Schweitzer Fachinformationen
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Die hübsche blonde Elli Link kam 1918 nach Berlin. Sie war 19 Jahre alt. Vorher hatte sie in Braunschweig, wo ihre Eltern Tischlersleute waren, angefangen zu frisieren. Es passierte ihr ein kleiner Bubenstreich: sie nahm einer Kundin fünf Mark aus dem Portemonnaie. Ging dann auf einige Wochen in eine Munitionsfabrik, lernte in Wriezen aus. War leicht und lebenslustig; es heißt, daß sie in Wriezen nicht asketisch lebte und Sinn für Kneipgelage hatte.
Sie kam nach Berlin-Friedrichsfelde. Der Friseur, bei dem sie arbeitete, fand sie fleißig, ehrlich, von sehr gutem Charakter. Er behielt sie bis zu ihrer Verheiratung, ein einviertel Jahr. Daß sie lebenslustig war, entging ihm auch nicht. Bei den Ausgängen mit einer ihrer Kundinnen begegnete sie November 19 dem jungen Tischler Link.
Elli hatte eine besondere, wenn auch nicht seltene Art. Sie war harmlos frisch, von der Munterkeit eines Kanarienvogels, wie ein Kind lustig. Männer anzulocken, machte ihr Vergnügen. Vielleicht gab sie sich dem und jenem hin: das war Neugierde, Freude, den anderen, das Männchen zu beobachten, dann kameradschaftliches Herumbalgen, das Spaß machte. Sie wunderte sich und fand es lustig, aber komisch, wie wichtig die Männer das nahmen, wie sie sich aufregten. Sie liefen an, man quirlte sie herum, schickte sie weg. Da kam dieser junge Tischler Link.
Er war ernst und beharrlich. Er redete von politischen Dingen, die sie nicht verstand, war leidenschaftlicher Kommunist. Er hängte sich an sie. Sie hatte solchen blonden Wuschelkopf, gesunde volle Backen, blickte so vergnügt in die Welt. Sie konnte so übermütig sein, daß ihm das Herz aufging. Er wollte sie zur Frau. Die wollte er neben sich haben.
Das war ihr gar nicht komisch. Link fiel aus dem Rahmen der Männer, die sie sonst kannte. Er hatte den Beruf ihres Vaters; sie kannte die Arbeitsdinge, von denen er erzählte. Das beschränkte sie etwas in ihrer Art sich zu geben. Sie konnte nicht mit ihm umspringen wie mit den anderen Männern. Es ehrte und beglückte sie, daß dieser Mann um sie warb; sie war in ihrem Familienniveau. Aber sie mußte sich auch ändern; er legte seine Hand auf sie.
Sie berichtete tastend nach Hause: sie habe eine gute und feste Stelle und der Tischler Link, ein fleißiger Arbeiter mit schönem Einkommen bemühe sich um sie. Sie ließ sich von Haus dafür loben. Vater und Mutter freuten sich. Und Elli, wie sie alles überdachte, merkte selbst etwas Angenehmes in sich. Sie war ihm eigentlich ganz gut. Er hatte vor, sie zu versorgen; sie sollte eine eigene Wirtschaft führen. Es kam ihr vor: eine Ehe ist etwas furchtbar Drolliges, aber Nettes; er will mich versorgen und freut sich darüber. Sie war ihm eigentlich recht gut. Von gelegentlichen heimlichen Seitensprüngen ließ sie auch jetzt nicht.
Link war ihr ganz verfallen. Sie merkte es, je länger sie zusammen waren. Zuerst achtete sie nicht darauf. Männer waren immer so. - Aber dann war es unbequem. Es war auch so stark bei ihm und dann immer gleichmäßig. Und ganz leise stieg etwas in ihr auf: ganz leise verdachte sie ihm dies Wesen. Link hinderte sie, den Faden weiter zu spinnen, den sie angefaßt hatte: er wäre ein ernster Mann, von der Art ihres Vaters, sie wollten eine Familie gründen. Nun sank er auf die Stufe ihrer früheren Liebhaber. Nein tiefer, weil er so an ihr hing, so schrecklich aufdringlich an ihr festhielt. Zu ihrem Ärger, ihrem Schmerz bemerkte sie, mit dem konnte man ja umspringen. Er forderte es geradezu heraus.
Sie blieb bei ihm. Es war alles schon im Lauf. Aber es ging ihr je länger je mehr bitter nahe. Es wurmte sie. Dieser Link hatte etwas vorgespiegelt; sie selbst war dadurch avanziert. Jetzt schämte sie sich, auch vor sich. Es war eine unterirdische Enttäuschung.
In Zornausbrüchen kam das ab und zu heraus. Sie war oft nicht nett zu ihm. Fuhr ihn in einem furchtbaren Tone an, brüllte ihn an wie einen Hund. Er dachte bestürzt: sie will mich loswerden.
Sie wischte darüber weg. Er will mich heiraten; warum nicht. Eine eigene Wirtschaft war nicht zu verachten. Und dann war er so jämmerlich; er tat ihr leid. Sie würde mit ihm schon fertig werden. Es gab viele Stunden, wo sie sich vergnügt etwas vorphantasierte, sie würde Ehefrau sein, eine Familie haben, wie die in Braunschweig, ihr Mann war in guter Stellung, er liebte sie, er war ein ernster Mann. November 1920, sie war 21 Jahr, er 28, heirateten sie.
Sie zogen zur Mutter des Link. Es war keine eigene Wirtschaft da. Die Mutter hatte ausziehen wollen, tat es aber nicht. Die Frau war nicht sehr freundlich zu ihrem Sohn, auch der Sohn hing nicht an der Mutter. Die Frau wollte die junge Schwiegertochter nicht aufkommen lassen. In den Zwistigkeiten ergriff Link die Partei seiner Frau, schaffte ihr Raum. Er schimpfte gemein auf die Mutter. Die junge Elli hörte zu. Sie bekam Furcht, er könnte einmal auch mit ihr so umspringen. Wie sie ihm das sagte, brummte er: was faselst du? Sie konnte bald schärfer gegen die Schwiegermutter auftreten, als das Einkommen des Mannes gering wurde, und er ihr erlaubte, Kundinnen zum Frisieren anzunehmen. Sie besorgte jetzt die Wirtschaft an den Wochentagen, hatte den Haushalt in der Hand; sonntags und sonnabends, wo sie im Geschäft Aushilfe tat, durfte die alte Frau einspringen.
Dann kam eine Zeit, wo Link öfter abends ausging, bald Abend um Abend, allein ausging, die junge Frau zu Hause ließ, wo sie klagte, daß er sich wenig um sie kümmere; sie konnte ihm nichts recht machen. Er hatte sie gedrängt zu der Ehe. Was war geschehen?
Er war mit der Mutter in Arbeit und übler Laune aufgewachsen. Er wollte vorwärts kommen. Die Frau, der lustige Wuschelkopf, nahm keinen Anteil an ihm, blieb wie sie war, überließ sich ihren Einfällen, war so und so. Manchmal hängte sie sich an ihn, manchmal war er Luft. Sie dachte: wer ist er denn? Er war ein derber Mann, nannte sich gern einen Kuli. Und jetzt, um sie ganz zu haben, näherte er sich ihr - körperlich.
Sie hatte sich früher öfter mit Männern eingelassen. Jetzt drängte sich einer an sie, den sie nicht, belustigt oder ärgerlich, abschütteln konnte, wenn es zu viel wurde. Dieser verlangte etwas von ihr. Er hatte das Recht des Ehemanns für sich, und - die körperliche Berührung behagte ihr nicht. Sie erduldete sie, blieb stumm dabei. Es erregte sie in einer gar nicht angenehmen Weise. Sie zwang sich dazu, den Mann zu erdulden, da sie wußte, das ist so in der Ehe, aber ihr war lieber: es gebe so was nicht. Sie war zufrieden, wenn sie wieder allein lag.
Link hatte eine junge, niedliche Frau geheiratet. Er war glücklich gewesen, daß sie ihm zugefallen war. Jetzt fluchte er für sich. Was war das? Sie trieb es zu weit mit ihren Kindereien, sie war nicht lieb zu ihm. Man konnte nett mit ihr sein bei Tag, auch da war sie oft schlimm, aber in der Umarmung war sie tot. Er grollte ihr. Sie änderte sich nicht, jetzt hatte er kein Heim. Er konnte zärtlich zu ihr sein wie zu einer Puppe, aber wenn er sich mit ihr verbinden wollte, um sie ganz zu gewinnen, blieb sie fremd, nahm ihn nicht an.
Sie fühlte sein Unbehagen. Es machte ihr Freude. Schadenfreude. Er sollte sie nur lassen. Und dann wieder war sie Ehefrau, bemühte sich umzufühlen, aber vermochte doch nicht. Ihr dämmerte ängstlich, daß sie sich da nicht zurecht fand. Es huschte durch sie, trieb sie oft ihm nachzugeben. Aber immer stärker das Gefühl: ich mag nicht. Und dann die massive Empfindung des Ekels.
Er lief abends weg in seine Versammlung, die möglichst aktiv und radikal sein mußte. Er bohrte sich in den Gedanken - ein altes schreckliches Unwürdigkeitsgefühl tauchte auf -: ich bin ihr nicht gut genug, sie spielt sich groß auf. Aber dann zitterte er: ich werde sie unterkriegen. Aufs Heftigste erschütterte ihn ihre geschlechtliche Abneigung.
Wie sie sich jetzt gegenüberstanden, war ihre Position sehr verändert. Er war enttäuscht, um das betrogen, was er in der Ehe suchte: Elli gab dem heftigen, in sich entzweiten Menschen nicht Freude, frischen und neuen Impuls. Sie gab ihm keine Möglichkeit zu einer warmen hegenden Liebe, die er in der ersten Zeit bei ihr empfunden hatte und wegen derer er um sie geworben hatte. Es war eine Enttäuschung ähnlich ihrer, als sie fühlte, er ist nicht der ernste Mann, dem ich folgen will. Mit Schimpfen, gereizten Auftritten suchte er es von sich abzuschütteln. Dann fing er an zu kämpfen. Die Sache war lebenswichtig für ihn. Er gab Elli nicht auf. Zunächst benutzte er die Situation, um sich für manches von früher zu rächen: er ließ sich gehen, tobte um Nichtigkeiten. Das Rachegefühl war schon gut, versöhnte ihn beinah mit ihr. Es war die erste Hälfte 1921. Sie waren erst einige Monate verheiratet. Er wollte sie behalten, die so nett und lustig war; sie hatte noch die Art, die ihm gefiel und an ihre gute Zeit erinnerte. Er wollte das festhalten. Er wollte sich an ihr festhalten. Er wollte sie lieben. Er kam auf einen schlimmen Weg.
Ohne daß er wußte, warum und wie, unter deutlichem inneren Widerstreben, verfiel er darauf, geschlechtlich wild mit ihr zu sein. Heftiges, Wildes, Besonderes, von ihr zu verlangen. Es gab einen förmlichen Ruck in ihnen; eine Umstellung vollzog sich in ihm. Er konnte dem wüsten Antrieb nicht widerstehen. Er merkte erst später: es war die Art, wie er mit gelegentlichen Mädchen umging, aber heißer, leidenschaftlicher. Er wollte sein Mißgeschick in dieser Wildheit begraben. Er wollte Elli bestrafen, degradieren gerade hierin, worin sie sich ihm entzog. Sie mochte das nicht; um so besser; gerade ihr Widerwille erregte ihn,...
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