Schweitzer Fachinformationen
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Kreislaufdenken: Damit beginnt dein Dasein als Saatgutgewinnerin oder Stecklingsflüsterer und - ja genau, du hast es dir schon gedacht - hört nicht mehr auf. In der Natur funktioniert alles so: Ohne Anfang, ohne Ende vollziehen sich die Lebenszyklen von Pflanzen über Monate, Jahre, Jahrzehnte hinweg. Sie bewegen sich mit den Jahreszeiten, den Veränderungen, die ihre Umwelt und Mitgeschöpfe erleben, fort, sie formen sich zu Pflanzengemeinschaften, Lebensräumen, Ökosystemen, und immer dreht sich der Vermehrungskreislauf der Pflanzen mit all dem mit.
Und das geht ungefähr so: Die Pflanze keimt aus dem Samen, wächst und gedeiht, bis sie reif ist und ihre Samen weitergibt, damit daraus die nächste Pflanze entstehen kann. Ganz so einfach ist es natürlich nicht: Es existieren nämlich verschiedene und höchst komplexe Vermehrungsformen. Genau darum geht es in diesem Kapitel.
Aber egal, an welchem Moment und aus welcher Perspektive du in diesen Kreislauf einsteigst: Du bist gleich mittendrin und versuchst, dich zurechtzufinden. Denk dich in den Rhythmus der Pflanzen hinein, beobachte genau, was im Garten passiert, und vermehre und säe im Laufe der Jahreszeiten.
Damit dein Eintauchen in die Lebenskreisläufe der Pflanzen möglichst harmonisch verläuft, findest du hier zunächst einmal Hintergrundwissen zur Pflanzenvermehrung, zu den Beziehungen, die Pflanzen im Zuge ihrer Vermehrung flechten und pflegen, und wie du daran anknüpfst. Zum Einstieg in die Praxis gibt es deshalb die Grundlagen des Samengärtnerns kompakt zusammengefasst. Alles klar? Dann kann's losgehen!
Ja, genau jetzt ist der richtige Zeitpunkt zum Ernten. Die Samen sind reif und trocken.
In den Wicken, den Färberkamillen und in den sich abends öffnenden Nachtkerzen, hier entstehen sie ganz ohne unser Zutun. Das Wichtigste, was wir tun müssen, ist zulassen, blühen und abblühen lassen, bis sie struppig, verdorrt und richtig zerfranst sind. Dann sind viele von ihnen reif. Wenn manch ein Passant leise den Kopf schüttelt, weil die scheinbare Unordnung seine Toleranzgrenze überschreitet, dann ist es so weit und der Garten bringt langsam seine wahren Schätze zutage. Na?
Viele Wildpflanzen freuen sich auf ihre Vermehrung in deinem Garten.
Keine Sorge, diese Frage - Huhn oder Ei, Same oder Pflanze - will ich gar nicht groß diskutieren. Aber ein guter Überblick über die ökologischen Grundlagen zur Pflanzenvermehrung macht allemal Sinn. Also, wo fangen wir an?
Es steht 1:400.000. Also die eine Art Homo sapiens, die unsere Menschheitsfamilie bildet, steht auf unserem Planeten ca. 400.000 Pflanzenarten gegenüber. Und diese sorgen für uns: als Essen, Heilmittel, Baumaterial, Energiequelle, Klimaschützer, Lebensraum. Das machen sie nicht nur für uns, denn in den meisten Ökosystemen sind Pflanzen für das Überleben aller anderen Lebewesen nötig.
Aus Sicht der Pflanzen ist es erst einen Augenblick her, seit wir uns kennenlernten, denn sie waren schon lange vor uns da. Aber seit wir Menschen in der Evolutionsgeschichte aufgekreuzt sind, weichen wir ihnen nicht mehr vom Leibe und haben sogar begonnen, ihre Samen zu sammeln, um sie ganz in unserer Nähe zu vermehren. Eine große Sammlung an Pflanzenwissen haben wir seither angehäuft und können uns mithilfe der artenvielfältigen Wildpflanzen und der von uns gezüchteten Kulturpflanzen rundum gut versorgen.
In den letzten 50 Jahren haben wir aber ziemlich den Überblick über unser Wissen verloren. Gerade bei der Pflanzenvermehrung erscheinen oft die einfachsten Dinge unglaublich kompliziert, weil wir es gewohnt sind, Dinge fix und fertig zu kaufen. Wir können aber gerade jetzt einen Relaunch an Kulturpflanzenvielfalt und überhaupt mehr Natur brauchen. Die Samengärtnerei ist dabei, wie du im vorhergehenden Kapitel erfahren hast, eine Schlüsselkompetenz. Betrachten wir die Samengeschichte nun als Nächstes einmal aus der Sicht der Pflanzen und all ihrer Partner.
Von der Blüte zum Samen und zurück - das ist eine faszinierende Reise ins Pflanzenreich.
Samen vom Steinklee sammeln, da freuen sich auch die Bienen .
Pflanzensamen sind weitläufig miteinander verbandelt. Und sie nützen ihre Beziehungen. Die Bedeutung der Samen für die Vermehrung ist eine Sache. Die ist von der Relevanz her ja schon mal klar, denn ohne Samen kein Kürbis, kein Kohlkopf, kein Lauch. Aber Pflanzensamen spielen noch weitere Haupt- und Nebenrollen, die uns vielleicht noch nicht ganz so bewusst sind. So sind sie z. B. äußerst wichtige Energiequellen im Nahrungsnetz und werden vor allem von Vögeln und anderen Samenfressern (wie auch uns Menschen) gern genossen - man denke an Sonnenblumenkerne, Walnüsse, Kümmel, Korianderkörner und Kaffeebohnen.
Um sich zu verbreiten, nutzen Samen oft eigenwillige Wege und lassen auch hier ihre Beziehungen spielen: zu Ameisen, die die Samen durch die Gegend schleppen, zu Eichelhähern, die sie vergraben (und damit anpflanzen), oder zu Katzen, Hunden und Menschen, die gut haftende Samen von Klette, Karde und Odermenning ganz einfach im Fell oder der Kleidung transportieren.
Damit Samen richtig gut keimfähig sind, haben sich manche mit Vögeln und kleinen Säugetieren zusammengetan, denn die Darmpassage hilft nicht nur bei der Verbreitung, sondern kann auch keimungshemmende Schichten abbauen. Im Kleinen erledigen das z. B. auch Fruchtfliegen, die das Fruchtfleisch verspeisen und so die Samen freilegen, oder Hefepilze, die z. B. bei Tomaten die keimungshemmende Gallerte um den Samen abbauen. Damit Samen aber überhaupt entstehen können, muss, wie wir wissen, eine Bestäubung stattfinden. Ganz oft wird sie durch Insekten, in anderen Erdteilen aber auch durch Vögel und Fledermäuse erledigt. Da kennt echt jeder jeden in dieser Samengeschichte!
Und dann kommen ja auch noch wir Menschen ins Spiel. Denn wir haben einen Deal mit den Pflanzen. Beim Verspeisen von sagen wir: einer Kiwi, deren Samen ich gleich aussäen möchte, erinnere ich mich wieder an diese Abmachung, die ich mittlerweile schon ganz automatisch einhalte. Ich kriege das Fruchtfleisch; das freut mich, denn es schmeckt und schenkt mir Vitamine und andere wertvolle Inhaltsstoffe. Dafür säe ich die Samen aus. Und zwar nicht einfach irgendwie, sondern ganz bewusst in eine Umgebung, die ideale Bedingungen für die Keimung bietet. In diesem Fall warm und feucht und mit den Samen an der Oberfläche, da Kiwis Lichtkeimer sind. Aus den Resten, der Fruchtschale - die natürlich auch essbar ist -, mache ich heute lieber den Kompostorganismen eine Freude, als sie selbst zu essen. Kompostwürmer und Mikroorganismen wandeln sie nämlich in guten Humus um, der in der nächsten Saison wieder den Pflanzen zugutekommt. So ist das: Wir halten zusammen, und alles wird gebraucht.
Bevor es jetzt mit der Vermehrung losgeht, müssen wir aber noch eines klären. Was genau versteht man eigentlich unter einem Samen?
Samen dienen der Fortpflanzung der Pflanzen. Wenn eine Befruchtung stattgefunden hat, reifen sie im Schutz bestimmter Pflanzenorgane (z. B. Samenkapsel oder Früchte) aus, die sie vor Witterungseinflüssen und Fressfeinden schützen. Erst wenn die Samen reif sind, werden sie von der Mutterpflanze freigegeben; z. B. indem sich die Samenkapsel öffnet oder eine Frucht mit reifen Samen zu Boden fällt. Im Samen selbst befinden sich der Embryo, also der befruchtete Keim, und das Nährgewebe, das dem Embryo in der Keimungsphase lebensnotwendige Stoffe liefert. Umgeben ist all das mit einer Samenschale, die alles gut umhüllt und schützt. Ein sehr wichtiger Schritt im Reifeprozess eines Samens, der noch an der Pflanze passiert, ist die Trocknung. Durch die starke Reduktion des Wassergehalts geht der befruchtete Embryo in eine Keimruhe über - eine Phase, in der der Samen gar nicht keimen kann. Das hat unter anderem den Sinn, dass der Same nicht im Herbst/Winter auskeimt und sich dann in einer lebensfeindlichen Umgebung wiederfindet. Aber auch nach Abschluss der Keimruhe bleibt der Embryo im Samen in Wartestellung, bis es tatsächlich mit der Keimung losgeht. Und das kann Jahre dauern. Oder auch ganz schnell gehen. Auf jeden Fall müssen die äußeren Bedingungen passen, damit der Keimungsprozess ausgelöst wird. Die Vorlieben dafür sind zwar von Pflanze zu Pflanze unterschiedlich, aber es spielen dabei immer die Faktoren Wasser, Temperatur und Licht eine Rolle (mehr dazu findest du auf Seite 72).
Das Samenkorn als Zwischenspeicher ist ein Informations- und Energiebündel, aus dem heraus sich komplexe Lebewesen entwickeln - vom Mauerblümchen bis zum Mammutbaum. Die geballte Information ist...
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