Schweitzer Fachinformationen
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Es war das erste Mal - und er war Gott weiß nicht streitbar und begehrte sonst nie offen gegen die Geschäftspraktiken seines Schwagers auf -, dass er ihn herausfordernd ansah und sich nur schwer zurückhalten konnte, ihm den Stapel Papier um die Ohren zu schlagen. Er zögerte einen Augenblick, dann lockerte er den Griff und ließ wortlos alles auf den Boden fallen. Er verließ das Büro und knallte die Tür hinter sich zu. Bebend vor Wut, durchquerte er die Empfangshalle, für den Pförtner mit dem zu seinen Füßen dösenden Wolfshund hatte er nur ein kurzes Nicken übrig.
Er hatte immer schon gewusst, was für ein Schuft Anton war und dass das Labor, das seinen Namen trug, sich schon längst nicht mehr um Redlichkeit oder Ethik scherte.
Es war schon dunkel, aber die Hitze blieb drückend. Man musste unweigerlich das Gesicht verziehen, wenn man aus einem klimatisierten Raum trat. Er ging zu seinem Wagen auf dem Parkplatz, das Laub der Bäume rundherum war vom Wassermangel ganz knitterig. Er hätte sich gerne übergeben, bevor er sich hinters Steuer seines Porsches setzte. Er kam nur an die Thermosflasche mit Wasser unter dem Vordersitz heran und trank ein paar Schlucke. Es war nicht zu warm. Nicht so effektiv wie eine Kühlbox, aber ihm genügte das. Sein Name stand darauf. GREG. Jeder hatte seine eigene Thermosflasche mit Namen darauf gehabt. Er wischte sich über Gesicht und Nacken. Der Himmel war von unheimlicher Tiefe. Er seufzte. Anton hatte ihn dermaßen am Arsch, es war lächerlich.
Er stieg in seinen Porsche, machte einen Halt beim Feinkostladen. Räucherlachs war im Moment nicht zu bekommen.
Seine Wohnung lag zum See hinaus und hatte eine Terrasse. Anton konnte ihm das alles nehmen, er brauchte nur mit dem Finger zu schnippen. Die Situation war schwer zu ertragen. Er hatte nicht aufgepasst, und jetzt hatte er den Salat.
Zur Beruhigung, und um seine Wut abzuschütteln, rauchte er einen Joint bei voll aufgedrehter Klimaanlage. Er schaltete den Fernseher ein, nahm sich ein Bier und döste weg. Mitten in der Nacht wachte er auf, über den Bildschirm flimmerte gerade eine Jugendliche, die vom Klima sprach, sich um die Zukunft sorgte und jeden Freitag die Schule schwänzen wollte. Die Reportage war rund zehn Jahre alt. Er sah dem Mädchen lange und gedankenverloren zu, dann schloss er die Augen.
Als er am nächsten Morgen ankam, fiel sein Blick auf Anton, der am Pool auf und ab ging, das Telefon am Ohr. Manchmal war er wie eine Karikatur. Ringsum war vermutlich kein Grashalm mehr zu finden, der nicht zu Stroh geworden war, aber Antons Rasen behielt sein zartes, strahlendes Grün.
Sie begrüßten sich per Handzeichen. Greg hatte es nicht eilig, ihn zu treffen. Er ging ins Haus und in den Salon, zu seiner Schwester. Sylvia beobachtete Anton durch die Fensterfront, der marschierte immer noch auf und ab, die Kappe tief ins Gesicht gezogen.
Wie du siehst, ist er verärgert, sagte sie.
Ja, ich auch, aber ich kann nicht einfach alles unterschreiben. Immerhin geht es um öffentliche Gesundheit, du weißt, was das heißt, öffentliche Gesundheit.
Du übertreibst, Greg.
Anton hatte auch sie in der Hand. Auf eine andere Art. Es brachte jetzt nicht mehr viel, mit ihr darüber zu diskutieren. Sylvia hatte sich für eine Seite entschieden. Sie hatte einen Fels gebraucht, und Anton war eins neunzig groß und um die hundert Kilo schwer. Greg konnte seiner Schwester keine Vorhaltungen machen. Manche Frauen stehen auf diese großen Affen.
Mir kommt es vor, als wäre es schon wieder so heiß wie letztes Jahr, sagte er, um die Unterhaltung auf ein anderes Thema zu lenken.
Ja, ihr werdet ordentlich braten.
Hab ich ihnen auch gesagt. Sie wollen nach Sonnenuntergang anfangen, aber das wird auch nichts ändern. Bei einem Heavy-Metal-Konzert sollte man schon ein bisschen ins Schwitzen kommen, falls du dich erinnerst. Ich habe überlegt, Ohrstöpsel mitzunehmen.
Jedenfalls lässt du sie nicht aus den Augen.
Zur Not nehme ich sie an die Leine.
Er verdrehte die Augen, als sie aus ihren Zimmern kamen, sie waren für diese Art von Event etwas kurz bekleidet und nicht übel geschminkt, aber er sparte sich den Kommentar. Er war für ihre Erziehung nicht verantwortlich. Gott sei Dank. Sie hatten beide Temperament. Die Ältere, Aude, war gerade zwanzig, machte aber schon eine Weile, was sie wollte. Er war wirklich froh, nicht ihr Vater zu sein. Und Anton weigerte sich manchmal, den Vater zu spielen, wenn sie mal wieder seine Nerven überstrapazierte. Sie war schließlich nicht seine Tochter, sondern Sylvias, ihm konnte das herzlich egal sein. Lucie hingegen, vierzehn Jahre alt und ebenso wenig Antons Tochter, schrieb schon mal Briefe an den Präsidenten und forderte ihn auf, zu den Neonikotinoiden oder der anhaltenden Feinstaubbelastung Stellung zu nehmen, Lucie mischte sich in alles ein, sie hatte Charakter.
Wahrscheinlich gab es in der ganzen Stadt keinen Mann, der gerne ihr Vater gewesen wäre. Und ihrer war getürmt.
Sie machten unterwegs einen Stopp, um etwas zu essen. Er wollte vermeiden, dass sie mit leerem Magen beim Konzert ankamen. Er parkte in der VIP-Area - ein flaches Gelände weiter unten, das von einem Typen mit Hund bewacht wurde, früher ein Kartoffelacker, heute zu nichts mehr zu gebrauchen - und brachte die Mädchen zur eigens errichteten Tribüne. Die Sonne ging unter.
Anton war ein Kotzbrocken, aber er war nicht dumm. Er war rund um die Uhr mit Publicity für sich und sein Labor beschäftigt, das als Sponsor des Events auf?trat, wobei er gerne das Bild des entspannten Chefs abgab, barfuß in seinen Mokassins, umgeben von hoch spezialisierten Nerds ohne Krawatte, Verrückte, Dreißigjährige mit Bärten wie Holzfäller, in T-Shirts und Gummistiefeln. Haha. Der Arsch.
Wie dem auch sei, die beiden Mädchen waren glücklich. Es war sehr voll, und die Hitze des Tages konnte sich kaum auf?lösen. Manche hockten in den Bäumen, andere spazierten über das trockene Gras, wieder andere tummelten sich ungeduldig vor der Bühne, bis die erste Gruppe eine Coverversion von Sunn O))) spielte. Der Organisator, ein Typ mit einem weißen Zopf und Ringen an jedem Finger, umarmte Greg fest und zwinkerte den Schwestern zu, die schon headbangten wie die Besessenen. Die Kerle spielten so laut, dass der Wald dröhnte. Manchmal tat das gut. Sie waren nicht seine Töchter, aber doch immerhin seine Nichten. Und mehr wollte er auch nicht.
Bald waren sie total verschwitzt. Er verteilte Wasserflaschen, forderte sie auf zu trinken, sich nicht zu entfernen. Über ihren Köpfen bildete sich im Laufe des Abends ein klebriger Hitzeschwaden, sodass einer der Sänger sich zwischen zwei Songs nackt auszog. Diese Showeinlagen aus dem letzten Jahrhundert gehörten eben dazu und hatten noch einige Anhänger, aber den meisten entlockten sie heute nur ein Lächeln, manche kippten sich wirklich noch Blut über den Schädel, ritzten sich oder zerdepperten ihre Instrumente an den Verstärkern, wie es schon ihre Väter Jahrzehnte zuvor getan hatten. Wie ein Verrückter wirbelte der Frontmann mit seinem Penis vor den ersten Reihen herum, und alle flippten aus.
Später in der Nacht versammelten sich die eingeladenen Gäste in einem geschmückten Partyzelt, während das übrige Publikum im Dunkeln auseinanderging. Das Labor hatte zweihundert Einladungen verschickt, die sich die Leute aus den Händen gerissen hatten. Aude sah ihren Onkel herausfordernd an, als sie nach einem Champagnerglas griff. Er muckte nicht.
Er fragte sich, welche Art von Kerl sie sich eines Tages schnappen würde. Spannend, das musste er sehen.
In der Ferne jaulten Hunde, und man hörte das Rattern des Hubschraubers, der das Gelände überwachte und mit Suchscheinwerfer immer im Kreis flog, als würde er durch eine Suppe rühren.
Greg wollte aufbrechen, er machte sich auf die Suche nach Aude. Sein Magen zog sich leicht zusammen.
Die ersten Probleme kamen einen Monat später auf. Einige der Untersuchungsergebnisse, die Anton gefälscht und Greg schlussendlich doch mit seiner Unterschrift bezeugt hatte, erregten bei der Gesundheitsaufsicht Verdacht. Die Sache wurde heiß.
Musste ja so kommen, knirschte Greg, ich hab dir gesagt, das fällt uns auf die Füße. Du hältst sie alle für Idioten. Aber denen kannst du mit deinen Zahlen nichts vormachen. Sie werden alles noch mal sehen und kontrollieren wollen.
Darum kümmern sich unsere Anwälte, war Antons Antwort. Wir müssen nur ein paar Vorsichtsmaßnahmen treffen. Ich zähle auf dich, um einige Dokumente verschwinden zu lassen. Du bist der Fachmann. Wir könnten das am Wochenende erledigen. Je früher, desto besser.
Greg schüttelte den Kopf. Anton, dann werden sich weiter Leute damit vergiften. Und wir sind schuld. Statt das Zeug verbieten zu lassen, haben wir die Schleusen geöffnet. Wer soll denn daran glauben. An so ein Wunder. Das ist doch grotesk.
Ja. In gewisser Weise. Natürlich.
Außerdem kann ich am Wochenende nicht, Lucie ist bei mir.
Greg, ich meine das ernst. Wir müssen schnell sein. Wenn das Kind erst mal in den Brunnen gefallen ist, du weißt schon. Lucie kann doch im Auto warten, es wird sie nicht umbringen. Greg, ich bestehe darauf. Oder lass uns das heute Abend machen, das ist noch besser. Sie kann ja so lange was gucken.
Greg fragte sich, warum er ihm immer nachgab. Vielleicht, weil es das Einfachste war. Vielleicht, weil er im Grunde fühlte, dass er ihm nicht gewachsen war, dass der Kampf schon von vornherein verloren war. Anton hatte die Statur eines Rugbyspielers, aber das allein war es...
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