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Mörderische Energie entlädt sich zwischen Kampen und List
Anna von Grüning hat sich aus ihrer Penthousewohnung am Alsterufer geschlichen und die erste Bahn an diesem Samstagmorgen in Hamburg-Altona in letzter Minute erreicht. Drei Stunden bis zum Bahnhof in Westerland - drei Stunden, um ihre wirren Gedanken zu sortieren, ihr Leben zu ordnen.
Sie war sich so sicher: Von Thomas scheiden lassen, ihm das am Freitagabend sagen, Samstag nach Sylt fahren und endlich den Traum ihres Lebens leben. Mit Florian ganz neu anfangen. Irgendwo. Keine Lügen mehr. Nicht Thomas gegenüber, aber erst recht nicht sich selbst gegenüber. Lange genug hat sie sich selbst etwas vorgemacht und versucht, in der Hamburger High Society glücklich zu werden. Und jetzt das.
Sie schaltet ihr Smartphone ein. Es zeigt sofort eine neue Kurznachricht an. >Anna, du bist und bleibst meine große Liebe. Dass du seit fünf Jahren ein Verhältnis hast, wie gesagt, ich weiß es schon lange. Es hat mich erst sehr gekränkt, aber wir waren doch trotzdem glücklich zusammen. Und als ich dann in deinen E-Mails und SMS an ihn las, dass du mich ja auch weiterhin liebst, habe ich mich damit abgefunden. Glaube mir, jedes Mal, wenn du nach Sylt fuhrst, brach mir das Herz. Und jedes Mal, wenn du wieder da warst, war ich so erleichtert, dich wiederzuhaben. Die Angst, du könntest eines Tages bei dem Surfer bleiben, stieg jedes Mal zu dir mit in den Zug. Bitte, lass uns doch so weitermachen. Ich bin mit allem einverstanden. Nur bitte, verlass mich nicht! Dein Thomas<
Anna drückt auf >antworten<. Tränen laufen ihr über die Wangen, während sie hastig tippt: >Brauche jetzt Zeit. Melde mich. Es tut mir alles so leid. Deine Anna.< Sie öffnet WhatsApp. Florian war zuletzt um 4.41 Uhr online. Immer dieses sinnlose >Durch-die-Clubs-Ziehen<, denkt sich Anna und schreibt: >Ich lasse mich scheiden. Thomas weiß von uns seit Jahren. Lass uns irgendwo neu anfangen. Bin schon um 9.35 Uhr auf der Insel. Holst du mich ausnahmsweise ab?< Nur ein paar Sekunden später sieht Anna, dass Florian ihre Nachricht liest, aber, ohne zu antworten, wieder offline geht.
Erst als der Zug auf den Hindenburgdamm gleitet, löst sich ihr starrer Blick vom Telefon, schweift über das Wasser und weiter bis zur Insel. Das Meer, der Strand, die Insel - Sehnsuchtsorte. Die Balance von Ebbe und Flut, sie möge in mein Leben zurückkommen. Ja, denkt sie bei sich, das ist ein passender Wunsch für meine Yoga-Woche und einen Neuanfang mit Florian.
Tief enttäuscht, dass Florian nicht am Bahnhof ist und sich noch nicht einmal gemeldet hat, steigt Anna in den Bus der Linie 1. Kurz bevor sie an der Kampener Vogelkoje 1 aussteigt und das »Tal der Ahnungslosen« erreicht, wie sie das Klappholttal ohne Handyempfang immer nennt, vibriert ihr Smartphone.
>Bist du wahnsinnig? Wenn du dich scheiden lässt, kriegst du doch keinen Cent von ihm. Wovon sollten wir dann leben! Dein mickriges Budget vom Hotel reicht doch hinten und vorne nicht!!! Und wie gering meine Einnahmen aus den Surf- und Yogakursen sind, weißt du doch selber!!! Ohne sein Geld geht mit uns gar nichts!!! Mach doch nicht alles kaputt. Ich bin um 16.00 Uhr im Westwind.<
Beim Lesen der Kurznachricht kann Anna Florians Wut und Schreien förmlich hören. Enttäuscht, entsetzt, entmutigt steigt sie aus und geht die letzten 800 Meter bis zur Volkshochschule Klappholttal 2 zu Fuß. Ging es ihm also doch nur um ihr oder besser gesagt um das Geld von Thomas? Das hat ihr Mann ja gestern Abend auch behauptet.
»Moin, Anna, du bist aber heute früh hier. Du musst ja mitten in der Nacht aufgebrochen sein. Aber du hast Glück, deine Hütte Westwind ist schon gereinigt. Hier ist der Schlüssel.« Die Mitarbeiterin an der Rezeption schiebt ihr Schlüssel und Kurkarte über den Tresen und schaut ihr in die Augen. »Oder willst du dich erst einmal setzen und einen stärkenden Tee trinken? Sieht aus, als könntest du den gebrauchen.«
»Ach, Enna, du bist ein Schatz. Aber ich möchte lieber alleine sein. Ein Gang am Strand und der Wind bläst meinen Kummer bestimmt schnell zum Festland zurück«, antwortet Anna und glaubt davon selber kein Wort.
Schleppend quält sie sich die letzten Meter zu ihrer kleinen Holzhütte. Westwind liegt romantisch etwas abseits in den Dünen. Sie hört dort das Meer beständig rauschen, kann die Sonne vom Bett aus aufgehen sehen und ist in weniger als zwei Minuten am Strand. Besser kann man auf Sylt nicht wohnen!, denkt sie sich jedes Mal, wenn sie hier ankommt. Gut, die so genannten Hamburger Freunde sehen das anders. Das Wasser im Waschbecken ist kalt, Dusche und Toilette sind draußen und müssen auch mit anderen geteilt werden. Handyempfang, mobiles Internet, Wellness, sogar Heizung - alles Fehlanzeige. Aber gerade das macht für Anna den Reiz aus. Nicht erreichbar. Stille. Abschalten. Neue Eindrücke und Einsichten gewinnen. Obwohl sie auch zum Arbeiten hier ist, liegt ihr Ziel doch ganz klar auf »Downshifting«: Raus aus dem Hamsterrad, rein ins Leben.
»Los, bewegen und durchatmen, das tut dir jetzt gut«, motiviert sie sich selber und schnappt sich die Nordic-Walking-Stöcke. Zeilen eines Gedichts von Erich Fried kommen ihr am Dünenaufgang in den Sinn: »Wenn man ans Meer kommt, soll man zu schweigen beginnen, bei den letzten Grashalmen soll man den Faden verlieren und den Salzschaum und das scharfe Zischen des Windes einatmen und ausatmen und wieder einatmen.« Anna atmet tatsächlich tief durch und überlegt, wie das Gedicht weitergeht. »Dann soll man aufhören zu sollen und nichts mehr wollen wollen, nur Meer.«
Der Nachrichtensignalton ihres Telefons katapultiert sie zurück in die Realität. >Liebe Anna, es gibt etwas, was du über Florian wissen solltest, bevor du weitere Entscheidungen triffst. Ich bin auf dem Weg zu dir. Heute Abend 20.00 Uhr in deiner Hütte? In Liebe, Thomas.< Der Mobilfunkempfang zwischen Klappholttal und Kampen glückt nur an wenigen Stellen, und dann auch nur direkt am Wasser. Ein Blick aufs Telefon zeigt ihr die Empfangsstärke: ein Balken. Sie schreibt zurück: >Keine gute Idee. Lass mir Zeit. ICH MELDE MICH!<
Anna dreht um, vorbei mit Ein- und Ausatmen, vorbei mit ihrer Zuversicht. Gedankenblitze explodieren. Sie beginnt zu grübeln: Was soll das bedeuten - es gibt etwas, das du über Florian wissen solltest? Thomas ist kein Bluffer. Er kann zwar geschickt verhandeln, weiß seine Vorteile zu nutzen und ist vielleicht auch in seinen Insolvenzverwaltungen nicht immer ganz ehrlich, aber falsche Behauptungen? Nein, das passt ganz und gar nicht zu ihm. Anna überlegt weiter: Sollte ich Thomas doch anrufen oder erst mit Florian sprechen?
Ein Paar, das so laut streitet, dass Anna sogar einige Wortfetzen davon mitbekommt, erweckt ihre Aufmerksamkeit. Sie ist sich sicher, dass sie dieses ungleiche Paar auf ihrem Hinweg am Strand noch sehr geschmeidige Tai-Chi-Bewegungen hat ausführen sehen. Und jetzt scheinen sie sich über Geld zu streiten. Die große Frau macht dem kleinen Mann ganz offensichtlich und wild gestikulierend Vorwürfe. So ist das wohl, denkt Anna auch gleich wieder an ihren eigenen Stress. Die besten Entspannungstechniken taugen nichts, wenn es im Leben zu stürmisch wird.
»Atemlos durch die Nacht«, dröhnt es über die Kopfhörer in seinen Ohren, seine Gedanken sind noch beim gestrigen Abend. Ja, das war wirklich großes Kino beim Fackelumzug in Hörnum. Besser hätte er sein erstes Date nicht planen können und heute Abend würden sie sich schon wieder treffen, zur Mittsommernachtsparty an der Buhne 16 3 . Schade, dass ich so früh gehen musste, geht es ihm passend zum Lied durch den Kopf, während er Ausschau nach seinem Hund Armani hält. Er ruft und ruft, aber sein Jack-Russel-Terrier ist nirgends zu sehen. Ungewöhnlich, hört der doch sonst aufs Wort. Eimo Ott stoppt, stellt die Musik auf seinem Smartphone aus. Armanis Bellen ist jetzt nicht mehr zu überhören. Eimo läuft in die Richtung des kläffenden Hundes, den er schon von Weitem vor einem Strandkorb stehen sieht, starr, mit aufgestellten Nackenhaaren. Eimo schwant Böses, er beginnt zu rennen. Atemlos kommt er am Strandkorb an. Armani hört auf zu bellen, Eimo stockt der Atem. Leblos sitzt dort ein Mann, blauviolette Flecken im Gesicht, geronnenes Blut am linken Mundwinkel. Eimo berührt den Mann kurz. »Oh je, Armani, der ist mausetot. Da rufen wir am besten gleich mal die Polizei.« Reflexartig zieht er sein Smartphone aus der Armmanschette. Kein Empfang. Er rennt zum Wasser, Armani rührt sich nicht vom Fleck. Und er hat Glück: Ein Balken zeigt die Empfangsstärke.
Schlaftrunken tastet sich die Hand von Henry Hansen, dem Chef der Kriminalpolizei in Westerland, zum Ausstellknopf des Weckers. Doch das Ding hört nicht auf zu klingeln. »Mist!«, entfährt es ihm. »Das ist das Diensthandy, und das um 6.30 Uhr.« Hellwach rennt er ins Wohnzimmer, greift zum Telefon und hört: »Chef, es gibt einen Toten, am Strand vor Buhne 16. Ich bin schon auf dem Weg. Soll ich Wienke auch anrufen?« Es ist seine junge, smarte Kollegin Merle Petersen. Die 25-jährige Polizeimeisterin hatte Rufbereitschaft und war zuerst vom Notruf erreicht worden. Wienke Sondermann ist die ehrgeizige 32-jährige Kollegin der beiden.
»Wienke?«, Henry überlegt kurz....
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