Schweitzer Fachinformationen
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»Der Schmerz, in sich selbst hineinzuwachsen, und die Intensität einer alles verzehrenden Frauenfreundschaft werden wunderbar eingefangen« ROSE WILDING
Du verlierst deine Jungfräulichkeit an einen Jungen aus deinem Gendertheorie-Seminar, und die erste Person, der du davon erzählst, ist Ella.Ella ist mit dir auf der Party, als du zum ersten Mal ein Mädchen küsst.Und Ella bringt dich in die Notaufnahme, als du die erste Diagnose erhältst.In den nächsten Jahren hast du eine Reihe von Beziehungen und Jobs, lebst ein schnelles, unstetes Leben, aber du kannst dich immer darauf verlassen, dass Ella für dich da ist - bis der Alkoholkonsum und die Partys, die Krankenhausbesuche und die nächtlichen Anrufe die Grenzen eurer Freundschaft verwischen und daraus etwas Unausgewogenes und Fragiles entsteht, das Gefahr läuft, ganz zu zerbrechen.Das Schlimme daran ist, dass du es kommen siehst. Das Schlimmste daran ist, dass du nicht weißt, wie du es verhindern kannst ...
Du bist betrunken und kannst Ella nicht finden, und du unterhältst dich mit einer Person, die definitiv auf Koks ist, weil sie in ihren Redeschwall keine Pausen einbaut, in denen du zu Wort kommen könntest. Aber diese Person stellt dir ohnehin keine Fragen, sie redet, redet und redet nur, und ihre Worte verschmelzen und verwandeln sich in einen Rhythmus in deinem Kopf, der zur Musik passt, die ebenfalls keinen Text hat, also wiegst du dich einfach irgendwie zum Hämmern der Worte, der Musik und deines Kopfes, der mittlerweile wehtut, weil du schon viel zu lange auf dieser Party geblieben bist. Du schwebst aus deinem Körper und fragst dich, wie du wohl für andere Menschen aussiehst, ob irgendjemand hier dich attraktiv findet, ob irgendwann an diesem Abend irgendwer seiner Begleitung auf die Schulter geklopft und sie gefragt hat: Hey, wer ist das?, und dann klopft Ella dir auf die Schulter, und du drehst dich blitzschnell um und denkst: Oh, da ist sie ja. Und sie ist ebenfalls betrunken, aber nicht so betrunken wie du, und ihre Augen glitzern feucht, als hätte sie geweint oder richtig heftig gelacht. Und sie greift nach deinem Arm und steuert dich hinaus aus dem Gespräch, und ihr setzt euch zum Rauchen in die Küche. Du hockst dich auf die Arbeitsfläche und aschst in die Spüle und fängst an, dich über deine Umgebung lustig zu machen. Du fragst sie, ob ihr schon aufgefallen sei, dass jetzt alle, die ihr kennt, in richtige Wohnungen gezogen sind und sich an erwachsener Einrichtung versucht haben - Pflanzen, wiederverwendbare Kaffeebecher, Schuhregale -, aber zugleich den geschmacklosen Accessoires des Studierendenlebens noch nicht entkommen können - eine Pyramide aus Bierdosen, ein Verkehrshütchen, die ironisch gemeinte Pappfigur irgendeiner Berühmtheit (in diesem Fall Danny DeVito), eine Wand voller Polaroids. Ella lacht nun, was dich auch zum Lachen bringt, und als jemand in die Küche kommt und fragt, worüber ihr lacht, lacht ihr noch lauter. Und das Beste ist, dass eure Wohnung ganz genauso aussieht - ihr habt sogar einen Plattenspieler und eine Schublade extra für Stoffbeutel - und dass du all die Klischees über Kunststudent*innen liebst, weil sie wahr sind, und das gibt dir das Gefühl, Teil von etwas zu sein. Du versuchst das Ella zu erklären, aber du bist betrunken, also verstummst du einfach mitten im Satz und fragst: . verstehst du? Und sie antwortet: Ja, auf jeden Fall. Und dann fragst du, ob sie gehen möchte, und das möchte sie, also teilt ihr euch auf und lauft getrennt durch die Wohnung, sammelt Mantel, Tasche und Schuhe ein und verabschiedet euch von allen. An der Tür trefft ihr euch wieder, und als du sie öffnest, kannst du nicht glauben, dass der Morgen bereits dämmert. Und Ella packt dich und sagt: Ich hatte ganz vergessen, heute ist Mittsommer. Und ihr hakt euch unter, geht los und schaut beide schweigend in den Sonnenaufgang mit seinem Pink und Orange, und du bemerkst, wie warm sie ist, wie du die Hitze ihrer Haut durch ihre dünnen Ärmel spüren kannst. Und du denkst, wie angenehm das Schweigen mit ihr ist, dass es keine leeren Worte oder Fehleinschätzungen gibt. Und du bemühst dich, dieses heiße Knäuel aus Gefühlen verborgen zu halten, das in deiner Magengrube sitzt und in Nächten/an Morgen wie diesen zum Vorschein kommt, das aus Kurven und süß duftendem Haar und Suchanfragen nach »Frau mit Frau« und abgebrochenen Berührungen besteht. Und eine Frage kullert in deinem betrunkenen Hirn herum, und du weißt nicht, ob du jemals in der Lage sein wirst, sie zu stellen. Und du schaust Ella an und denkst: Sie war die schönste Frau auf der Party, auf jeder Party, überall.
*
Deine Teufelshörner drücken an den Schläfen, also nimmst du sie ab und legst sie auf einen Tisch, auf dem sich halb leere Flaschen mit Mischgetränken, Schnapsgläsern und Tabakpäckchen drängen. Ein Typ aus dem Seminar über viktorianische Literatur hat dich zu dieser Party eingeladen, das Motto ist »Himmel und Hölle«, und sobald du durch die Tür getreten warst, fragte dich jemand in einem Nonnenkostüm, ob du Poppers nehmen möchtest. Du begibst dich in die Küche, um nach deinem versteckten Lambrini zu suchen, und beginnst ein Gespräch mit einer jungen Frau, die sich als Engel verkleidet hat. Sie fragt: Wie ist es in der Hölle? Und du antwortest: Heiß, und sie lacht. Du kannst deinen Birnen-Cider nicht finden, aber sie schenkt dir einen Wodka Cola ein und fragt dich, woher du ihr bekannt vorkommst. Du sagst: Keine Ahnung, und sie zupft an deinem Tutu und fragt: Lesbisch? Und du erwiderst: Hm? Und sie zieht ihr Kleid hoch und fragt dich, ob dir ihre Strapse gefallen. Du entschuldigst dich und gehst weiter nach Ella suchen, stolperst aber stattdessen über zwei Frauen, die sich um ein Telefon streiten, das die größere der beiden hoch über ihren Kopf hält und ruft: Auf gar keinen Fall! Eure Blicke treffen sich, und sie erklärt vielsagend: Sie will ihrer Ex schreiben. Du nickst verständnisvoll.
Du fühlst dich fehl am Platz, du trägst zu viele Kleidungsstücke und hast keinen Glitzer im Gesicht, und du bist zu schüchtern, um auf irgendjemanden zuzugehen und ein Gespräch anzufangen. Wenn du Ella findest, denkst du nun, wird sie wahrscheinlich gerade dabei sein, eine ganze Gruppe von Menschen zu bezaubern, sie zum Lachen zu bringen und dafür zu sorgen, dass sie sich wohlfühlen, wie es ihr bei allen Leuten gelingt - wie es ihr auch bei dir gelungen ist. Du leerst dein Getränk und gehst zurück in die Küche, wo du den Engel antriffst. Sie fragt dich, ob du noch einen Drink möchtest, und du sagst Ja. Sie entschuldigt sich dafür, so direkt gewesen zu sein - Ich dachte, ich hätte dich bei den LGBT+-Abenden gesehen -, und fragt dich, ob ihr noch einmal von vorn anfangen könnt. Dich beeindruckt, wie mühelos sie von Flirten zu Freundschaft wechselt, und du bist neugierig, ob sie etwas in dir gesehen hat, das du selbst erst noch entdecken musst. Sie stellt sich vor, und du bist dir nicht sicher, ob sie Katie oder Kasey sagt, und ihr unterhaltet euch über eure Kurse, wie ihr das zweite Jahr findet, woher ihr kommt. Sie freut sich darauf, über Weihnachten nach Hause zu fahren, du nicht, das Gespräch ist belanglos, aber du hängst an ihren Lippen. Nach deinem dritten Wodka Cola fragst du sie, ob sie zum Rauchen rausgehen möchte. Sie führt dich an der Hand durch den Flur, der nun voller Körper ist und mit dem Bass vibriert, ihr öffnet die Tür auf die ruhige Wohnstraße und lauft die Treppe hinunter. Sie lässt deine Hand nicht los, bis ihr das Gebäude verlassen habt. Ihr setzt euch auf die Stufen, die zur Wohnung hinaufführen, sie hat zwei Zigaretten zwischen ihren Lippen und zündet sie an und reicht dir eine davon. Du ziehst daran, atmest aus, wartest einen Augenblick.
Ich denke, das bin ich, sagst du dann, bevor du es dir anders überlegen kannst.
Du denkst, du bist was?
Lesbisch, oder eher bi, würde ich sagen. Ich mag Jungs.
Sie lacht und sagt, sie möge Jungs auch. Sie möge alle Menschen. Nachdem du es ausgesprochen hast, fühlst du dich selbstbewusster. Sie fragt dich, ob du schon einmal eine Frau geküsst hast, und du schüttelst den Kopf. Sie fragt dich, ob du es gern tun würdest, und du nickst. Als sie sich vorbeugt und ihre Lippen auf deine legt, ist sie ganz sanft. Du bist betrunken und glücklich, und du möchtest für immer weiterknutschen. Als sie sich von dir löst, trägt sie deinen Lippenstift. Du möchtest, dass sie ihn den ganzen Abend so lässt, um ihren Mund verschmiert, und alle sollen wissen, dass du ihn dort platziert hast. Du lächelst, ein bisschen dümmlich, und sie lacht über dich und sagt:
Nicht mehr nur hypothetisch bisexuell.
Nein.
In diesem Augenblick platzen ein paar Frauen aus der Tür, angeführt von Ella, die beinahe über dich stolpert. Sie ist verschwitzt, als hätte sie getanzt, und hat eine Schachtel Zigaretten in der Hand. Sie hält sie triumphierend vor dir hoch und ruft: Die habe ich geklaut! Sie setzt sich zwischen dich und den Engel, und die anderen Frauen verteilen sich um euch auf den unteren Stufen. Ihr bleibt noch ungefähr eine Stunde da draußen, unterhaltet euch, genießt die kühle Luft und die Abwesenheit von Technomusik. Eine von ihnen hat deine Lambrini-Flasche gefunden, und ihr lasst sie herumgehen und nehmt Schlucke von der warmen, zuckrigen Flüssigkeit. Eine der Frauen kennt den Engel, stupst ihn mit dem Ellbogen an und sagt:
Hätte ich mir doch denken können, dass du hier draußen bist und jemanden verführst. Du hast Lippenstift im ganzen Gesicht.
Der Engel zuckt mit den Achseln und erwidert: Was soll ich sagen, ich finde immer das bestaussehende Mädchen auf der Party, und Ella blickt zuerst sie an und dann dich. Sie zeigt auf dein Gesicht, das vermutlich ebenfalls voll von Lippenstift ist, und formt mit dem Mund ein übertriebenes »Oh«. Sie beugt sich vor und flüstert dir zu:
Interessante Entwicklung.
Und du antwortest:
Ja, oder?
Ihr gebt eine Party, um das Ende des Sommersemesters zu feiern. Es ist das erste Mal, dass ihr so richtig andere Leute in eure Wohnung einladet, obwohl ihr schon seit fast einem Jahr dort wohnt, und ihr möchtet, dass der Abend etwas kultivierter wird als die üblichen Zusammenkünfte. Ihr nehmt den Bus zu IKEA und kauft acht Teller, zusätzliches Besteck, ein paar echte Cocktailgläser. Ihr entscheidet euch für einen italienischen Abend und führt ein Wochenende vorher einen Testlauf durch, aber die Pasta wird jedes Mal zu dick, weil ihr keine echte Nudelmaschine habt. Ihr schwenkt um...
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