Schweitzer Fachinformationen
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Erspart bleibt dir sowieso nichts, da kannst du noch so viel auf die Seite legen. Ob Zeit oder Geld oder beides, das eine rennt dir davon, das andere rinnt dir durch die Finger, da nutzt auch der beste Leim nichts. Am Ende bleibt nur der Humor, den gibt's zum Glück gratis, aber auf die hohe Kante tun musst du ihn dir trotzdem, damit du davon abbeißen kannst, wenn's mal nichts zu lachen gibt und dir dein Herz vertrocknet vor lauter Kummer, so sophieseelenalleingelassen wie ich zum Beispiel bin. Und manchmal ist schon der Wurm drin, kaum dass der Tag angefangen hat. Ich als Schreiner weiß, wovon ich sprech, wenn ich Wurm sage. Der Holzwurm und ich sind nicht gerade die besten Freunde, doch wir haben uns mit den Jahren arrangiert, mehr oder weniger. Und da gibt's noch einen, mit dem ich gezwungenermaßen zurechtkommen muss, aber zum Jäger Wolfi komme ich später. An den will ich nicht gleich zu Anfang der Geschichte denken, sonst geht er mir überhaupt nicht mehr aus dem Kopf heraus. Zu spät, da hockt er schon drin, der Protz. Dankbar muss ich meinem ehemaligen Freund fürs Leben jetzt auch noch sein, dass ich noch schnaufe und im schönen Landkreis Starnberg verweilen darf, weil er meinen Peiniger aus Sophies letztem Fall unschädlich gemacht hat. Meine Frau ist nämlich bei der Kripo, und ich bin teils ihr zuliebe und teils wider Willen im Frühjahr in die Sache mit den Hendln hineingeraten und dank dem Jäger Wolfi auch wieder raus. Für seine Rettungsaktion ist der sogar befördert worden, vom Polizeioberwachtmeister zum Polizeimeister, was ihm, abgesehen von mehr Befugnissen, das Maul noch weiter aufreißen lässt. Dem zahnerten Holzfuchs. Bei ihm plinken jetzt zwei Sterne mehr auf jeder Schulterklappe, also insgesamt vier.
Versuch zwei, die Sophielosigkeit besser zu ertragen und das mit dem Wolfi zu verdauen: ignorieren. Ihn zu missachten probiere ich zwar schon seit Monaten, und meist gelingt es. Auch wenn es neuerdings einen familiären Zusammenhang gibt, der den Versuch etwas untergräbt. Denn der Emil, unser fünfzehnjähriger Sohn, ist mit der Amrei, dem Jäger Wolfi seiner Tochter, befreundet, und gerade teamen die beiden eine Freizeit bei den Pfadfindern: »Deutschland fast umsonst«. So muss ich also immer, wenn ich an meinen Sohn denke, an die Amrei denken und schlage dann unbewusst die Brücke zum Grüngetarnten, der nicht nur Jäger heißt, sondern auch noch einer ist, zusätzlich zum Streifenpolizistenjob auf der Starnberger Wache. Da hilft nur eines, Nummer drei: Disziplin. Also Ablenkung, Ignorieren und Disziplin, ganz schön viel, wenn dir die Sommerhitze das Hirn verbrennt. Obendrein haben die Emma und ich zu tun. An den vor sich hinlümmelnden oder aus Kühltaschen mampfenden Halbnackerten vorbei folge ich meiner Tochter zu einem der Sisi-Türme. Mit diesen Wehrtürmchen inklusive Mauer haben die Wittelsbacher zum Wasser hin ihren Schlossbesitz abgeriegelt, falls ein anderer Großkopferter angesegelt käme und sich ohne Anklopfen aufmandeln wollte. Weiter vorne, Richtung Dampfersteg, steht noch ein längeres Mauerstück von diesem herzöglichen Gartenzaun, an dessen Ende der Fidl, mein Schwiegervater, sein Atelier verankert hat. Sogar ein Portal, flankiert von ockerfarbenen Zinnen, dümpelt hier noch wie eine Filmkulisse herum. Die Torflügel sind mit einem Vorhängeschloss versperrt, für das die Gemeinde Pöcking das Schlüsselchen verwahrt. Obwohl du bequem darum herumgehen kannst, leihen sich Hochzeitspaare den Schlüssel aus. Für einen gemeinsamen Start ins Leben wollen sie sich lieber nicht vor verschlossener Tür fotografieren lassen. Im nächsten Turm, Richtung Dampfersteg, der sich zwischen den Bäumen im Schatten versteckt, hat mein Sohn Emil Anfang Juni Teile von einem Fahrrad gefunden, das meinem Vater gehört hat. Simon Halbritter verschwand auf Nimmerwiedersehen, als ich zwölf Jahre alt war. Seit über dreißig Jahren suche ich ihn, und erst mein Sohn tut eine Spur auf. Was ich damit anfange, weiß ich noch nicht. Vielleicht ist eine verrostete, nun aber wieder aufpolierte Fahrradklingel auch mehr ein Vermächtnis als ein Anhaltspunkt. Eine Art Grabstein mit Geräusch, damit ich endlich Frieden finde. Doch die Emma lotst mich weder zum »Radlturm«, wie ich ihn seither nenne, noch zu dem efeuumrankten bei dem großen Sandspielplatz. Sie führt mich zu einem freistehenden Mauerwerk am Rand der Liegewiese.
Rund, aus hellem Stein und oben mit einer Reihe Ziegel versehen, hat auch dieser Turm kein richtiges Dach, nur ein optisches Provisorium, wo's von oben reinregnet. Der Eingang ist mit einem Gitter versperrt, damit keiner meint, es handelt sich um ein auf antik getrimmtes WC. Ich frage mich, wie meine Tochter trotzdem reingekommen ist. Möglichst neutral schlendere ich ihr nach, um Handtücher und häusliche Liegelandschaften herum. Aufmerksamkeit brauchen wir keine, ich will erst mal selber nachsehen, was los ist. Nicht, dass die anderen noch denken, dort gibt's eine Weißwurst umsonst. Auffällig viele Fremde, nicht nur Münchner, tummeln sich hier. Von überall aus der Welt belagern sie die jungen Grashalme wie Würstl einen Rost. Wahrscheinlich sind sie bereits wegen dem Großereignis angereist, das sich übermorgen auf dem See abspielt. Also beherrschen und auf keinen Fall Detektiv oder, noch schlimmer, Winnetou spielen. An den Turm heranpirschen geht gar nicht. Überdies ist für das Ausspähen auf Indianerart kaum Platz, das wäre ein Robben durch ein Handtuchlabyrinth, und bis ich dann am Ziel bin, ist es dunkel. Naa, besser ich tu so, als strebe ich auf das Wasser zu, um mich nach Abkühlung lechzend in die Erfrischung zu stürzen. Dabei stütze ich mich an dem Sisi-Rundling ab, als hätte ich mir etwas in den Fuß getreten und müsste nachsehen, ob's ein Bienenstachel oder eine Haarnadel ist. Wie ich sicher bin, dass mich keiner beachtet, linse ich zum vergitterten Turmeingang. Mein Quadratschädel würde beim besten Willen nicht da durchpassen. Also muss die Emma allein noch mal rein.
Ich hocke mich neben den abgebrochenen Mauerrest, der am Turm noch zu erkennen ist, und versperre mit meinem Körper die Sicht. Emma schlängelt sich so flink wie ein Zirkuskind unter dem Gitter hindurch, dass ich nur staune. Sie hat sich zwischen Wiese und dem Turminnern eine Kuhle gegraben. Einmal drinnen, buddelt sie im Laub vom Vorjahr und dann in der Erde eifrig weiter, um mir mal ein Eissteckerl, mal ein Rippenstück zur Begutachtung nach draußen entgegenzustrecken. Die Nichtknochen lege ich auf die eine Seite, den Mensch oder das, was noch von ihm übrig ist, auf die andere. Bei manchen bin ich mir nicht sicher, ob's nicht doch Hendlknochen sind, die nach dem Abfieseln in den Turm geworfen wurden. Bald haben die Emma und ich ein Sammelsurium beinander, das für einen Krämerladen reichen würde. Eine zerbrochene Sandschaufel, Batterien, ein Bikinioberteil, ein abgerissener Schlüsselanhänger, ein Luftmatratzenstöpsel und vieles mehr. Zum Teil also Sachen, die du sonst ums Verrecken nicht findest, wenn du sie brauchst. Obendrein entdeckt Emma einen Plastikring mit einer Blume dran, den sie sich gleich ansteckt, und ein Kettchen, das sie sich überstreift.
»Was macht ihr da, darf ich mitspielen?« So ein Münchnerkindl mit hochgeschobener Taucherbrille und Flossen ist rückwärts, direkt aus der Brandung, zu uns her geschnorchelt. Kindern machst du nichts vor, da kannst du noch so scheinheilig umeinanderstehen, die spüren, dass es hier was zu sehen gibt. Und wo der Augenschein hinwandert, da sind die mütterlichen Überwachungskameras nicht weit. Kurz, dem Kind folgt die Mami, und bald hören die Emma und ich ein »Ui« nach dem anderen. Lauter Möchtegernarchäologen bieten uns ihre Dienste an. Aber ich stelle mich taub und lasse niemanden durch. Wie ich noch überlege, ob ich besser alles im Fundamt abgebe und wie das Zeug in meine Raditaschen passen soll, taucht ein Stück Gesicht im Turm auf, also eher Löcher mit Knochen drum herum. Auge und Nase, die rechte Hälfte. Dann, nach einer Weile und etlichem Charivari reicht mir Emma auch noch das andere Auge. Wie ein Hündchen wühlt sie fleißig weiter und befördert nach und nach alle Bruchstücke des Schädels an die Erdoberfläche. Den Oberkiefer mit dem Beißer-Gegenstück und dem zerborstenen Hinterkopf. Jetzt muss ich doch die Polizei rufen, gesund schaut das nicht mehr aus, wirklich. Mei, mein rechter und linker Platz ist leer, was wünsch ich mir die Sophie her! Die wäre als Kriminalbeamtin die Richtige für so was. Immer bin ich mit solchen Sachen allein, können die Toten sich nicht woanders ablegen oder ableben als ausgerechnet hier im Paradies? Na ja, das »Paradies« liegt weiter links. Das Uferstück heißt wirklich so. Warum, das weiß keiner, schöner als das Schlossparkgelände ist es einige Meter weiter drüben auch nicht, so viel steht fest. Hier wie dort Wiese, Wasser und Steine.
Es reicht mit der eigenen Feldforschung, eine richtige Ermittlung gehört her, die Sophie von der Fürstenfeldbrucker Kripo geht ja nicht, also muss ich mit der Starnberger Polizei vorliebnehmen. Aber wie verständige ich die Grünen von hier aus im Grünen? Plötzlich fühle ich mich wie unter einem Brennglas. Ich bitte nun mal nicht so gern jemand anderen um Hilfe, ich helfe lieber selbst. Was tun? Notrufsäule gibt's hier keine, nur einen Rettungsring in einem Holzkasten, aber der nutzt mir jetzt auch nichts. Höchstens dass ich zur Wasserwacht vorschwimme, die im Paradies ihren eigenen Steg hat, aber das dauert alles viel zu lang. Noch dazu kann ich die Emma nicht allein lassen, die wird den Neugierigen bestimmt nicht Herr. Am Ende nimmt noch jeder einen Knochen als Souvenir mit nach Hause, wie sie das im unterirdischen Paris, in den Katakomben tun, hat mir der Fidl erzählt. Dort horten sie auch Gebeine von jeder...
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