Kapitel 1
Vertiebssystematik
Typisches Bild der Produktion in einer Brauerei
Jan - mit Vertriebssystematik (fast) jeden Auftrag holen
Spitzenvertrieb basiert immer auf einer überragenden Verkäuferpersönlichkeit.
Herby Dorrer
Jan saß in seinem Auto. Laut, wie meistens, hatte er sein Autoradio aufgedreht. Musik von AC/DC schallte aus den Boxen der Seitentüren. Jan sang laut mit, wie er es auch schon als Teenager gerne getan hatte: "Highway to Hell!" Er mochte Rockmusik und besonders gern hörte er sie, wenn er euphorisch und zufrieden war. Heute war er gut drauf und überdreht, es war ein perfekter Tag. Er liebte seinen Job und sein Leben.
AC/DC hatte zwar vor Jans Jugendzeit am Beliebtheit- und Bekanntheitshorizont gestanden, aber er hatte diese Gruppe vor einiger Zeit tief in sein Herz geschlossen. Vor einigen Monaten, zur Fünfzigjahresfeier seiner Firma, spielte eine AC/DC-Coverband. Das was war der absolute Hammer für Jan, seine Kollegen und Kolleginnen, die eingeladenen Lieferanten, Lieferantinnen und Kunden und Kundinnen. Es waren etwa 250 Personen bei der Party, bei der es Essen, Trinken, Vorträge und als Abendprogramm die AC/DC-Coverband gab. Jan erinnerte sich immer wieder gerne an den Abend, und ein freudiges Bewegungsgefühl strömte durch seinen Körper. Vor seinem inneren Auge sah er die schweißdurchnässten Männchen, die auf der Bühne herumsprangen und in einem Wahnsinnssound einen AC/DC-Hit nach dem anderen zum Besten gaben.
Ein Gast, er war gebürtiger Australier, war bei diesem Event auch dabei. Er war eingefleischter AC/DC-Fan und wohl megastolz auf seine Landsleute. Er kam richtig in den Flow auf der kleinen Tanzfläche vor der Bühne. Auch Jan und seine Kolleginnen und Kollegen gerieten, angespornt durch den australischen Tänzer, in eine vollkommene Tanztrance. Die auf der Bühne mit Gitarren und Mikrofon herumspringenden Darsteller pushten die Stimmung gekonnt immer weiter und immer mehr. Die Musiker waren kleine Männer, alle wohl um die einssechzig groß, aber voller Energie und wahre Showprofis. Ein großer Teil der Gäste tanzte sich stundenlang in Trance.
Es war ein toller Abend für Jan gewesen. Wieder mal so richtig die Sau rauslassen und abtanzen - das hatte ihm gutgetan. Dieses lebendige Glücksgefühl hatte er seitdem immer wieder in sich gespürt.
Gleich am nächsten Tag nach der Firmenfeier hatte sich Jan eine "Best of AC/DC"-Sammlung auf sein Smartphone geladen. Nun hörte er die Songs ständig im Auto oder auch zu Hause im Wohnzimmer.
Besonders gerne hörte er die Musik in emotionalen und freuderfüllten Momenten, wie jetzt, als er auf dem Weg zurück ins Büro war. Er war gerade bei einem potenziellen Kunden gewesen, der regional bekannten Brauerei Donaubräu, und hatte sein Angebot präsentiert. Jan war superzufrieden mit sich. Beim Kunden hatte er ein Angebot zur Erneuerung und Erweiterung der Produktionsanlage mit dem Werksleiter durchgesprochen. Jans Firma vertrieb Hard- und Software für produzierende Betriebe, und er war derjenige, der die Produkte mit seinem Verkaufstalent an den Mann oder die Frau brachte.
Jan schüttelte den Kopf zur Musik hin und her. An der nächsten Ampel guckte er zum Seitenfenster raus. Der Fahrer im danebenstehenden Auto blickte ebenso raus und schaute Jan an. Zuerst verzog er sein Gesicht, als wollte er sagen: "Was bist denn du für ein Idiot?" Aber dann begann auch er, den Kopf von der einen Seite auf die andere Seite zu schütteln und grinste. Vielleicht hörte er auch gerade Rockmusik. Mit einem leichten Quietschen beschleunigte Jan sein Auto, als die Ampel auf Grün umgeschaltet hatte.
Nach diesen adrenalingeladenen Minuten machte er die Musik aus und sagte zu sich selbst: "Das hast du echt super gemacht. Du hast super präsentiert und argumentiert."
Meist war Jan gut gelaunt nach einer Angebotspräsentation. Er mochte es, beim Kunden zu sein, dort alles vorzustellen und vor allem: danach den Auftrag zu erhalten!
Er fuhr aufs Firmengelände und parkte seinen Wagen auf dem Kurzparkplatz, der eigentlich den Kunden vorbehalten war. Es waren bei seiner Ankunft genug Plätze frei. Also dachte Jan, dass er für die paar Stunden hier parken und sich den weiten Weg vom Mitarbeiterparkplatz ersparen könnte.
Jan war richtig übermütig, als er ausstieg. Er hatte ein tolles Kundenmeeting hinter sich und war aufgepusht durch die Musik. Mit seiner Aktentasche in der Hand stolzierte er bedächtig zum Bürogebäude, den Gang entlang zu seinem Büro und weiter zu seinem Schreibtisch.
Seine Kollegin Judith, die ihrem Platz im Viererschreibtischblock neben ihm hatte, war vertieft in ihre Arbeit am Bildschirm. Sie war als Werksstudentin angestellt und bereits im letzten Semester ihres Studiums. Sie hoffte, dass sie nach ihrem Abschluss in wenigen Monaten eine Festanstellung bekommen würde.
Judith bemerkte Jan erst nach einigen Momenten, nachdem er zweimal geräuspert hatte. Sie sah ihn verwundert an und musste wohl sofort gespürt haben, dass er ihr etwas mitteilen wollte.
"Na, wie war's, Jan? Du siehst zufrieden aus", stellte Judith mit einem freundlichen Grinsen im Gesicht fest.
Jan hatte auf die Ansprache gewartet. Endlich konnte er loslegen und von seinem erfolgreichen Tag erzählen.
"Ja! Ich habe alles richtig gemacht bei dem Angebotsgespräch. Ich war heute richtig gut drauf. Ich habe meine Erklärungen laut der Agenda mit den vorbereiteten Punkten perfekt rübergebracht. Ich habe die beiden Gesprächspartner, Rüdiger Meier, den Werksleiter, und den kaufmännischen Verantwortlichen, Carsten Hofer, mit Fragen bedacht. Natürlich mit den relevanten Fragen für ihren jeweiligen Verantwortungsbereich! Ich hatte alles im Griff und habe das Gespräch geschickt geführt. Dennoch hatten die Kunden den weitaus größeren Redeanteil. Das lag daran, dass ich das Gespräch mit guten Fragen gelenkt habe. So bekam ich gute Antworten. Die Informationen, die ich noch brauchte, habe ich so leicht bekommen."
Judith hatte den Mund schon geöffnet und wollte etwas sagen, aber Jan war so euphorisch am Erzählen, dass sie dann doch stumm blieb.
"Und dann erklärte ich dem Werksleiter die genaue ROI-Berechnung, die Rentabilitätsberechnung. ROI steht für Return on Invest, aber das weißt du ja bestimmt, oder?"
Judith nickte.
Daraufhin fuhr Jan mit seinem Erlebnisbericht fort. "Ich habe ihm Beispiele dafür gegeben, wie seine Innovationsfreudigkeit für das Image seiner Firma hilfreich sein wird. Klar konnte ich rüberbringen, dass sich eine Investition in unser System bereits nach zwei Jahren durch Einsparungen im Engineering und im operativen Betrieb amortisiert haben wird. Dem kaufmännischen Verantwortlichen habe ich die genauen Liefer- und Zahlungspläne erläutert. Auch habe ich ihm eine verbindliche Zusage einer Lieferung innerhalb von zwei Wochen gegeben. Ich hatte vorher unsere Lagerbestände kontrolliert und wusste, dass wir derzeit so viel auf Lager haben, dass es schon mit dem Teufel zugehen müsste, wenn wir das nicht schaffen würden. Ebenso produziert derzeit unser Werk reibungslos und perfekt."
Die Worte sprudelten nur so raus aus Jan. Er war Vertriebsbeauftragter mit Herz und Seele.
Nach einiger Zeit unterbrach Judith den Gesprächsfluss, der niemals zu enden schien. Sie kam nicht mehr mit.
"Warte mal, Jan. Du erzählst mir so viel und so schnell. Ich kann dir gar nicht folgen."
Jan bemerkte seine Euphorie wohl nun auch selbst, sprach zuerst etwas leiser weiter und stoppte sich dann. Wenn er richtig gut drauf war, konnte er sich nur schwer zügeln. Jan merkte aber auch, dass Judith sehr interessiert zuhörte. Sie war intelligent und war immer dazu bereit, etwas Neues zu lernen. Darum erzählte er ihr gern, wie seine Termine abgelaufen waren. Spontan kam ihm der Gedanke, ihr seine...