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An einem steilen Abgrund kann man es mit Angst im Sinne von Höhenangst () zu tun bekommen. Und umgekehrt ist die Angst selbst für viele der Abgrund schlechthin: Man verliert den Halt, gerät ins Wanken und droht abzustürzen. Nicht umsonst wird das vom englischen Begriff für "Abgrund" ("abyss") abgeleitete Adjektiv "abysmal" unter anderem auch mit "schaurig" oder "entsetzlich" übersetzt.
Der "Abgrund der Angst" ist auch ein Topos in der Literatur. Für die Schriftstellerin Elfriede Jelinek ist "die Angst [.] wie ein ständiger Spaziergang ins Nichts, in den Abgrund"1, und in Charles Baudelaires Gedicht "Der Abgrund" bedeutet die Angst für die Hauptfigur Pascal "seinen Abgrund, der immer mit ihm ging"2. Auch in der bildenden Kunst wird die Angst häufig im Kontext eines Abgrunds dargestellt. So gibt der österreichische Maler Alfred Kubin der Angst die Gestalt eines Gespensts (), das einen sich hilflos an den bröckelnden Rand des Abgrunds klammernden Menschen in die Tiefe zieht.3
In einer viel zitierten buddhistischen Parabel lautet die Antwort eines alten Zen-Meisters auf die Frage "Was tust du, um glücklich und zufrieden zu sein?" "Wenn ich liege, dann liege ich. Wenn ich aufstehe, dann stehe ich auf. Wenn ich gehe, dann gehe ich, und wenn ich esse, dann esse ich. [.] Sicher liegt, geht und esst auch ihr. Aber während ihr liegt, denkt ihr schon ans Aufstehen. Während ihr aufsteht, überlegt ihr, wohin ihr geht, und während ihr geht, fragt ihr euch, was ihr essen werdet. So ist eure Aufmerksamkeit ständig woanders und nicht da, wo ihr gerade seid. In dem Schnittpunkt zwischen Vergangenheit und Zukunft findet das eigentliche Leben statt. Richtet eure Aufmerksamkeit ganz auf den gegenwärtigen Moment, und ihr habt die Chance, wirklich glücklich und zufrieden zu sein."
Genau das ist mit Achtsamkeit, im Englischen "Mindfulness", gemeint - das bewusste und urteilsfreie Wahrnehmen der Gegenwart, des Hier und Jetzt, des Gegenübers und der Umgebung, genauso wie das aufmerksame Achten auf die eigenen Gedanken und Gefühle, ohne diese zu werten. Diese Kultur des Bewusstseins und des Gegenwärtig-Seins ist aus der buddhistischen Tradition abgeleitet und dort unter dem Begriff "sati" bekannt.4 Achtsamkeitsübungen zum Beispiel in Form von Meditation (), Mindfulness-Based Stress Reduction (MBSR) (), Yoga (), progressiver Muskelrelaxation () oder auch Waldbaden () können Symptome von Stress (), Depression () und eben auch Angst () wirkungsvoll reduzieren.5
"Adrenalin-Kick", "Adrenalin-Junkies", "Adrenalin-Motorsport", "Adrenalin, das Hormon, das uns unbesiegbar macht" - so wird in Zeitungen und Zeitschriften getitelt. Adrenalin ist in der Tat das Hormon, das uns wach und aufmerksam macht, zu Höchstleistungen befähigt und im Sinne der Angstlust () durchaus auch Spaß bringt. Adrenalin ist aber auch das Hormon, das als Hauptakteur des sympathischen Nervensystems () bei Angst () und Stress () eine zentrale Rolle spielt und uns daher hier beschäftigen wird.
Adrenalin, auch als Epinephrin bezeichnet, gehört biochemisch zu den Katecholaminen und wird - wie auch seine Schwestersubstanz Noradrenalin oder Norepinephrin - vom Nebennierenmark produziert und ausgeschüttet. Noradrenalin wird zusätzlich im sympathischen Nervensystem () und insbesondere in einer als Locus coeruleus (lat. himmelblauer Ort) bezeichneten Region des Hirnstamms gebildet. Im Gehirn wirkt Noradrenalin als Neurotransmitter (), also als Nervenbotenstoff, und bindet an sogenannte Adrenozeptoren, die in a1-, a2- und ß-Rezeptoren unterteilt werden. Das Recycling von Noradrenalin findet über die Rückaufnahme in die Nervenzelle mittels des Noradrenalin-Transporters statt.6
Von der basalen Aktivität, sozusagen dem Hintergrundrauschen des Adrenalin- und Noradrenalin-Systems, ist die kurzfristige, die sogenannte "phasische", akute Ausschüttung von Adrenalin und Noradrenalin zu unterscheiden. Letztere spielt gemeinsam mit Cortisol () eine zentrale Rolle in unserem Alarmsystem () bei Gefahr im Verzug, also bei der akuten Angst- und Stress-Reaktion. Über eine vermehrte Durchblutung der Muskeln sowie eine Erhöhung von Herzfrequenz und Blutdruck ermöglicht sie unserem Körper die "Fight"-, "Flight"- oder "Freeze"-Reaktion () und macht damit das Überleben in einer Situation der Bedrohung () wahrscheinlicher.
Bei Angsterkrankungen geht man davon aus, dass die Basis-Aktivität des Adrenalin- und Noradrenalin-Systems chronisch vermindert ist, wodurch die Rezeptoren übersensibel reagieren, wenn sie im Rahmen einer phasischen Ausschüttung plötzlich von Adrenalin und Noradrenalin geflutet werden. Daher werden in der medikamentösen Therapie von Angsterkrankungen unter anderem kombinierte Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRI) () eingesetzt, die neben dem Serotonin-Transporter eben auch den Noradrenalin-Transporter blockieren. Dadurch steht für die Weitergabe des Noradrenalin-Signals wieder genug Nervenbotenstoff zur Verfügung, und die basale Aktivität des Adrenalin- und Noradrenalin-Systems kann sich somit normalisieren.7
Mehrfach hat Johanna in den letzten Wochen Panikattacken erlitten - zum ersten Mal in ihrem Leben. Sie weiß nicht, warum. Zweimal im Supermarkt, einmal in der U-Bahn und öfters auch in der Vorlesung an der Uni. Jedes Mal war das für sie eine Katastrophe, einmal musste sogar der Notarzt kommen, weil die Leute dachten, Johanna hätte einen akuten Asthmaanfall. Je häufiger sie diese Attacken überfielen, umso mehr Sorgen machte sie sich, dass ein solcher Zustand wieder auftreten könnte. Sie hatte richtiggehend Angst vor der Angst. In der Folgezeit vermied sie öffentliche Verkehrsmittel, insbesondere die U-Bahn, und nahm an den Vorlesungen online von zu Hause aus teil. Schließlich fiel es ihr zunehmend schwer, einkaufen zu gehen, ja, überhaupt die Wohnung zu verlassen. Jetzt fühlt sie sich fast eingesperrt. Ihr Psychologe sagt, das sei eine Agoraphobie. Sie fragt: Was ist das?
Erstmals beschrieb der Berliner Psychiater Carl Westphal 1872 in einer Publikation mit dem Titel "Die Agoraphobie, eine neuropathische Erscheinung" die Symptomatik grundloser Ängste vor öffentlichen Plätzen, wie dies auch die griechische Wortherkunft nahelegt ("agora": der Marktplatz, "phobos": die Furcht).8 Nach heutigem Verständnis bezieht sich das Erkrankungsbild der Agoraphobie auf eine Vielzahl von Situationen und Orten. Gemäß dem modernen psychiatrischen Klassifikationssystem ICD-10 handelt es sich um Befürchtungen bis hin zu Angstattacken, wenn es darum geht, das Haus zu verlassen, Geschäfte zu betreten, in Menschenmengen und auf öffentlichen Plätzen zu sein oder alleine mit Bahn, Bus oder Flugzeug zu reisen. Die Patienten fürchten dabei, in eine Situation zu geraten, aus der es keinen Ausweg gibt und in der bei einem medizinischen oder anderen Notfall keine Hilfe erreichbar ist. Entsprechend vermeiden () Betroffene diese Situationen aktiv oder können sie nur in Anwesenheit einer Begleitung bewältigen. Häufig stellt sich die Agoraphobie wie bei Johanna nach Panikattacken () ein, die sich aufgrund der ausgeprägten körperlichen Symptome mitunter wie ein akuter medizinischer Notfall anfühlen können.9 Die Therapie der Wahl ist gemäß nationalen Leitlinien () eine kognitive Verhaltenstherapie (), bei der insbesondere die Exposition (), also die therapeutengeleitete Konfrontation () mit den gefürchteten Situationen, im Vordergrund steht.10 In schwerer ausgeprägten Fällen kann auch eine medikamentöse Therapie mit gut verträglichen Antidepressiva () infrage kommen.
Schreck (), Furcht () und Angst () fungieren als unser körpereigenes Alarmsystem. Sie zeigen an, wenn eine Bedrohung () im Raum steht oder eine potenzielle Gefahr im Verzug ist, sie erhöhen die Grundanspannung, das "Arousal" (), sie machen wach und wachsam. Sie bereiten uns für die "Fight"-' "Flight"- oder "Freeze"-Reaktion () vor und optimieren damit die Chancen für das Überleben. Ganz so wie in einem Tierexperiment des Biologen Lee Alan Dugatkin, bei dem genetisch modifizierte ängstliche Guppies in einem gemeinsamen Aquarium mit ihrem Fressfeind, dem Schwarzbarsch, signifikant länger am Leben blieben als ihre genetisch mutigeren Verwandten, die dem Schwarzbarsch innerhalb von kürzester Zeit zum Opfer fielen.11 "Angst ist für das Überleben unverzichtbar", formulierte schon die Philosophin Hannah Arendt, oder "Best safety lies in fear", heißt es in William Shakespeares Hamlet.
Manchmal ist diese eigentlich äußerst sinnvolle "Alarmanlage" allerdings überempfindlich, und es kommt zu Fehlalarmen, zum Beispiel wenn wir Gefahren überschätzen, uns unangebracht viele Sorgen () machen oder unsere Amygdala () unkontrolliert als Bedrohungsdetektor aktiv ist und aus heiterem Himmel eine Panikattacke () auslöst. Solche "falschen Alarme" können dann zu einer auf Dauer überzogenen Alarmbereitschaft und damit zur Entstehung von Angsterkrankungen führen.
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