1. Die Feuerbläserin
Es gab einen Mann, der Witwer war und eine sehr schöne Tochter hatte, der heiratete von neuem. Die Stiefmutter konnte das Mädchen nicht ausstehen und quälte es sehr, bis sie es eines Tages aus ihrem Hause fortjagte. Das Mädchen weinte und weinte immerfort, dachte sich als Dienstmädchen zu verdingen, und als es zu diesem Zwecke ein Haus aufsuchen wollte, erschien ihm eine sehr schöne Frau und fragte, warum es so viel weine; es erzählte ihr, daß die Stiefmutter es weggeschickt habe und daß es sich jetzt verdingen wolle. Jene Dame tröstete es und gab ihm zwei Flaschen, indem sie sagte: »Wenn du dich mit dem Wasser der einen Flasche wäschest, wirst du sehr garstig werden, aber wenn du es aus der anderen nimmst, wirst du wieder sehr schön werden.«
Jene Dame gab ihr auch drei Mandeln, damit es sie öffnen könne, wenn es einen Wunsch habe. Sie wusch sich mit dem Wasser der ersten Flasche, ging fort in ein Haus und sagte: »Guten Tag, könnt ihr nicht ein Dienstmädchen brauchen?« – »Nein, wir brauchen keines«, antwortete die Dame.
Die Köchin, welche dem Mädchen aufgemacht hatte, sagte zur Frau: »Dame, ich glaube, Sie sollten sie nehmen, sie wird wenigstens zum Feueranblasen zu gebrauchen sein.«
Sie blieb im Hause, und alle hießen sie die Feuerbläserin. Eines Tages sagte die Dame: »Feuerbläserin, decke doch den Tisch.« Und sie deckte auf und vergaß das Salznäpfchen daraufzusetzen. »Feuerbläserin, das Salznäpfchen!« schrie der Herr, der ein Sohn der Dame war. Die Feuerbläserin brachte ihm gleich das Salznäpfchen.
Am folgenden Tage deckte sie wieder auf und vergaß, eine Gabel zu legen. »Feuerbläserin, Salznäpfchen und Gabel fehlen auf dem Tische«, schrie wieder der Herr, und die Feuerbläserin brachte ihm die Gabel.
Der Herr konnte das Mädchen nicht leiden und wollte es nicht dulden. Inzwischen ereignete es sich, daß man einen Ball in jenem Dorfe gab, auf den der Herr ging. Die Feuerbläserin ging zur Dame und bat sie, daß sie ihr erlaube, ebenfalls hinzugehen, und die Dame sagte ihr: »Nein, mein Sohn soll hingehen, und wenn er dich sehen würde, möchte er sich ärgern.« – »Dämchen, laßt mich gehen, er wird mich nicht erkennen.« – »Nein«, sagte wieder die Dame, »wenn er es erfahren würde, möchte er sich ärgern.«
»Lassen Sie mich gehen, Dämchen, ich versichere Ihnen, daß er mich nicht erkennen wird.«
Sie bat so viel, bis schließlich die Dame es zugab.
Sie ging nun weg, wusch sich mit dem Wasser aus jener Flasche, das schön machte, zerschnitt eine der Mandeln, die jene Dame ihr gegeben hatte; darin war ein rosenfarbiges Kleid, das zog sie an und ging auf den Ball.
Der Herr, der schon anwesend war, kam gleich, wie er sie sah, auf sie zu, sagte ihr, daß er mit ihr tanzen wolle, und schenkte ihr ein Armband. Als der Ball zu Ende war, wollte der Herr sie um jeden Preis heimbegleiten, und sie wollte dies auf keinen Fall; endlich sagte sie ihm, daß, wenn er sie nicht begleite, so werde er sie am folgenden Tag auf einem anderen Balle sehen, und sie versicherte ihm, daß sie dahin kommen werde. So verabredeten sie es, und sie eilte schnell davon, wusch sich wieder mit dem Wasser, welches häßlich werden ließ, und legte sich zu Bette. Als der Herr nach Hause kam, schlief sie schon, und er konnte nichts bemerken.
Am folgenden Morgen ging der Sohn zur Mutter. »Jesus, meine Mutter! Was für ein schönes Mädchen habe ich auf dem Ball gesehen, ich bin in dasselbe verliebt und ich will es heiraten.« – »Aber wer ist sie?« – »Ich weiß es nicht, sie war mir unbekannt, aber sie hat mir versprochen, daß sie heute Abend wieder auf den Ball kommen wird und daß wir uns sehen werden.«
Als es Abend war, kam die Feuerbläserin wieder zur Dame. »Liebe Dame, er hat mich nicht erkannt, laßt mich auch heute hingehen.« – »Nein, wenn er dich erkennen möchte, würde er sich ärgern, daß ich dich hingehen ließ.« – »Dämchen, er wird mich nicht kennen, lasset mich hingehen.« So lange bat sie, bis es ihr erlaubt wurde, wieder hinzugehen.
Sie ging weg, wusch sich mit dem Wasser aus der Flasche, das schön machte, zerschnitt eine andere Mandel und fand darin ein ganz rotes Kleid. Sie zog es an und ging zum Balle.
Der Herr, als er sie sah, setzte sich gleich an ihre Seite, sagte ihr abermals, daß er mit ihr tanzen wolle, und schenkte ihr Ohrgehänge.
Als es Zeit war heimzugehen, wollte er sie begleiten, sie erlaubte es ihm nicht und sagte ihm, daß, wenn er sie nach Hause begleite, sie nicht mehr kommen würde, er solle sie allein gehen lassen, und sie würde am folgenden Tag, an dem der letzte Ball wäre, wiederkommen. Er stimmte zu, nur um sie auf dem kommenden Ball wiedersehen zu können.
Als sie wieder zu Hause war, wusch sie sich mit dem anderen Wasser und legte sich zu Bette, ohne daß jemand etwas bemerkte.
Am folgenden Tag ging sie zur Dame und sagte zu ihr: »Dame, er hat mich nicht erkannt, ich bitte, laßt mich heute Nacht wieder dahin.« – »Nein, denn er wird dich diesmal erkennen, und wenn er erfährt, daß ich dich hingehen ließ, wird er sich ärgern.« – »Dämchen, lasset mich noch den letzten Abend hingehen, er wird mich nicht erkennen.«
Sie bat so lange, bis sie sie gehen ließ.
Am Abend wusch sie sich wieder mit dem Wasser, welches schön machte, zerschnitt die andere Mandel, und darin war ein Kleid, ganz himmelfarbig und mit Gold gestickt, sie zog es an und ging zum Ball.
Dort kam der Herr, sowie er sie sah, zu ihr, setzte sich an ihre Seite, tanzte den ganzen Abend mit ihr und schenkte ihr ein Brustnädelchen. Weil es der letzte Ball war, wünschte er sehr, sie nach Hause zu begleiten, um zu erfahren, woher sie sei, aber sie wollte es um keinen Preis und ging fort, ohne daß er es bemerkte.
Sie ging nach Hause, wusch sich mit dem anderen Wasser, welches garstig machte, und legte sich zu Bett, ohne jemanden etwas davon zu sagen.
Der Herr, als er sah, daß sie ihm entlaufen war, ging sehr traurig nach Hause, erzählte der Mutter alles, was ihm zugestoßen war, und sagte ihr, daß er gehen wolle, um jenes Mädchen zu suchen. Am folgenden Tag reiste er ab, um sie zu suchen, und trug der Mutter auf, sie solle schauen, ob sie auch etwas von ihr erfahren möchte.
Einige Tage nach seiner Abreise mußte man ihm Brot schikken, und die Feuerbläserin sagte zur Dame: »Dämchen, wollt ihr, daß ich das Brot knete?« – »Nein, wenn mein Sohn es erfährt, möchte er nicht davon essen.« – »Er wird es nicht erfahren, Dämchen, lasset mich Brot kneten.«
Sie bat so lange, bis die Dame endlich zustimmte. Sie begann zu kneten, und in jeden Laib Brot steckte sie ein Briefchen, welches hieß:
»Erbe des Hauses,
Wohin gehst du und woher kommst du?
Das, was du suchest,
In deinem eigenen Hause hast du es.«
Als der Herr das erste Brot brach, fand er das Briefchen, er las es und sehr befriedigt sagte er zu den Dienern, die ihn begleiteten: »Gehen wir, weil meine Mutter das Mädchen schon gefunden hat.« Und voll Freude reiste er rasch ab.
Als er ankam, fragte ihn seine Mutter: »Hast du sie schon gefunden, daß du so bald zurückkehrst?« – »Was wollen Sie sagen, haben Sie sie nicht gefunden?« erwiderte er. – »Ich nicht.« – »Sie haben es mir doch sagen lassen!« Und er erzählte ihr, was er in dem Brot gefunden hatte.
Um nicht zu verraten, daß die Feuerbläserin das Brot geknetet habe, sagte sie, daß es sehr sonderbar wäre und daß sie nicht wüßte, wie es wäre.
Der Sohn ging wieder fort, um das Mädchen zu suchen, und beauftragte seine Mutter, sie solle es ihm mitteilen, wenn sie etwas erfahre.
Als man ihm wieder Brot schicken mußte, sagte die Feuerbläserin wieder: »Dämchen, lasset mich das Brot kneten.« – »Nein, daß du mir wieder einen Streich machst wie das letztemal, das will ich nicht.« – »Dämchen, lasset mich das Brot kneten, er soll es nicht erfahren, daß ich geknetet habe.«
So lange bat sie, bis sie sie kneten ließ. Sie bereitete das Brot und steckte in jeden Laib wieder ein Briefchen, welches dasselbe sagte:
»Erbe des Hauses,
Wohin gehst du und woher kommst du?
Das, was du suchest,
In deinem eigenen Hause hast du es.«
Als der Herr wieder das Briefchen las, sagte er: »Dieses Mal wird es wahr sein; meine Mutter muß sie schon gefunden haben.« Und ganz befriedigt kehrte er nach Hause zurück.
Als er ankam, ging die Mutter auf ihn zu. »Was bringst du dieses Mal? Hast du sie schon gefunden?« Und er sagte ihr, wie er wieder das Briefchen gefunden habe.
Von dem Tage an fing er an zu kränkeln und vermochte sich nicht wieder auf den Weg zu begeben, um das Mädchen zu suchen. Er siechte dahin und verlor täglich mehr die Kräfte. Eines Tages mußte er sich zu Bette legen; man sollte ihm Süppchen geben, und die Feuerbläserin sagte zur Dame: »Dämchen, soll ich es ihm bringen?« – »Nein, damit er im Stande wäre, dir die Suppenschale an den Kopf zu werfen, ich will es nicht.« – »Erlaubt, daß ich es ihm bringe, ihr werdet sehen, daß er sie essen wird.«
So lange bat sie, bis schließlich die Dame sagte: »Gehe, bringe es ihm.«
Sie ging weg, goß das Süppchen in die Suppenschale, darauf tat sie das Brustnädelchen, das ihr der Herr auf dem Balle gegeben hatte, dann stellte sie eine andere Suppe darauf, dann die Ohrgehänge, dann eine andere Suppe, dann das Armband und wieder eine andere Suppe darauf, und so brachte sie es ihm.
Als der Herr sie sah, begann er zu schreien: »Augenblicklich hinaus, ich will sie nicht hier darin haben, ich will sie nicht sehen.« –...