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Warum gibt es überhaupt Musik?
Die Theorien dazu lassen sich in sechs Kategorien unterteilen:
1. Musik ist wie Käsekuchen
Musik sei eine Art auditory cheesecake, Käsekuchen für die Ohren. Ganz lecker, aber zum Überleben keineswegs notwendig. Der Mensch habe die Musik irgendwann als netten Ohrenkitzel dazugewonnen, sei aber vorher ganz gut ohne sie ausgekommen. Diese provokante These stammt vom Harvard-Professor Steven Pinker. Diesem Ansatz wird vehement widersprochen. Vor allem von Forscherinnen und Forschern, die folgende Theorie vertreten:
2. Wiegenlieder und die Mutter-Kind-Beziehung
Lieder, um den Nachwuchs zu beruhigen, seien der Ursprung jeglicher Musikalität auf der Erde. Schon vor Hunderttausenden Jahren haben Mütter ihren Kindern zum Einschlafen einfache Melodien vorgetragen. Erst kürzlich wurde festgestellt, dass damit eine überlebenswichtige Hormonproduktion beim Nachwuchs in Gang gesetzt wird. In Zeiten hoher Kindersterblichkeit sei das für das Überleben besonders wichtig gewesen. Der Gesang kompensiere zudem fehlende Berührungen. Eine vertraute Stimme kann dem Nachwuchs über eine gewisse Distanz hinweg ein Gefühl von Sicherheit vermitteln. Das ist heutzutage immer noch nützlich, zum Beispiel, wenn man beide Hände in der Wäsche hat.
Manche wissenschaftlichen Abhandlungen kommen zu dem Ergebnis, dass unter anderem Wiegenlieder den Verbleib der Menschheit auf dem Planeten gesichert hätten und dass im Grunde genommen die Erfindung der Musik auf Frauen zuru¨ckgehe. (Mehr dazu unten im Kapitel »Die Magie von Wiegenliedern«.)
3. Genetische Selektion und Paarung
Charles Darwin kommt in seinen evolutionstheoretischen Schriften zu dem Ergebnis, Musik habe beim Menschen eine ähnliche Funktion wie im Tierreich. Konkret wie bei den Vögeln. Wer laut und kräftig singt, mache auf sich aufmerksam und würde seine guten Gene unter Beweis stellen. Singen konnten einige Vorfahren des Homo sapiens übrigens schon, bevor sie in der Lage waren zu sprechen. Physiologisch sind unsere Stimmbänder auf einen viel größeren Ambitus (Tonumfang) ausgerichtet, als wir ihn für das Sprechen benötigen.
Möglicherweise wurde mit Gesang eine gewisse Form von Souveränität zum Ausdruck gebracht. Wer in der Steinzeit, wo es die meiste Zeit ums nackte Überleben ging, sang, der zeigte: Ich habe nur ein Fell um die Hüften und einen Stein in der Hand, bin aber trotzdem gut drauf!
Dass Kulturtechniken interessanter sein können als die reine Muskelmasse und das Äußere eines Menschen, zeigt sich bis heute bei Künstlern, die auf den ersten Blick kein Schönheitsideal verkörpern, aber trotzdem Tausende Fans anlocken. Den Rekord für den größten Ticketumsatz aller Zeiten (736,7 Millionen US-Dollar) mit nur einer Tournee hält übrigens Ed Sheeran.
4. Soziale Interaktion und Gruppenstärkung
Musik kann ein Gruppenbewusstsein erzeugen. Jeder braucht seine Momente für sich und ist gerne mal allein, evolutionär betrachtet ist der Mensch jedoch ein Herdentier. Gesänge und Musikrituale sind der Kitt für einen Gruppenverbund. Gemeinsame Lieder stehen für geteilte »Kultur«. Gut zu beobachten ist das im Fußballstadion - die Fangesänge sollen Spieler auf dem Platz zu mehr Leistung animieren, aber vor allem eine Gruppenzugehörigkeit klarmachen und die Grenzen zu einem feindlichen Gegenüber ziehen. Und dadurch werden Kräfte freigesetzt, die früher überlebenswichtig waren. Zum Beispiel, um einem Mammut die Stirn bieten zu können. Stress und Angst werden durch Gesang und Gemeinschaftsgefühl reduziert. Ein Säbelzahntiger lässt sich mit dem richtigen Lied auf den Lippen besser bekämpfen - zu empfehlen ist hier »What's new pussycat?« von Tom Jones.
5. Survival of the friendliest
Neuere anthropologische Forschungen versuchen, die darwinsche Vorstellung von »Survival of the fittest« ein wenig herauszufordern. Nicht das am besten angepasste Lebewesen habe evolutionär die besten Karten, sondern das freundlichste. Es gebe auch eine Selektion gegen Aggression. Kann ja kein Zufall sein, dass der Säbelzahntiger mittlerweile ausgestorben ist, das Meerschweinchen aber seit Tausenden von Jahren ganz entspannt vor sich hin lebt. Im ersten Augenblick mag diese These im Hinblick auf den Menschen verwirren, denkt man an die vielen kriegerischen Auseinandersetzungen seit Bestehen dieser Spezies. Aber der Mensch hat auch ziemlich gern seine Ruhe: daheim sein, Heizung an, Lieferdienst, Laptop, Netflix.
Neben dem Homo sapiens sei der Hund das erfolgreichste Wesen auf dem Planeten. Wegen seiner freundlichen Beziehung zum Menschen.
Musik steht fast immer für unsere positiven, freundlichen Seiten. Sie ist eine Kulturtechnik, bei der die Gesichtszüge und die Körpersprache überwiegend Entspannung und keine Aggression ausstrahlen. Mit Ausnahme vom gutturalen Gesang beim Death Metal vielleicht. Dabei sind Fans und Ausübende von Metal-Musik häufig sehr freundlich.
6. Musik zum Durchhalten
Die Kraft für langfristige Anstrengungen, die man aus der Musik ziehen kann, spielt bei der sechsten Theorie eine Rolle. Was sind wir früher viel gelaufen! Vor etwa vier Millionen Jahren ging es los mit dem Aufrechtgehen. Die vielen Vorfahren des Homo sapiens und auch er selbst haben früher enorm lange Wegstrecken zurückgelegt. Immer auf der Suche nach besseren Lebensbedingungen. Das Vor-sich-hin-Singen und -Summen soll die Strapazen leichter erträglich gemacht haben. Ein Mittel zur Ertüchtigung und zum Durchhalten. Vor ca. 2.000 Jahren - also nur einen Wimpernschlag in der Geschichte des Menschen zurückliegend - musste ein römischer Legionär etwa 33 Kilometer am Tag Fußmarsch auf sich nehmen. Mit dabei ein Gepäck von 47 Kilogramm. Heutzutage ist der Mensch bereit, nur noch durchschnittlich zehn Minuten Fußweg, beziehungsweise einen knappen Kilometer, hinter sich zu bringen, bevor er ein Verkehrsmittel zur weiteren Fortbewegung wählt. Reise- und Wanderlieder stammen aus einer Zeit, als es noch keine E-Scooter und kein Uber gab. Praktisch sind sie kaum noch in Gebrauch. Erhalten hat sich allerdings für viele das Ritual, sich bei der körperlichen Bewegung von Musik begleiten zu lassen - zum Beispiel beim Joggen mit Kopfhörern. Das ist gar nicht so weit weg von dem, wie unsere Vorfahren vor ein paar Millionen Jahren mit der körperlichen Anstrengung umgegangen sind: ebenfalls mit Musik, nur ohne Navi-App und Funktionsjacke.
Aus meiner Sicht können die Theorien 4 bis 6 sehr gut mit der wichtigen Wiegenlied-Hypothese koexistieren. Diese Kombination hat für mich die Nase vorn. Die Theorie von Charles Darwin zur Musik, wohlgemerkt aus dem 19. Jahrhundert stammend, gilt in der Wissenschaft mittlerweile als zu unvollständig. Trotzdem enthält sie einige valide Punkte. An den Käsekuchen als Erklärungsmodell glaube ich nicht.
Die Entwicklung des Menschen. Mit Musik ging es eiligen Schrittes voran.
Interessanterweise gibt es Kulturen, die das Wort Musikerin oder Musiker nicht kennen, aber nur, weil es vollkommen selbstverständlich ist, dass der Mensch Musik macht. Bei den Mafa in Afrika ist das zum Beispiel der Fall.
Es gibt fundamentale religiöse Bestrebungen, die Musik verbieten und ausmerzen wollen. Aber das funktioniert nicht so recht. Musikmachen ist ein zutiefst menschliches Bedürfnis. Zu allen Zeiten der Geschichte wurde gehopst, gesungen, gesprungen und mit Klangerzeugern hantiert. Und das ist auch gut so.
Warum berührt uns Musik so sehr?
Sie erreicht uns ungefiltert! So wie Gerüche trifft sie uns unmittelbar. Sie geht durch alle Gehirnregionen. Das hat evolutionäre Gründe. Unser Kopf musste früher in Bruchteilen von Sekunden unterscheiden können: War das ein Windstoß, der das Gras zum Rascheln bringt, oder haut uns gleich ein Bär die Tatze über die Rübe?
In sehr kurzer Zeit verspüren wir Argwohn, wenn wir einen »falschen« Song erkennen. Das geht uns durch Mark und Bein. Es gibt Leute, die rennen sofort zum DJ, wenn er sich ihrer Meinung nach in der Playlist verklickt hat. Das ist affektiv schon verständlich. Modern Talking bei einer 80er-Jahre-Party zum Beispiel. Dann doch lieber eine Bärentatze über die Rübe.
Die Ohren haben sich, wenn es um Sicherheit geht, evolutionär bewährt. Deshalb funktioniert Filmmusik bei uns auch so gut. Tiefe, grummelige Klänge sagen uns: Hui, da kommt was auf mich zu, ich nehme mich mal lieber in Acht . Leichte, weiche, eher hohe Töne bedeuten Entspannung: Hier fühle ich mich sicher. Wenn die Vögelchen so fröhlich zwitschern, dürften frisches Wasser und Nahrung nicht weit sein.
Seit wann tanzt der Mensch und warum?
Die Forschung geht davon aus, dass der Mensch schon getanzt hat, bevor er überhaupt sprechen konnte. Vor vielen Hunderttausend Jahren. Und das hat ihm evolutionäre Vorteile gebracht, denn:
Gemeinsame Tanzrituale schweißen Gruppen zusammen. Als eingeschworene Einheit konnte man sich besser gegen gefährliche Tiere und andere Widrigkeiten durchsetzen. Ferner ließen sich böse Geister vertreiben. Sehr praktisch. Die Geister blieben größtenteils weg und man hatte auch noch Spaß dabei.
Tanzen macht größer. Wenn eine Gruppe im Kreis oder in einer anderen Formation große Bewegungen macht, dann kann das abschreckend wirken. Ein Raubtier lugt durch den Busch und sagt sich: Nee, da gehe ich mal lieber nicht hin . Würde ein Mensch alleine vor seiner Nase herumlaufen, sähe das schon anders aus.
Tanzen flößt anderen Menschen Respekt ein und übt Faszination aus. Wenn wir Cheerleader-Gruppen oder andere...
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