Schweitzer Fachinformationen
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Eine Frau riet mir einmal, mir einen Hund zuzulegen - wenn schon nicht zur Jagd, dann damit ich Gesellschaft hätte. Sie sagte, ein Mann sollte nicht wie ich ganz allein im Wald leben. Wir gingen alle Geschöpfe Gottes durch, die mir Gesellschaft leisten könnten, und einigten uns auf einen Hund, was angesichts meiner Lebensumstände eine gute Entscheidung war.
Das war jetzt vier Jahre her.
Wir waren zum städtischen Tierheim in Fort Kent gefahren, denn ich wollte keinen Hund kaufen, und schon gar keinen Zuchthund, die beanspruchen viel Zeit und sind in großen Häusern besser aufgehoben. Im Tierheim gingen wir an den Käfigen entlang, lauter Pfoten und Köpfe, die sich nach Auslauf sehnten, nach ein bisschen frischer Luft, und nach ihren Herrchen bellten, die sich ihrer auf alle möglichen Arten entledigt hatten, die sie verloren, vor Supermärkten ausgesetzt, sie mit Stöcken davongeprügelt oder ihnen nichts zu fressen gegeben hatten. Und die Hunde warteten darauf, dass ihre Herrchen zurückkamen und sie holten, jedes Gesicht nahmen sie in Augenschein, um zu sehen, ob sie es kannten.
Hier, sagte meine Begleiterin, und wir blieben vor einem Käfig stehen, in dem ein Hündchen, das so groß war wie meine Hand, ständig im Kreis herumlief.
Der Junge, der dort arbeitete, nickte traurig, als wüsste er, dass die Zeit dieses Kerlchens bald abgelaufen war. Seine Rasse und die geringe Größe würden niemandes Herz gewinnen und ihm kein Zuhause einbringen. Man würde ihn einschläfern.
Der Junge sagte: Er wurde von einem Ehepaar hergebracht, das Zwillinge bekommen hat und ihn vorsichtshalber nicht im Haus behalten wollte. Er ist schon eine Woche hier.
Können Sie ihn kurz rauslassen?, fragte ich.
Der Junge öffnete den Käfig und packte das gefleckte Kerlchen - größtenteils Terrier, aber Schnauze und Brust eines Pitbulls - im Genick. Ich nahm ihn und beugte mich zu ihm, und da zwickte mich der kleine Mistkerl doch in die Nase.
Den nehme ich, sagte ich und deutete mit dem Finger auf ihn, obwohl er der Einzige war, der nicht im Käfig saß, sondern auf meiner Hand. So sicher war ich mir. Wir nahmen ihn gleich mit nach Hause. Er sprang aus dem Pick-up, lief auf die Lichtung und spazierte überall herum, um alles in Besitz zu nehmen und zu begutachten, den ganzen Platz, der ihm plötzlich zur Verfügung stand.
Das war wirklich eine glückliche Zeit für mich, noch nicht so sehr wegen des Hundes, sondern wegen der Frau, die mich aufgefordert hatte, mir einen zu suchen. Ein paar Wochen vorher war sie an einem Spätfrühlingstag aus dem Wald aufgetaucht und über die Lichtung zur Hütte gekommen, und als ich vor die Tür trat, um sie zu begrüßen, erzählte sie, sie habe sich auf einem Spaziergang verlaufen, und ihr Wagen stehe irgendwo ziemlich weit weg, doch dabei zeigte sie nicht die leiseste Spur von Angst. Wenn sie in diesen Wäldern spazieren ging, hieß das, dass sie eine Einheimische war. Sie deutete auf die Blumen, die gerade ihre Köpfe herausstreckten.
Sie haben Blumen gepflanzt.
Ich nickte. Stimmt. Die leisten mir hier draußen Gesellschaft.
Diese Antwort schien ihr zu gefallen, und sie betrachtete ihre Hände, die sie aus den Handschuhen geschält hatte. Die Hände waren weiß, eingerieben mit einer Creme, höchstwahrscheinlich einer leichten Salbe, deren Duft ich roch. Ich fragte, ob sie eine Tasse Tee trinken wolle.
Als sie die Bücher sah, öffnete sie den Mund, sagte aber kein Wort.
Ich hantierte mit dem Kessel, ließ das Wasser so lange aus dem Hahn laufen, bis es klar war, und sah nach, ob ich irgendwelche Papiere oder ein Buch auf dem Stuhl liegengelassen hatte. Das Feuer war warm und knisterte schön, aber die Frau kümmerte sich nicht darum, sondern ging in den von den Bäumen und dem Fensterrahmen gebrochenen Sonnenlichtstreifen an den Regalen entlang. Ihre eleganten Schuhe klackten auf den nackten Dielen.
Das müssen Tausende sein, sagte sie schließlich. Es dauerte eine Weile, bis sie die Worte hervorbrachte. Ihr Akzent hatte eine lokale Färbung.
Dreitausendzweihundertzweiundachtzig, sagte ich.
So etwas hab ich noch nie gesehen, erwiderte sie lächelnd und klatschte in die Hände. Und dann haben Sie auch noch überall Grünpflanzen und Gemälde. Das ist herrlich.
Sie ließ die Finger über die Buchrücken gleiten und betastete die aufgeprägten Titelbuchstaben. Dann beugte sie sich dicht heran, roch am Leder und schloss die Augen. Als sie die Autoren mit H hinter sich ließ, verlor ich sie aus den Augen, doch ich hörte sie vor sich hin murmeln, als ich den Tee aus der Küche brachte. Sie saß auf dem Stuhl und strich über die Grünlilie, die einzige Pflanze, die so nah am Feuer stehen konnte.
Ist ein schönes Bild, wie Sie da auf dem Stuhl sitzen, sagte ich.
Das war der Tag, an dem ich Claire kennenlernte. Am nächsten Tag kam sie wieder und ein paar Wochen später noch mal, und da wir uns bei Einbruch der Dunkelheit immer noch unterhielten, blieb sie bis zum Morgen, schlief neben mir im Bett, und schon bald legte ich den Arm um sie, sie ließ es zu, wir wärmten uns, und bevor wir schliefen, bat sie mich, den Mantel auszuziehen, weil ich doch Gesellschaft hätte. Ich spürte sie neben mir kichern.
Sie sagte, ich sähe aus wie eine Strohpuppe, eine blonde Vogelscheuche mit blauen Augen, deren Füße über die Matratze ragten. Ich sei so groß, dass man mich mit meinem blassen, schneeweißen Gesicht, den blauen Augen und blonden Haaren meilenweit sehen könne.
Ja, es stellte sich heraus, dass ich vom Kopf bis zu den Zehen 1,89 m maß, das war mir neu, denn ich hatte mir nie groß Gedanken darüber gemacht, sondern mich, wenn ich ein anderes Haus betrat, meistens unwillkürlich gebückt, was aber sowieso nicht oft vorkam. Sie sagte, ich sei der schönste Mann, der ihr je begegnet sei, und das klang seltsam aus dem Munde einer Frau, die jeden Mann hätte haben können. Aber sie war in ihrem Mantel aus dem Wald getreten und hatte sich für mich entschieden. Ich war glücklich, fühlte mich so wohl wie seit Lebzeiten meines Vaters nicht mehr. Ich lag neben ihr und musste wieder daran denken, was mich im Dunkeln umgab: ein einfaches Leben, die Matratze auf Kisten, der Stuhl mit dem roten Samtkissen, auf dem mein Vater immer saß und Shakespeare las, ja, das beste Möbelstück im Haus, und das gute Rosenthal-Porzellan für den Tee, zwei Tassen mit Untertassen. Es gab viel, wofür ich dankbar sein musste.
Sie fragte, ob meine Eltern mir fehlten.
Beide schon lange tot, sagte ich, und das war die Wahrheit. Sie fragte mich, was passiert sei, und ich erzählte ihr, meine Mutter sei gestorben, als ich durch ihren Körper glitt, um meine ersten Atemzüge zu machen. Ich habe sie durch meine Geburt umgebracht, sagte ich.
Du hast sie nicht umgebracht, entgegnete Claire. Und sie ist nicht tot, nicht in deinen Gedanken, sagte sie und berührte meine Stirn. Ich zuckte zurück, weil ich nicht gewohnt war, dass mich jemand berührte.
Ihre Worte gefielen mir besser. Aber es stimmte, dass ich meine Mutter umgebracht hatte, sie war der erste Mensch, den ich umgebracht hatte, das konnten keine Worte ungeschehen machen. Es hatten nur ein paar Augenblicke gefehlt, und ich hätte sie noch am Leben gesehen. Nachts sprach ich oft mit meiner Mutter, flüsternd, in der Hoffnung, dass ein letzter Rest von ihr mich hören konnte, ein Abdruck, den sie auf einem Kerzenhalter hinterlassen hatte, ein Atemhauch, der noch an dem Fenster klebte, aus dem sie eines Morgens geblickt hatte.
Wenn die Liebe einen Widerhall hinterlässt, sagte ich, dann ist meine Mutter noch bei mir. Wenn nicht, dann ist mir nichts von ihr geblieben.
Die Sommersonne machte die Tage immer länger, und schon bald fiel der Blick aus dem Fenster auf gelbe, dunkelrote und lila Blumen. Schmetterlinge schwebten durchs üppige Gras und in die Stängel hinauf, flatterten grün und braun durch den Morgen. Claire kam immer wieder aus St. Agatha herüber, einem kleinen französischen Städtchen am Long Lake, gut dreißig Kilometer östlich von mir, wo sie in der Nähe ihrer Eltern wohnte. Ich fragte sie, warum jemand wie sie mit Ende dreißig noch nicht verheiratet sei, und fügte hinzu, Ende dreißig sei für eine Frau noch sehr jung, denn aus den Büchern wusste ich, dass dieses Thema eine heikle Angelegenheit ist. Sie antwortete, sie sei mal verlobt gewesen, doch die Beziehung habe nicht gehalten. Bei diesen Worten musterte sie mich eingehend. Ich wusste nicht, warum sie mich so prüfend anblickte, deshalb nickte ich.
So was kommt vor, sagte ich. Menschen kommen zusammen, Menschen trennen sich.
Da schien sie sich zu entspannen, holte tief Luft und fügte hinzu: Ich glaube, ich werde eines Tages ein Kind haben.
In ihren Augen sah ich eine Tochter, keine Ahnung, warum.
Sie wird bestimmt glücklich, sagte ich.
Claire hielt meine Hand und nickte. Du bist ein lieber Mensch, Julius Winsome. Dann lachte sie und sagte: Vor ein paar Wochen habe ich bei einem Waldspaziergang einen hageren Riesen entdeckt, der in einer winzigen Hütte lebt.
Wir nannten den Hund Hobbes, nach einem Philosophen, dem ersten Namen, auf den unser Blick fiel, als wir aufs Geratewohl ein Buch aus dem Regal zogen. Also hatte Hobbes seinen Namen einem Zufall zu verdanken. Es hätte genauso gut Charles, Hugo, Stevenson oder Leviathan sein können, zum Glück nicht Letzterer mit seinen vielen Silben. Eines Mittwochabends brachte Claire aus einem Laden in der Stadt ein Hundekörbchen mit, und Hobbes fand sofort Gefallen daran und verbrachte viele glückliche Tage in das Körbchen gekuschelt, doch im Lauf der Wochen wurde er zu groß...
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