Ein Experiment wird vorbereitet
Inhaltsverzeichnis Hein Eggerth und Georg Berkoff hatten ihre Zeit nicht verloren. Als der Professor mit Wille und Schmidt zurückkam, blinkte ihm an der Steuerbordseite des Flugschiffes, an eben jener Stelle, wo der Riß im Rumpf gesessen hatte, eine frisch aufgeschweißte Metall-Lasche entgegen.
»Ein sauberes Stück Arbeit«, äußerte er sich anerkennend, während er einige Schritte zurücktrat, um die reparierte Stelle besser betrachten zu können. »Wo stecken denn die jungen Herren? Scheinen in das Schiff zurückgegangen zu sein, um sich auf ihren Lorbeeren auszuruhen.« In seine letzten Worte klangen Hammerschläge von der Backbordseite des Schiffes her und jetzt auch das Zischen von Schweißbrennern.
»Da drüben scheint auch etwas nicht zu stimmen«, meinte Professor Eggerth. »Ich muß sehen, was da los ist. Wollen Sie mitkommen, meine Herren?« wandte er sich an seine Begleiter, aber weder Wille noch Schmidt zeigten Lust dazu. Dr. Wille verspürte nach dem Marsch durch die Tropenhitze eine unbezwingliche Sehnsucht nach den gut temperierten Räumen von >St 25<, und dem langen Schmidt lag auch etwas anderes am Herzen. Beide verschwanden im Schiffsinneren, während der Professor außen um den Rumpf herumging.
Auf Backbord fand er, was er schon beinahe vermutet hatte. Sein Sohn und Berkoff waren dabei, auch dort eine Lasche aufzuschweißen.
»Die Stelle hier war auch verdächtig«, rief ihm Hein Eggerth zwischen dem Brausen der Brenner von der Leiter hinab zu. »Wir hielten es für richtig, sie auch gleich zu verstärken. Jetzt geht es in einem Ausfegen, und wir sind nachher vor weiteren Zwischenfällen sicher.«
Wie lange es noch dauern würde, wollte der Professor wissen. Mit dem Bescheid, daß noch eine gute Stunde daraufgehen könnte, betrat er das Innere des Flugschiffes.
Von Wille und Schmidt war nichts zu sehen, beide hatten sich in ihre Kabinen zurückgezogen. Dr. Wille lag auf einem Ruhebett und erholte sich von den Strapazen dieses >tropischen Spazierganges<, wie er es bei sich nannte. Der lange Schmidt kramte in seinen Akten herum und suchte emsig nach Notizen über die Expedition der Carnegie-Stiftung. Unter diesen Umständen zog es Professor Eggerth vor, ebenfalls seinen Privatraum aufzusuchen. Eine Stunde Zeit noch, bevor >St 25< wieder aufsteigen konnte; er beschloß, sie für die Untersuchung der mitgebrachten Gesteinsproben zu benutzen.
Schon unterwegs beim Einsammeln war ihm das verhältnismäßig hohe Gewicht dieser Brocken aufgefallen. Während vulkanische Auswurfstoffe häufig schwammig und blasig und wie beispielsweise Bimsstein so leicht sind, daß sie auf Wasser schwimmen, zeigte das einem braunen Glasfluß ähnelnde Gestein, das Professor Eggerth jetzt vor sich auf einem Tisch ausbreitete, ein weit höheres Gewicht. Er hielt es für zweckmäßig, das zunächst einmal zahlenmäßig festzustellen und suchte die wenigen dazu erforderlichen Geräte aus einem Schrank zusammen.
Zwei Messungen waren nötig, um das spezifische Gewicht genau festzustellen. Einmal eine Wägung des zu untersuchenden Brockens in der Luft. Der Professor legte ihn zu dem Zweck einfach auf eine Federwaage und notierte sich das Gewicht, das sie anzeigte. Eine zweite Wägung, bei welcher der Stein im Wasser hing, hatte danach zu erfolgen. Auch das ließ sich ohne Schwierigkeiten bewerkstelligen. Er schlang ein feines Gummiband um den Brocken und hing ihn mit einem Zwirnsfaden an der Federwaage auf. Dann füllte er ein Literglas mit Wasser, brachte es von unten her so darunter, daß der Stein vollkommen in die Flüssigkeit eintauchte, und schob schließlich noch ein Buch unter das Glas, um es in dieser Stellung festzuhalten. Darauf griff er nach seinem Schreibblock und Bleistift und ging daran, die kleine Rechnung aufzumachen, durch die sich das spezifische Gewicht eines Körpers leicht ermitteln läßt, wenn man sein Gewicht in der Luft und im Wasser kennt.
Eben war er dabei, das Ergebnis niederzuschreiben, als ein leises Klicken ihn aufschauen ließ. Sein Blick fiel auf die Waage; sie zeigte jetzt etwas ganz anderes als noch eben vor einer knappen Minute. Sein Auge wanderte weiter zu dem Glase hin, und der Bleistift entfiel seiner Hand beim Anblick dessen, was er dort sah. Wie ein Schwamm war der scheinbar doch so feste Stein in dem Wasser aufgequollen, hatte jede Spur der Flüssigkeit in sich aufgesogen, hatte sich dabei stark und immer stärker ausgedehnt und schließlich die Glaswand zersprengt.
In Scherben lag das Gefäß auf dem Tisch und immer noch weiter quoll und wuchs der wunderliche Stein. Schon hatte er soviel an Größe gewonnen, daß er die Tischplatte berührte; schon zerriß auch das Gummiband, das der Dehnung bisher noch standgehalten hatte.
Schon stieß das nach allen Seiten weiter quellende Gebilde gegen die Federwaage und warf sie um. Mit schnellem Griff brachte Professor Eggerth sie in Sicherheit und starrte wie fasziniert auf das wunderbare Schauspiel, das sich vor seinen Blicken vollzog; schaute Minuten lang darauf, bis das rätselhafte Wachstum endlich sein Ende erreichte. Aber da war aus dem früher noch nicht faustgroßen Brocken auch ein Gebilde geworden, das die halbe Tischfläche bedeckte und etwa die Form und den Umfang eines recht großen Kürbisses aufwies.
Professor Eggerth strich über die Stirn. Narrte ihn ein Spuk? War das Ganze eine Fieberphantasie? Er griff sich an den Puls; der ging ruhig und kräftig. Er schloß die Augen und öffnete sie wieder. Das Bild blieb unverändert. Wuchtig und mächtig lag nach wie vor der zu einem gewaltigen Block aufgequollene Brocken auf dem Tisch. Er wollte näher herantreten, ihn befühlen, ihn anheben, als es klopfte.
Die Tür ging auf, Dr. Schmidt kam hinein. Aufgeregt schwenkte er ein Bündel Zeitungsblätter in der Rechten. Ohne den Tisch mit seiner auffallenden Last zu bemerken, platzte er mit seiner Nachricht heraus.
»Wissen Sie das Neueste, Herr Professor? Wissen Sie, wer in dem Zelt gehaust hat, das wir vorher entdeckten? .«
Professor Eggerth wollte abwehren. Ihn interessierte in diesem Augenblick das rätselhafte vulkanische Gestein auf seinem Tisch mehr als alles andere, aber der lange Schmidt ließ sich nicht abstoppen. Ohne sich unterbrechen zu lassen, sprach er weiter.
»James Garrison ist hier gewesen. James Garrison . unser alter Bekannter aus der Antarktis. Als wissenschaftlicher Mitarbeiter gehörte er zu der Carnegie-Expedition. Es stimmt auch; magnetische Messungen sind seine Spezialität. Ich hätte gleich daran denken sollen, als ich das Magnetometer in dem Zelt sah.«
Der Name >Garrison< ließ Professor Eggerth aufmerken und gab seinen Gedanken für eine kurze Weile eine andere Richtung.
»So, so, Herr Doktor, Mr. Garrison war mit der Carnegie-Expedition hier? Ein eigenartiges Zusammentreffen«, sagte er sinnend, während er an den anderen unfreiwilligen Aufenthalt auf dieser Insel denken mußte, zu dem sein Sohn und Berkoff James Garrison und dessen Kumpan Bolton schon früher einmal verholfen hatten.
Einen kurzen Augenblick stutzte der lange Schmidt, als Professor Eggerth von einem eigenartigen Zusammentreffen sprach. Einen Moment ging ihm der Verdacht, den er beim Anblick des ersten Zeltes gefaßt hatte, wieder durch den Kopf, doch dann sprudelte er weiter. »Es ist übrigens möglich, Herr Professor, daß wir durchaus nicht die einzigen Bewohner der Insel sind.«
»Wieso nicht, Herr Doktor?« fiel ihm Professor Eggerth ins Wort. »Die Insel ist unbewohnt, das weiß ich zufällig ganz genau.«
»War unbewohnt, Herr Professor«, fuhr Dr. Schmidt fort. »Hier steht etwas .« Er blätterte in den Zeitungsausschnitten, die er mitgebracht hatte. »Merkwürdig unbestimmt sind alle diese Meldungen. Wie absichtlich gemacht kommt mir manches darin vor, aber der Satz hier läßt sich jedenfalls nicht wegwischen. Hier steht es, daß der Expedition unterwegs drei Mitglieder abhanden gekommen sind. Von einem übereilten Aufbruch, dem fluchtartigen Verlassen einer Insel ist dabei die Rede. Namen und Orte sind nicht genannt, doch ich meine, das könnte nur hier gewesen sein, als die Expedition Hals über Kopf vor dem Vulkanausbruch flüchten mußte. Lesen Sie den Bericht selbst.«
Er reichte Professor Eggerth das Zeitungsblatt hin. Der ließ sich auf einen Stuhl nieder und begann zu lesen. Eine kurze Zeit beobachtete ihn Dr. Schmidt dabei. Dann ließ er seine Blicke durch den Raum gehen und bemerkte den Block auf dem Tisch. Erstaunt trat er näher heran, fuhr mit den Händen darüber und hob das eigenartige Gebilde schließlich etwas an, während seine schmalen Lippen Fragen formten.
»Was ist das hier, Herr Professor? Wie kommen Sie zu diesem Mineral? Scheint vulkanischer Natur zu sein. Fühlt sich fast wie Bimsstein an. Wo haben Sie das gefunden? . Wann haben Sie es denn in das Schiff gebracht?« Es waren viele Fragen auf einmal, aber jetzt mußte der lange Schmidt auf Antwort warten, denn Professor Eggerth war noch mit dem Zeitungsbericht über die Carnegie-Expedition beschäftigt.
»Ja, mein lieber Herr Doktor«, sagte er, als er das Blatt endlich beiseite legte, »das sieht in der Tat aus, als ob die Expedition hier bei ihrer überstürzten Abfahrt drei Mann zurückgelassen hat. Da steht auch etwas davon da, daß man ein Schiff ausschicken will, um die Leute abzuholen. Lassen sich reichlich Zeit damit, die Herrschaften in USA. Nun ja, das kostet natürlich Geld, und da es sich wahrscheinlich um arme Teufel handelt, eilt es nicht so besonders.«
Der lange Schmidt kannte Professor Eggerth und seine Art, die Dinge zu erledigen. Er wußte, daß jetzt erst diese Geschichte...