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DIE GEDANKEN SIND FREI
»Mord ohne Leiche«, so lautete die plakative Schlagzeile, die in Köln über Jahre hinweg die Medienlandschaft beherrschte und in der Öffentlichkeit heiß diskutiert wurde. Ein abgehörtes Selbstgespräch des angeklagten Ehemanns, in dem er den Mord an seiner Frau im Auto gestand (»Yes, I know, I killed her and that's my problem«), wurde im Laufe des Prozesses zu einem zentralen Beweismittel - doch seine Verwertung führte zu einem bemerkenswerten juristischen Präzedenzfall. Im Prozess hatte der Ehemann den Mord vehement bestritten.
Der Bundesgerichtshof erklärte das eindeutige Geständnis im Auto aufgrund des Arguments der »unantastbaren Privatsphäre« als unverwertbar und gewährte so dem Angeklagten eine zweite Chance. Der gesamte Prozess mit über 120 geladenen Zeugen wurde daraufhin neu aufgerollt. Und bis heute blieb die Leiche der verschwundenen Frau unauffindbar.
Dieser Präzedenzfall löste eine deutschlandweite Debatte über die Grenzen der Beweisführung und den Schutz der Privatsphäre aus. Rechtswissenschaftler diskutierten monatelang, ob die Auswertung von Selbstgesprächen künftig stärker reguliert werden müsse.
Es war ein ruhiger, klarer Nachmittag am 18.April 2007, als Lotis K. (33) sich zuletzt telefonisch mit ihrer besten Freundin austauschte. Lotis galt in ihrem Umfeld als lebensfrohe Person und engagierte Mutter, die ihren Sohn über alles liebte.
Am Telefon reagierte Lotis dann abrupt: »Ich muss Schluss machen, das ist mein Mann, er holt den Jungen ab.« Offenbar hatte es an der Haustür geklingelt. Mit diesem Satz verabschiedete die Filipina sich und beendete das Gespräch. Es war das letzte Lebenszeichen der jungen Mutter, die seitdem als vermisst galt. Das dunkle Kapitel begann an jenem Tag, an dem sie spurlos verschwand.
Freunde und Bekannte erinnern sich noch genau an die folgenden Tage und Wochen. Viele waren alarmiert, weil Lotis bereits in den Wochen zuvor zunehmend zurückgezogen und besorgt gewirkt hatte.
In der Folgezeit entwickelte sich ein Wirrwarr von Gerüchten und wilden Spekulationen über das Schicksal der Frau. Der Noch-Ehemann (das Paar lebte seit einiger Zeit getrennt), Siegfried K, verbreitete vage Erklärungen: Mal soll Lotis K. mit einem anderen Mann ein neues Leben angefangen haben, dann wiederum habe sie sich möglicherweise in ihre philippinische Heimat abgesetzt. Auch ein möglicher Selbstmord kam zur Sprache: Lotis K. habe vielleicht einen Sturz von einer Rheinbrücke nicht überlebt.
Doch diese Theorien wirkten allesamt wenig glaubwürdig angesichts der Umstände. Und sie widersprachen darüber hinaus den Erkenntnissen der Ermittler.
Merkwürdig war auch: Nicht der Ehemann, sondern vielmehr die Freundinnen von Lotis hatten die Vermisstenanzeige erstattet. Ein deutlicher Hinweis darauf, dass der Ehemann möglicherweise etwas zu verbergen hatte. Schnell geriet der Ehemann in den Fokus der Ermittlungen. Denn noch am selben Tag hatte Siegfried K. nämlich auch seinem Sohn erklärt: »Du bleibst jetzt die nächsten Tage bei mir, die Mama ist verreist.« Und er machte sich weiter verdächtig. Gerade mal vier Tage nach dem vermeintlichen Verschwinden seiner Noch-Ehefrau meldete er den Sohn im Kindergarten ab und auf seine Wohnanschrift an. All das erregte größten Argwohn bei der Polizei. Hatte Siegfried K. versucht, den Aufenthaltsort der Familie zu verschleiern?
Weitere Ermittlungen ergaben, dass zwischen dem Noch-Ehemann, dessen Zwillingsschwester und deren Ehemann auf der einen Seite (sie alle lebten zusammen in einem Haus) und Lotis K. als gegnerischer Partei ein erbitterter, längst eskalierter Sorgerechtsstreit im Gange war. Das ungewollt kinderlose Ehepaar, das an dem kleinen Jungen von Geburt an regelrecht einen Narren gefressen hatte, zeigte eine derartige Fixierung auf den kleinen Jungen, dass sie Lotis K. nach der Trennung sogar Geld anboten, um den abgöttisch geliebten Neffen dauerhaft in ihre Obhut zu bekommen.
Nach Aussage von Nachbarn war die familiäre Atmosphäre schon seit Jahren von erheblichen Spannungen geprägt, die sich zunehmend in verbalen Angriffen und gegenseitigen Intrigen entluden.
Für die Ermittler war dies ein starkes Indiz: Sie sahen Anlass genug, von einem Anfangsverdacht auszugehen, dass die Verwandtschaft mit dem Verschwinden von Lotis K. in Verbindung stand. So wurde im Sommer 2007 die Wohnung der seit Wochen vermissten Lotis K. mit Leichenspürhunden durchsucht. Und tatsächlich schlugen die Hunde in der hintersten Ecke der Küche an. In der offensichtlich mehr als gründlich gesäuberten Küche kratzten die Hunde ganz aufgeregt an der Spüle den Boden ab, dort, wo der Mülleimer stand. Es machte deutlich den Eindruck, als wollten sie auf etwas Verstecktes hinweisen.
Die Verteidigung führte dagegen ins Feld, es könne sich möglicherweise nur um die Spuren von Essensresten gehandelt haben. »Das kann ebenso gut Blut von einem entsorgten Kotelett oder Schnitzel gewesen sein«, hieß es in einem Schriftsatz. Doch ein erfahrener Hundeführer widersprach der Ansicht der Juristen vehement. »Ein Leichenspürhund kann sehr wohl zwischen einem Tierkadaver und einem toten Menschen unterscheiden«, machte der Hundeführer deutlich.
Dieses Fachwissen war ein wichtiger Punkt in den Gerichtsverhandlungen, denn die Unterscheidungskraft der Hunde wurde in mehreren Studien bestätigt. Und die Hunde hatten ja in der Küche angeschlagen, obwohl die Polizei zwei Tage zuvor bei aufwendigen mikroskopischen Untersuchungen keinerlei Hinweise auf Blutspuren gefunden hatte. Die Küche war »blitzsauber, extrem gereinigt«, hatten Kriminaltechniker in den Akten notiert. Diese akribische Reinigung wurde von Experten als typisches Verhalten von Tätern gewertet, die Spuren beseitigen wollen.
Der fehlende Nachweis von Blutspuren ließ nach Überzeugung der Ermittler nur einen Schluss zu: Die Vierbeiner hatten dort Leichengeruch wahrgenommen. Denn ein Leichenspürhund reagiert nur auf zwei Dinge: entweder auf Blut, wobei das Tier nicht zwischen Blut von einem Lebenden oder Toten unterscheiden kann (und Blutspuren waren ja nicht vorhanden) - oder eben auf Leichengeruch. Für den Ankläger ein »nicht unwesentliches Indiz« dafür, dass Lotis K. in ihrer Wohnung getötet wurde.
Die Geschichte der Familie K. begann 1999, als Siegfried K. auf den Philippinen über eine Heiratsvermittlung Lotis kennenlernte. Das Paar heiratete ein Jahr später, zog in das Kölner Mehrfamilienhaus, in dem Siegfried K's Zwillingsschwester mit ihrem Mann lebte. Das Zusammenleben gestaltete sich von Anfang an kompliziert, da die Verwandten großen Einfluss auf das Paar und besonders auf die junge Mutter nahmen.
Tatsächlich wurde Lotis K. schnell schwanger. 2002 kam Sohn Marc zur Welt, um den sich von Anfang an alles drehte. Das Baby war gerade ein paar Wochen alt, da begann die offensichtlich übergriffige Verwandtschaft damit, die frischgebackene Mutter zu bevormunden, zu kontrollieren, zu drangsalieren. Immer wusste die Schwägerin stets alles besser. Wie wickelt man ein Baby, wie warm muss das Fläschchen sein, bei welcher Temperatur ist das Badewasser ideal . Immer wieder wurde ihr das Baby unter einem Vorwand weggenommen. Siegfried K. - der offenbar in einer starken Abhängigkeit zu seiner Schwester lebte - ließ seine Verwandten gewähren und zeigte kaum Gegenwehr. Diese familiäre Konstellation führte bald zu einem tiefen Riss in der jungen Ehe.
Das kinderlose Ehepaar Wilfried und Irmgard M. mischte sich extrem in die Erziehung ein, mehr und mehr gegen den Willen von Lotis. Lotis K. hatte Grund zu der Befürchtung, der Kleine werde ihr mehr und mehr entfremdet - was sich bestätigte. Zuletzt sprach er fließend Deutsch, in seiner Muttersprache konnte er sich kaum mehr verständigen. Auf Unterstützung ihres Ehemannes gegen Marcs Vereinnahmung durch Schwägerin und Schwager konnte die Mutter nicht bauen. Siegfried K. hatte sich stets auf die Seite seiner Schwester und ihres Ehemannes gestellt, obwohl das »außergewöhnliche Engagement« des kinderlos gebliebenen Ehepaares mit normaler Kinderliebe und Fürsorge nicht mehr erklärbar war.
So war die Beziehung zwischen Lotis und den Verwandten ihres Mannes von Anfang an durch Misstrauen und Machtkämpfe regelrecht vergiftet.
Das Baby war gerade auf der Welt, da legte seine Tante ein Tagebuch an, in dem sie akribisch jeden Tag die Entwicklung des Säuglings dokumentierte. Als der Junge in den Kindergarten kam, ließ sich nicht der Vater, sondern Onkel Wilfried in den Elternrat wählen - natürlich hatten sie vorher das Einverständnis des Vaters schriftlich eingeholt. Und das Paar machte die Mutter vor dem Kind schlecht, bezeichnete sie als »Trottel«. Freunde berichteten, dass Lotis K. sich immer wieder isoliert und machtlos gefühlt hatte.
Als Lotis K. die unerträgliche Situation nicht länger hinnahm und mit dem Kind 2005 auszog, kam es zu einem erbitterten Sorgerechtsstreit, durch den das familiäre Drama weiter eskalierte. Der Streit wurde zum öffentlichen Kampf, bei dem alle Beteiligten massive psychische Belastungen erlitten.
Das Ehepaar klagte sogar - allerdings vergeblich - bis zum Bundesverfassungsgericht, um ein eigenes Besuchsrecht für Marc zu erstreiten. Das Ehepaar wollte das Kind unbedingt im eigenen Haushalt aufwachsen sehen. Sie boten Lotis 25000 Euro, damit sie ohne den Jungen in ihre Heimat zurückkehren und sich dort eine neue Existenz aufbauen könne. Lotis reagierte darauf scharf. »Nur über meine Leiche gebe ich mein Kind her«, hatte Lotis ihren...
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