Schweitzer Fachinformationen
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"Zeitoptimierte" Mittagspausen
"Fiiiep!" Ein gellender Piepton schallt durchs Treppenhaus, in einem ganz gewöhnlichen Bürogebäude, an einem ganz gewöhnlichen Tag, mit ganz gewöhnlichen Mitarbeitern. Völlig außer Rand und Band sieht man vier Personen zur Ausgangstüre hasten, welche zuvor noch ganz entspannt die Treppe herunterschlenderten, gemütliche Zwischenstopps auf der Toilette einlegten und hier und da auf dem Weg nach unten ein Schwätzchen hielten. Nein - es ist kein Feueralarm, der diese vier Mitarbeiter derart in Panik versetzt. Es ist ein schwarzes Kästchen an der Wand, vor welchen alle vier Gestalten schnell hintereinander weg einen Chip halten, bevor sie zum Ausgang stürzen. Es ist die Zeiterfassungsuhr, die diesen schrillen Ton beim Ausstempeln erzeugt und damit den Beginn der Mittagspause einläutet.
Ein alltägliches Szenario, pünktlich zur Mittagszeit, gegen 11:50 Uhr: Völlig abgehetzt laufen unsere vier Mitarbeiter ins Freie und zur benachbarten Kantine. Dort angekommen, wirft sich der Erste wagemutig durch die Drehtür, und wie in einer abgesprochenen Choreografie rasen die anderen drei hinterher, werden auf der Innenseite des Gebäudes wieder ausgespuckt. Würden Sie die Truppe fragen, warum sie denn so hetzen, würden Sie wohl nur zur Antwort bekommen: "Es geht um kostbare Zeit." Man schnappt sich schnell ein Tablett (um diese Uhrzeit ist die Schlange an der Essensausgabe noch am kürzesten), entscheidet sich gegen das Tagesangebot, das "ja so überteuert" ist, und wählt lieber die "Trick 17-Variante": das Büffet. Hier gibt es kleine und große Teller. Natürlich nimmt man die kleinen günstigeren Teller und schichtet Bratwurst, Ananas, Salat, Erbsenpüree übereinander. Wer ganz clever ist, versteckt noch vom teuren Antipasti-Büffet ein paar Artischocken oder getrocknete Tomaten unter der Wurst. Diesen schwindelerregenden Turm an Essensvariationen balancieren unsere vier Mitarbeiter gekonnt zur Kasse, an der selbst der freundliche Kassierer mit keinem Wort beachtet wird. Denn man muss schleunigst weiter. Schnell suchen sich alle einen Platz, und jeder schlingt dann sein Essen hinunter. Während dieser Zeit fallen genau zwei Sätze: Der Letzte, der sich setzt, sagt "Guten Appetit", was die anderen mit einem grummeligen "Guten" erwidern. Und der Letzte, der mit Schlingen fertig ist, gibt das Zeichen zum Aufbruch: "Wir können".
In Windeseile packen dann alle vier gleichzeitig ihre Mäntel und balancieren gekonnt ihre leeren Tabletts über die Köpfe der anderen Kantinengäste hinweg. Das Tablett entsorgt, nehmen die vier wieder Anlauf durch die Drehtür, als wollten sie den Schwung nutzen, um extra schnell wieder zurück ins Bürogebäude zu kommen. Dort im Laufschritt angekommen, winkt endlich Erlösung von der wilden Hetzerei: Die Zeiterfassungsuhr ist in Sicht. Schnell halten die vier ihren Chip wieder hintereinander vor das Gerät, und das schrille Fiiiep!, das die wilde Raserei in Gang gesetzt hat, erlöst unsere vier Ritter der kostbaren Zeit von ihrer Hetze. Es ist jetzt etwa 12:17 Uhr. Man kann ein leichtes Schnaufen und Röcheln hören - eine Stimmung der Erleichterung macht sich breit. Ein Kollege schleicht nun erst einmal in die Cafeteria im Erdgeschoss und holt sich etwas kostenloses Obst oder etwas Süßes, auch in der Hoffnung, dort jemanden zum Plausch zu treffen, der einen noch länger von der Arbeit abhält. Der andere Teil des Vierergestirns schlendert in Zeitlupe die zwei Stockwerke nach oben. Jetzt geht erst wieder jemand auf die Toilette, jemand anders holt sich einen Kaffee.
Und nun folgt der wichtigste Part der Mittagspause und damit der erholsame Teil: die sogenannte Kaffeestehpause. Hier geht es nun nicht mehr um kostbare Zeit, die man auf seinem Zeiterfassungskonto vermehren muss. Man gesellt sich im Stehen - weil das gut für den Rücken ist - mit der eigenen Kaffeetasse um einen Bistro-Tisch, ein Kollege präsentiert vielleicht eine der Büro-Yoga-Übungen aus seinem aktuellen Kurs. Um die Stimmung etwas anzuheizen, echauffiert man sich gleich einmal über einige Kollegen, besonders über diejenigen, welche doch die Frechheit besitzen, am Nachmittag 10 Minuten lang Kicker in der Cafeteria zu spielen, OHNE vorher an der Zeiterfassung auszustempeln. Wir wissen ja: Tratsch und Klatsch verbindet. Diese Kaffeestehpause dauert im Schnitt bis ca. 13:00 Uhr und damit knapp 45 Minuten. Die Länge der Kaffeestehpause ist von einer abhängigen Variable bestimmt, die da lautet: "Anwesenheit Chef ". Ist der Chef nicht im Büro, dauert die Pause auch schon mal länger als bis 13:00 Uhr; ist er allerdings im Haus, hört man ihn "dank" seines lauten Gangs bereits eine halbe Minute vor seinem Eintreffen im Büro. So haben die vier genügend Zeit, ihre Stehpause aufzulösen und sich schnell beschäftigt an den Schreibtisch zu setzen. Manchmal aber sind die vier Ritter der kostbaren Zeit derart in ihre Lästereien und Yoga-Übungen vertieft, dass sie den Chef erst bemerken, wenn der schon im Raum steht. Sofort verstummt das Gespräch, und jeder der vier setzt sich brav und leicht verstört von der plötzlichen Unterbrechung an den eigenen Schreibtisch, glotzt dann apathisch und zugleich angestrengt auf den Bildschirm - wo man News der BILD-Zeitung oder Gala lesen kann.
Was für eine Energieverschwendung!
Als ich dieses Szenario in einem meiner Angestelltenverhältnisse tagtäglich beobachten konnte, hatte ich nicht nur viele Fragezeichen im Kopf, nein: ich war regelreicht erschöpft. Wie anstrengend muss es sein, all die Energie aufzuwenden, nur um am Ende des Tages sagen zu können "Dem Laden habe ich's wieder gezeigt! Ich habe kostbare Zeit gesammelt und möglichst wenig gearbeitet."? Wie viel Energie kostet es Mitarbeiter, den Arbeitgeber nach Strich und Faden auszunutzen? Angesichts von "zeitoptimierten" Mittagspausen und ähnlichen Arbeitsvermeidungsstrategien in deutschen Unternehmen macht sich in mir ein ungutes Gefühl breit. Alleine wenn ich sehe, wie verkrampft und leidvoll viele ihren Arbeitstag verbringen und laut durchschnaufen, sobald sie das Fiepen der Stechuhr am Abend hören, dann verkrampfe ich selbst. Wie viel Kraft und Energie da aufgewendet werden, um den Arbeitgeber auszutricksen und ein Gefühl der Überlegenheit mit nach Hause zu nehmen! Ist es das wert? Warum nur? Das macht doch keinen Spaß. Und es macht auch keinen Sinn.
Umfeld des Misstrauens
Ich frage mich, wie ein Arbeitgeber das ertragen kann: zu wissen, dass die Mitarbeiter nur deshalb ihren Job machen - und den nicht einmal besonders gut -, weil das Unternehmen ein ausgewiesenes Kontroll- und Überwachungssystem etabliert hat. Das muss ein ähnliches Gefühl sein, als würde man nur wegen seines Geldes geliebt werden. Wenn ich sehe, wie verbittert und verkniffen, mit fahlen grauen Gesichtern und zugekniffenen Äuglein manche Mitarbeiter durch die grauen Gänge deutscher Unternehmen schleichen und hinter jedem Aktenschrank eine Gemeinheit des Arbeitgebers vermuten, dann blutet mir fast das Herz. Wie schlimm muss es sein, den Großteil der eigenen kostbaren Lebenszeit in einem Umfeld zu verbringen, in dem man nur Schlechtes gegen die eigene Person vermutet? Wie schlimm muss es sein, in einer Umgebung zu arbeiten, welche nur aus Regeln, Verboten und Misstrauen besteht? Wie anstrengend muss das alles sein? Und dabei sollte doch die Beziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer eine symbiotische sein: zwei Lebensformen, die sich gegenseitig bedingen und durch die Existenz des anderen erst kraftvoll werden.
Gute Arbeitskräfte fehlen
Die aktuellen Zahlen des Bundesinstituts für Arbeit sind alarmierend: Zwischen 2010 und 2030 werden geschätzt 19 Millionen Arbeitnehmer aus dem Berufsleben ausscheiden. Die Zahl der Berufseinsteiger hingegen liegt bei nur 15,5 Millionen (Stand Dezember 2012)2. Auf dem deutschen Arbeitsmarkt fehlen Fachkräfte, auch heute schon. Der War for Talents hinterlässt nicht erst seit gestern tiefe Spuren auf dem deutschen Arbeitsmarkt. Und das ist erst der Anfang. Der Kampf um die besten Köpfe auf dem Markt wird härter, rauer, ausnahmslos. Demografiewandel, Fachkräftemangel und Wirtschaftskrisen leisten dazu ihren Beitrag. Um an der Spitze der Top-Performer deutscher Unternehmen bestehen zu können, gilt es für Arbeitgeber, nicht nur ihre Strategien zur Erhöhung der eigenen Arbeitgeberattraktivität umzustellen, sondern vor allem tief im Wesenskern umzudenken.
Haltung des Gegeneinanders und der Kontrolle
Die Realität lässt vielerorts Zeichen des Umbruchs und des Umdenkens vermissen. Blickt man derzeit in deutsche Unternehmen, so sind deren Kulturen geprägt von strengen Kontrollapparaten und überwachendem, autoritärem Führungsstil, so wie das auch schon vor Jahrzehnten war. Gleichzeitig können Sie aufseiten der Mitarbeiter eine...
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