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Dienstag, den 25. Januar, 9 Uhr
Anstrengende Ermittlungstage liegen hinter dem Team, als sich an diesem Morgen alle im Versammlungsraum vor den Whiteboards einfinden. Der Raum wurde erst vor Kurzem frisch gestrichen und riecht noch nach Farbe. Das grelle Weiß sollte eigentlich für neuen Antrieb sorgen, aber die Kollegen wirken erschöpft und missmutig. Dany kann sie gut verstehen. Auch sie war eben nur kurz zu Hause, um zu duschen. Das ganze Wochenende verbrachten sie mit den Vernehmungen der Gäste des GDE-Umtrunks.
An den Whiteboards hängen die Fotos der Opfer, die ihrer Familienmitglieder, der Mitglieder des Direktionskomitees und des Verwaltungsrats der GDE sowie das Foto des Zeugen Kluge.
»Na, wer möchte ein Kaffiskichelchen? Ich hab Schnecken, Croissants und Pasteis de Nata mitgebracht.« Dany hat Frühstücksgebäck besorgt, sie weiß, wie sehr ihre Kollegen das mögen.
Begeistert strecken alle ihre Hände aus. Beim Verteilen der Stücke beginnt Julia mit der Beschreibung der Opfer Philip Sinner und Mike Foerster. Wer sie waren, was sie beruflich taten und wie ihre Familiensituation aussah.
»Mir fehlen noch die Namen der Begleiter des Wirtschaftsministers am Abend des Umtrunks«, fügt Dany hinzu, »wurden die schon erfasst?«
Sie betrachtet ihr Team. Neben Julia und Leo besteht es aus jeweils einem Ermittler der Landesregionen Norden, Süden und Osten, die kurzfristig vom Untersuchungsrichter aus dem ganzen Land zusammengerufen wurden. Na, wenigstens ein bisschen Unterstützung. Alle kennen einander schon von früheren Ermittlungen: Marc Hoffmann, wegen seines Aussehens der Schmusebär genannt, Emil Berg, nebenbei noch Winzer, sowie Manuel Gabler, der in Esch/Alzette als unbequemer Kerl bekannt ist.
Metty Reuter betritt den Raum und nimmt Platz.
Marc Hoffmann, der Kollege aus dem Norden, reagiert als Erster auf Danys Frage.
»Der Wirtschaftsminister Roger Schmidt war in Begleitung seiner Regierungsräte Olli Welter und Caro von Stetten. Sein Chauffeur hat sie um 18 Uhr abgesetzt und Punkt 19 Uhr wieder abgeholt. Er hat ausgesagt, dass er sich während der Rede des Ministers ein Brötchen im Supermarkt Auchan im Quartier Cloche d'Or holte. Das bestätigte uns der Bäcker im Auchan. Der Chauffeur hielt sich eine Weile dort auf, bevor er den Minister pünktlich wieder abholte. Zeitlich haben wir seine Hin- und Rückfahrt von der GDE zum Supermarkt und seinen Aufenthalt dort bereits rekonstruiert. Das kommt genau hin. Der Wirtschaftsminister fuhr wie gesagt gegen 19 Uhr mitsamt seiner Begleitung zu einem weiteren Termin mit der Winzergenossenschaft nach Grevenmacher.«
Hoffmann gibt sich betont lässig. Er möchte tough wirken mit seinem breiten Lederband am Handgelenk und der Lederweste, die er über seinem groß karierten Hemd trägt. Mit seiner gedrungenen, kräftigen Statur und seinem langen braunen Haar, das er zu einem Zopf gebunden trägt, würde er gut in einen Biker-Klub passen. Aber Dany weiß, dass er einen weichen Kern hat.
Emil Berg greift nach einem Puddingtörtchen. Er kommt aus dem Osten, lebt im verschlafenen Winzerdorf Niederdonven an der Mosel und hat das Team am Wochenende oft mit seiner guten Laune und seiner Liebe zum luxemburgischen Moselwein aufgemuntert. Tatsächlich hatte er ihnen am Sonntagabend vorm Nachhausegehen sogar seinen eigenen Wein präsentiert.
»Wir haben bei der Winzergenossenschaft nachgefragt«, sagt er. »Sie kamen gemeinsam gegen 19.30 Uhr in Grevenmacher an.«
»Gute Arbeit, Leute. Was sagen die Zeugen in der GDE über den Minister und seine Regierungsräte? Wie hießen die noch mal?«
»Olli Welter und Caro von Stetten.«
»Hat sie jemand in der Nähe der Opfer gesehen? Sind sie zwischendurch auf die Toilette gegangen?«
»Na, klar haben wir die Zeugen auf sie angesprochen. Was denkst du denn, Dany?«
Den Escher Kollegen Manuel Gabler kann Dany nicht ausstehen. Viel zu emotional, meckert ständig herum und sieht nur das Schlechte in seinen Mitmenschen.
»Alle können sich daran erinnern, dass der Minister mit seinen beiden Beamten in der ersten Reihe saß, bis zu dem Zeitpunkt natürlich, als er auf dem Podium seine Rede hielt.« Manuel zieht eine Augenbraue hoch.
Manuels Großeltern mütterlicherseits sind in den Siebzigern des letzten Jahrhunderts aus Portugal nach Luxemburg gezogen, um in der Stahlindustrie zu arbeiten. Damals gab es nicht genug Arbeiter und das Land warb um Kräfte aus Portugal. Tausende kamen nach Luxemburg und sind bis heute geblieben.
»Gut, Metty, könntest du uns etwas zu den toxikologischen Befunden sagen? Es würde mich interessieren, wie das Gift wirkt und in welchem Zeitraum es verabreicht wurde.«
Der zwei Meter große Schwarzhaarige wendet sich an die Kollegen und beginnt mit seinem Bericht. »Also, wir haben in beiden Biergläsern der Leichen Spuren von Zyankali gefunden. Alle Lebensmittel und sonstigen Getränkeflaschen, die wir vor Ort mitgenommen haben, enthielten jedoch keins. Auch bei der Obduktion der Opfer konnte Zyankali nachgewiesen werden und wir gehen davon aus, dass die Verabreichung nicht länger als eine halbe Stunde vor Einnahme erfolgt ist. Gemäß Dr. Alberti zeigten die beiden Betroffenen bei seiner Ankunft keine Herzaktivität und dies hatte sich auch während der Reanimation nicht geändert.«
Metty tippt zwei Fotos auf dem Whiteboard an, die die Leichen zeigen.
»Als der SAMU ankam, lag Philip Sinner mit dem Rücken auf dem Boden und streckte Arme und Beine aus. Mike Foerster fanden sie halb sitzend, halb liegend, mit dem Rücken zur Wand gelehnt, den Kopf nach links geneigt, die Pupillen geweitet. Beide Personen wiesen keine sichtbaren äußeren Verletzungen auf.«
Metty dreht sich wieder um.
»Beide hatten ein hämorrhagisches Lungenödem sowie flüssiges Herzblut in ziemlich hohen Mengen. Bei Mike Foerster ergab die Autopsie außerdem eine Dilatation des rechten Ventrikels seines Herzens und eine Vergrößerung der Milz. Bei Philip Sinner konnten zusätzlich noch ein Hirnödem und eine akute Blutstauung festgestellt werden. Alle diese organischen Veränderungen sind Anzeichen einer Vergiftung.«
Metty macht eine Pause und sieht seine Kollegen kurz an.
»Zum Zeitpunkt des Todes oder in dem Moment, wo die Substanz ihre maximale Wirkung erreicht hat, muss die Konzentration des Giftes wesentlich höher gewesen sein als das, was später bei der Autopsie gefunden wurde. Wenn man bedenkt, wie hoch die Konzentration schon bei unseren Untersuchungen war, gehen wir davon aus, dass die Dosis enorm gewesen sein muss. Da die Kreislaufstillstände fast synchron eingetreten sind, muss den beiden jemand das Gift praktisch gleichzeitig verabreicht haben.«
»Der Einzige, der dafür unmittelbar infrage käme, ist der Zeuge Kluge«, sagt Manuel. »Er stand die ganze Zeit bei Sinner und Foerster.«
Leo antwortet: »Aber wir waren uns doch einig, dass es der Kluge nicht gewesen sein kann!«
Leo hat recht. Nachdem Kluge noch am Freitagabend durchsucht worden war und eine akribische Spurensuche auch innerhalb seines Wagens zu keinem Ergebnis geführt hatte, wurde diese Theorie schnell wieder fallen gelassen.
»Seine Vernehmung am Samstagmorgen hat ergeben, dass er kein erkennbares Motiv hat«, fährt Leo fort, »er war nur zufällig an Ort und Stelle, als der Doppelmord geschah. Als Chef einer Advertising-Firma und Mitglied der Marketing-Föderation kannte er die beiden Opfer zwar schon lange, aber scheinbar nur flüchtig aus Meetings in der GDE.«
Dany fährt fort: »Ein zweites Gespräch mit Direktor Pit Muller hat ergeben, dass Philip Sinner seit Jahren Mitglied des Direktionskomitees und Chef der Abteilung Unternehmensberatung für Start-ups war. Mike Foerster arbeitete in der Abteilung für Fortbildung und vermittelte junge Azubis an die Mitglieder der GDE. Sowohl Beratung wie auch Fortbildung hatte Kluges Firma in der Vergangenheit regelmäßig in Anspruch genommen. Daher kannte er die beiden. Kluge hat beim Verhör erzählt, dass er nach der Rede des Wirtschaftsministers, so etwa um sieben, in Richtung Toilette gegangen und unterwegs auf Sinner und Foerster gestoßen sei. Sie hätten dort an einem der hinteren Stehtische gestanden und sich gerade lachend miteinander unterhalten, als sie Kluge zu sich riefen. Obwohl Kluge es eilig gehabt habe, sei er dann doch kurz bei ihnen stehen geblieben, um ein paar Worte mit ihnen zu wechseln, bis Sinner sich plötzlich vor Schmerzen krümmte, gefolgt von Foerster. Auf die Frage, ob die beiden während des Small Talks aus ihren Gläsern getrunken hätten, wusste er keine Antwort. Er hätte nicht darauf geachtet. Sie hätten gleichzeitig über Atemnot geklagt und seien ohnmächtig umgefallen. Alles Weitere ist bekannt.«
Marc Hoffmann richtet sich an Leo. »Du sagst, Kluge könne es nicht gewesen sein. Aber was, wenn er die Gelegenheit gehabt hätte, das Gift zu entsorgen, bevor die Einsatzkräfte angekommen sind?«
»Dann hätte man an seinen Händen und in seinen Taschen Spuren finden müssen. Aber da war nichts.«
»Außerdem haben wir im ganzen Gebäude nach Überresten des Gifts gesucht und weder auf den Toiletten noch in der Tiefgarage etwas gefunden«, fügt Emil hinzu. »Sogar die Untersuchungen aller Gärten und Ausgänge ergaben nichts.«
Dany schüttelt den Kopf. »Der Kluge hat kein Motiv. Die beiden haben ihn jahrelang unterstützt. Er beißt doch wohl kaum die Hand, die ihn füttert.« Dany überlegt kurz. »Und die Autos in der Tiefgarage? Wurden die auch alle untersucht?«
»Bis jetzt nur flüchtig....
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