Schweitzer Fachinformationen
Wenn es um professionelles Wissen geht, ist Schweitzer Fachinformationen wegweisend. Kunden aus Recht und Beratung sowie Unternehmen, öffentliche Verwaltungen und Bibliotheken erhalten komplette Lösungen zum Beschaffen, Verwalten und Nutzen von digitalen und gedruckten Medien.
Mit dem Hit »Leben so wie ich es mag« eroberte Peter Maffay 1982 die Charts und traf damit einen Lebensnerv. In jeder Lebensphase sind wir eingeladen und zugleich herausgefordert, unser Leben zu entdecken und zu gestalten. Auch wenn im allgemeinen Mainstream Konsumindustrie, Unterhaltungsindustrie und virtuelle Medienwelten uns gerne auf die Rolle des Konsumenten reduzieren wollen, haben wir das Recht, unser Leben aktiv zu gestalten. Dies gilt auch für die Frage, wie wir im Alter leben wollen.
Leben spüren Tag für Tag - mit über 70, 80, 90 Lebensjahren? Leben spüren im Alter, das heißt auch bei Pflegebedürftigkeit nicht abgeschoben und aufgegeben zu werden. Leben spüren, wenn körperliche, seelische und geistige Kräfte versagen, heißt, es gibt Reha-Möglichkeiten für mich.
Ich soll leben bis zum letzten Atemzug und meine Selbstständigkeit und Selbstbestimmung sollen gestärkt werden - auch wenn ich einen Schlaganfall hatte, gestürzt bin oder andere gesundheitliche oder soziale Schicksalsschläge erleiden musste.
Niemand wünscht sich einen schweren Unfall mit intensivmedizinischer Behandlung oder ein Krebsleiden mit Chemotherapie. Und doch investieren wir als Gesellschaft viel Geld und Kraft in medizinische und pharmakologische Forschung, um im Fall der Fälle bestmöglich versorgen und rehabilitieren zu können. Wir alle sind krankenversichert, obgleich wir nicht krank werden möchten, damit uns im Bedarfsfall bestmöglich geholfen wird. Vergleichbares sollte doch auch für den Pflegefall gelten.
Abb. 1:Physiotherapie Krafttraining: rehabilitatives Training in jedem Lebensalter (Foto: Walter Schernstein)
Pflege braucht auch im fortgeschrittenen Lebensalter die Perspektive »Ich darf leben«. In diesem Buch ist aufgeschrieben, wie dies konkret umsetzbar ist und welche großartigen Erfahrungen Teams der therapeutischen Pflege mit Menschen an den Grenzen ihres Lebens gemacht haben.
Wir haben einen großen Schatz an Fachwissen in der Physio-?, Ergo-, Logo- und Motopädie, in der Musikgeragogik, Kunstgeragogik und der Psychotherapie. Wenn wir dieses Fachwissen in verkraftbarer Dosis und fachlich abgestimmt in den Tagesablauf eines pflegebedürftigen Menschen bringen, sehen wir kleinere und größere Wunder. Menschen schöpfen neuen Lebensmut, werden wieder mobil und selbstständiger, finden aus der Starre der Depression.
Viele, die vormals überwiegend unselbstständig waren, können nach therapeutischer Pflege mit rehabilitativen Anteilen wieder nach Hause entlassen werden und benötigen keinen stationären Pflegeplatz mehr. Andere finden eine neue Lebensmitte im betreuten Wohnen oder der stationären Langzeitpflege.
Der Autor und seine Crew haben über viele Jahre werkstattmäßig diese Arbeit entwickelt und können zeigen, dass sich therapeutische Pflege sogar betriebs- und volkswirtschaftlich rechnet. Gegen viele Widerstände und über viele Hürden hat der Autor als leitende Pflegefachkraft und Geschäftsführer einer Pflegeeinrichtung zusammen mit engagierten Kolleginnen und Kollegen aus Pflege, sozialer Betreuung, Therapie und Medizin die Pflege und die rehabilitative Therapie Stück für Stück zusammengeführt. Ort dieser kleinschrittigen, alltagsbezogenen Konzeptarbeit war und ist die Evangelische Altenhilfe Mülheim an der Ruhr gGmbH mit zwei Häusern und 113 Pflegeplätzen sowie einer Tagespflegeeinrichtung.
Abb. 2:Gehtraining: Training aus dem Rollstuhl ins Gehen und Laufen (Foto: Walter Schernstein)
Kraftquelle auf diesen steinigen Wegen mit Hindernissen war und ist der christliche Glaube, der den Menschen in seinem einzigartigen Wert und seiner Hoffnungsperspektive sieht. Kraftquelle waren und sind aber auch die vielen dankbaren Gesichter rehabilitierter Pflegebedürftiger und arbeitszufriedener, motivierter Mitarbeitender.
Und fragen wir doch einmal die Generation der heute 40- bis 60-Jährigen: Wie wollt ihr älter werden? Wollt ihr euch aktiv an der Gestaltung der sozialpolitischen Rahmenbedingungen eurer eigenen Lebenszukunft beteiligen?
In Dänemark war es im vorherigen Jahrhundert genau diese Generation, die in einem demokratischen Prozess die Weichen für bahnbrechende und einstimmige Entscheidungen im dänischen Parlament, dem Folketing, gestellt haben. Wir haben es in der Hand, unsere Zukunft selber mitzugestalten, weil wir in einer demokratisch pluralistischen Gesellschaft leben.
Wir dürfen mitbestimmen, ob wir in der Lebensphase schwindender Kräfte und gesundheitlicher Einbrüche im Sinne einer nett verpackten »Siechenpflege« verwaltet werden wollen.
Oder möchten wir auch in einer Phase der Pflegebedürftigkeit rehabilitativ ins Leben zurückgeführt werden? Wollen wir für die Babyboomer noch viele neue Pflegeheime bauen oder lieber viele von ihnen im eigenen Lebensumfeld leben lassen?
Eine aktuelle Studie der opta data Zukunfts-Stiftung gGmbH aus Essen, unter Leitung von Professor Dr. Thomas Druyen, trägt den Titel »Babyboomer-Generation läuft blind in die Pflege-Katastrophe. Studie identifiziert Jahrhundertproblematik« (opta data Zukunfts-Stiftung, 2022). Wir zitieren aus dieser Studie (S. 57): »Warum soll ich mich mit etwas beschäftigen, was nur vielleicht kommt?« Fälschlicherweise wird Pflegebedürftigkeit als Schicksal wahrgenommen, auf das man sich nicht vorbereiten kann. 84?% der Babyboomer waren der Meinung, dass die Realität die Planung sowieso überhole. 77?% sagten, man müsse es nehmen, wie es kommt. 51?% ist das Thema Pflege unangenehm. Auch diejenigen, die gepflegt haben, wollen ihre Kinder nicht belasten. Schließlich haben sie die Erfahrung gemacht, dass Pflege sehr anstrengend ist. Deshalb vermitteln sie das Thema ihren Kindern in der Regel nicht, obwohl sie die idealen Vermittler wären. Die Haltung zu einem Thema wird aber davon bestimmt, dass andere von ihren Erfahrungen berichten und über Probleme und Chancen diskutieren. Diese Möglichkeit wird von der Babyboomer-Generation nicht genutzt, weshalb das Thema »Pflege im Alter« kollektiv verdrängt wird (opta data Zukunfts-Stiftung, 2022).
Weil Pflege über viele Jahre kein öffentliches Thema war, fehlen die Sensibilisierung und die Bereitschaft zur Vorsorgeplanung. Wir sind als Gesellschaft alle herausgefordert, ob wir Leben im Alter und mit Hilfsbedürftigkeit verdrängen oder aktiv gestalten wollen. Der Autor dieses Buches ist für das Gestalten. :)
In einem realen Fallbeispiel sollen im Folgenden die Chancen und Herausforderungen therapeutischer Pflege erzählt werden.3 Dabei wird skizziert, wie therapeutische Pflege im Alltag einer Einrichtung umgesetzt wurde und warum die Pflegefachkräfte eine Schlüsselfunktion im Prozessgeschehen haben.
Es wird erläutert, wie rehabilitative Anteile unter medizinischer und pharmakologischer Beratung in die alltägliche Pflege und Betreuung einfließen. Es wurde bewusst ein Fall mit sehr komplexer und schwieriger Ausgangssituation gewählt, um die Vielfältigkeit der Interventionsmöglichkeiten darzustellen. Im beschriebenen Fallbeispiel waren ca. zehn Monate therapeutische Pflege erforderlich, um einen Menschen wieder ins gewohnte häusliche Lebensumfeld entlassen zu können. In der Mehrzahl der Fälle werden sechs Wochen bis zu drei Monaten benötigt, um Menschen in ihrer Mobilität und Selbstständigkeit so zu verbessern, dass sie entweder wieder nach Hause können oder aber mit stabiler Alltagskompetenz entsprechend ihrer individuellen Situation im stationären Bereich Versorgung finden.
Frau Helga P., 81-jährig, lebte mit ihrem Mann im eigenen Haus, bevor sie eine Hirnblutung erlitt und im örtlichen Krankenhaus akut versorgt wurde. Folgen der Hirnblutung waren der Verlust der Geh- und Stehfähigkeit, eine Aphasie, Gesichtsfeldeinschränkung und eine schwere Angststörung. In den folgenden sechs Wochen wurde sie zunächst akutmedizinisch versorgt und dann in eine Früh-Reha geschickt. Diese musste jedoch nach kurzer Zeit abgebrochen werden, da die Patientin keinerlei Compliance zeigte und aufgrund ihrer Angstsymptomatik mit erheblichen Abwehrreaktionen reagierte. Auch war sie in ihrem Allgemeinzustand stark reduziert und völlig unselbstständig in der Bewältigung aller alltäglichen Verrichtungen. So ging es nach kurzem Aufenthalt in der Früh-Reha wieder zurück ins Akut-Krankenhaus.
Dort wurde sie in der Geriatrie mit Psychopharmaka und Sedativa behandelt. Es kam zu vermehrten Halluzinationen, dem Verlust des Tag-Nacht-Rhythmus, einer Verstärkung der...
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