er die Handflächen nach oben. »Es war nur eine Frage der Zeit, bis er jemanden umbringt.«
»Sie haben den Mann bis zu ihrem Dienstfahrzeug vor sich her geprügelt!
Was ist mit dem Tankstellenräuber letzten Monat, den Sie verfolgt haben?«
»Den habe ich festgenommen, und zwar im Alleingang.« Auch wenn seine Stimme nun ein wenig unsicher klang, ein gewisser Triumph war herauszuhören.
»Ja, und so ganz nebenbei haben Sie neben dem Streifenwagen auch noch fünf andere Fahrzeuge demoliert. Im Alleingang!« Brändel lehnte sich zurück. Er war sichtlich aufgewühlt und schien um seine Fassung zu ringen.
»Aber ich .«Frank beschloss, das erste Mal seit Jahren, sich zu rechtfertigen, aber sein Chef kam jetzt erst richtig in Fahrt.
»Und heute? Diese unselige Geschichte mit der Boutique?«
»Das war ein Unfall. Der Mann war ein Dealer. Der musste aus dem Verkehr gezogen werden.«
Polizeioberrat Brändel verlor nun endgültig die Nerven. Er sprang auf und brüllte: »Indem Sie wild mit Ihrer Waffe um sich ballern und den Mann durch eine Schaufensterscheibe befördern? Und das für drei Gramm Marihuana? Sind Sie irre, Mann?«
Für einen Moment herrschte Grabesstille. Dann ließ sich Brändel langsam wieder auf seinen Stuhl sinken und holte tief Luft. Als er weitersprach, hatte er sich und seine Stimme wieder in der Gewalt.
»Also, Sie werden versetzt. Nach Neuendiek.«
»Ja, aber .«
»Sie melden sich heute in einer Woche, also am kommenden Montag, bei Ihrer neuen Dienststelle. Sie werden von dem Kollegen vor Ort eingewiesen. Bis dahin sind Sie vom Dienst freigestellt. Entweder das oder Sie gehen in den vorzeitigen Ruhestand. Ihre Entscheidung.«
»Und meine Wohnung?« Frank gestattete sich noch ein letztes Aufbäumen.
Brändel lächelte wieder.
»Der liebe Gott hat die Welt in sechs Tagen erschaffen, dann werden Sie doch wohl in derselben Zeit einen Umzug organisieren können.«
Neuendiek. Was für ein verfluchtes Drecksnest!
Der Mann mit den militärisch kurz geschnittenen, dunklen Haaren und der kanariengelben Windjacke stemmte sich gegen den Wind.
Das sah ihr ähnlich, dass sie sich hier vor ihm versteckte.
Wobei von Verstecken wohl kaum die Rede sein konnte, denn schließlich hatte er sie ja gefunden, nicht wahr? Obwohl, gefunden war auch nicht das richtige Wort, immerhin hatte er noch gar nicht angefangen zu suchen. Er hatte halt ein wenig Hilfe bekommen. Er fragte sich, was man dafür von ihm verlangte, denn nichts war umsonst im Leben.
Er schob den Riemen des Rucksacks, den er nur auf einer Schulter trug, ein wenig höher....
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