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Bayerwald-Bärenpesto
oder: Gift bei Gicht
Die Bichler Paula hat für alles ein Kraut gehabt. Und gegen alles. Nur den Bärwurz hat sie nicht gemocht, weil an dem hat sich der Alte totgesoffen. Noch bevor die Mutter bei ihrer Geburt gestorben ist. Da hat dann der Älteste, der Sepp, den Hof übernommen. Mitsamt den fünf andern Brüdern, den zwei Schwestern - und der Kleinen, der Paula. Der Sepp hat dem Bärwurz auch zugesprochen. Aber nicht so sehr wie der Alte. Denn der Sepp hat schon gewusst, dass er jetzt die Verantwortung hat. Vor allem für die Kleine.
Die Paula ist dann immer hinaus in den Wald und auf die Wiesen. Da hab ich sie kennengelernt. Wenn's keine Blumen gab, hat sie Kräuter gepflückt. Sie hat auch die Wurzeln ausgegraben, sogar noch unterm Schnee. Und alles hat sie gefressen. Dann hat sie in ihren Körper hineingehört, was da passiert. Das hat sie mir jedenfalls gesagt, als ich sie danach gefragt hab. Ganz große, glasige Augen hat sie dabei gehabt, aber ganz kleine Pupillen. Ein andermal waren die dann aber ganz weit. Ganz wild hat's ausgesehen, die Paula. Da hab ich sie dann auch geküsst. Zuerst hab ich's nicht bereut. Und ihr schien's zu gefallen. Aber dann hat sie mich abgeworfen und geschrien, sie will sich nicht ficken lassen. Hab mich nie mehr bei ihr blicken lassen.
von unserem Korrespondenten Hubert Salcher
Deggendorf. Vor dem Landgericht Deggendorf hat am Montag der Prozess gegen Petra B. (Name von der Redaktion geändert) begonnen. Der 33 Jahre alten Frau aus dem Landkreis Regen wird vorgeworfen, ihren 59-jährigen Bruder Josef B. ermordet zu haben. Wie aus dem Anklagesatz der Staatsanwaltschaft hervorgeht, soll dies mittels Gift geschehen sein, womit das Mordmerkmal der Heimtücke erfüllt wäre. Die Angeklagte bestreitet die Tat. In der gestrigen Vernehmung räumte Petra B. jedoch ein, ihrem ältesten Bruder ein Mittel gegen dessen Gicht zubereitet zu haben, in dem sie Bestandteile der Herbstzeitlose verwendete. Wie der Staatsanwalt zuvor ausgeführt hatte, starb Josef B. laut Obduktionsbericht an einer Überdosis des Giftes Colchicin. Dieses findet sich in der Herbstzeitlose (Colchicum autumnale). Die Strafkammer des Landgerichts will dazu zunächst einen Sachverständigen anhören, bevor weitere Zeugen vernommen werden - darunter auch zwei Schwestern und fünf weitere Brüder der Angeklagten. Da der Sachverständige kurzfristig hatte absagen müssen, vertagte das Gericht die weitere Verhandlung auf den kommenden Montag.
Schon lang bevor ich sie damals geküsst und damit alles vermasselt hab, da hat sie mir mal das Büchlein gezeigt. Das war von ihrer Großmutter. Da steht drin, wie ich dich groß und stark machen kann, hat sie gesagt. Und jetzt fällt mir wieder ein, dass wir was von ihrem Tee getrunken hatten, als ihre Pupillen so groß und wild waren und ich sie geküsst habe, weil ich plötzlich auch so groß und wild war. Da steht auch drin, wie ich dich klein und krumm und tot machen kann, hat sie mir noch hinterhergerufen, als ich weggelaufen bin.
Jetzt hat die Paula den Prozess. Ich würd schon gern hingehen, nicht nur, weil ich neugierig bin, sondern weil ich sehen will, ob sie immer noch so hübsch ist. In der Zeitung wird ihr Gesicht nicht gezeigt. Und Petra B. schreiben sie. Im Wald weiß jeder, dass es die Bichler Paula aus Zwiesel ist - und ich in München auch. Aber ich hab Angst, dass sie mich wiedererkennt. Vielleicht sollt ich mir einen Bart wachsen lassen, war ja erst 15 damals.
Deggendorf (hubs). Unter großem Zuschauerinteresse wurde gestern am Landgericht Deggendorf der Prozess gegen Petra B. (Name von der Redaktion geändert, wir berichteten) fortgesetzt. Vor der Strafkammer sagte ein Sachverständiger zur Wirkung des Giftes Colchicin aus. Mit diesem Gift der Herbstzeitlose soll Petra B. (33) ihren Bruder Josef B. (59) umgebracht haben. Wie der Sachverständige ausführte, findet sich Colchicin nicht nur in den Samen der Herbstzeitlose (0,5 Prozent), sondern auch in deren Blüten (bis zu 1,8 Prozent), der Knolle (0,2 Prozent) und den Blättern (0,03 Prozent). Trotz der scheinbar niedrigen Konzentration in den Blättern ist Colchicin so giftig, dass schon die einer Portion Blattsalat (30 bis 85 Gramm) entsprechende Menge an Herbstzeitlosenblättern eine tödliche Dosis enthält. Deswegen kommt es auch immer wieder zu Todesfällen, wenn Sammler die Blätter mit Bärlauch verwechseln. Colchicin werde vom Körper sehr schnell resorbiert und sei noch lange fast im ganzen Körper nachweisbar, sagte der Sachverständige. So wie es auch bei Josef B. der Fall war. Der Hausarzt habe erst zwei Tage nach dem Tod eine Autopsie angeregt, nachdem er mehrere Mitglieder der Familie nach dem Verzehr eines Bärlauchpestos wegen Unwohlsein behandeln musste. Wie der Sachverständige weiter ausführte, habe man in Resten von diesem Pesto tatsächlich kleine Mengen Colchicin nachweisen können. Für eine letale Wirkung sei die Dosis jedoch zu gering gewesen. Vermutlich hätten sich nur ein bis zwei Herbstzeitlosenblätter in dem Pesto befunden, von dem die Familie auch schon am Vortag des Todes von Josef B. gegessen hatte, ohne über Beschwerden zu klagen. Auch falle die Reaktion von Menschen auf das Gift sehr unterschiedlich aus und sei zudem vom Körpergewicht abhängig. Josef B. war mit Abstand der Schwergewichtigste von den Geschwistern. Studien zufolge seien in manchen Fällen schon schwere Vergiftungserscheinungen bei weniger als 0,5 Milligramm je Kilogramm Körpergewicht aufgetreten, während in anderen Fällen Patienten auch eine Dosis von mehr als 0,8 Milligramm je Kilo überlebt hätten. Dann schilderte der Sachverständige den Ablauf einer Colchicinvergiftung. Nach zwei bis 24 Stunden stellen sich Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen, Durchfall und Herzrhythmusstörungen ein, in tödlich verlaufenden Fällen komme es nach 24 bis 36 Stunden zu Herz- und Kreislaufversagen oder Multiorganversagen. Auf Nachfrage des Richters erklärte der Sachverständige, dass das von Petra B. für den Verstorbenen angefertigte Gichtmittel die Vergiftungserscheinungen hätte verstärken können, aber wohl nur beim Konsum größerer Mengen über mehrere Tage hinweg. Das im Haus vorgefundene Behältnis und die daraus fehlende Menge erlaube jedoch keinen Rückschluss darauf. Der Angeklagten bescheinigte der Sachverständige, dass ihr Hausmittel relativ genau der Zusammensetzung handelsüblicher Medikamente gegen akute Gichtanfälle mit dem Wirkstoff Colchicin entspreche. Der Prozess wird am heutigen Dienstag mit der Vernehmung der sieben Geschwister der Angeklagten und des Toten fortgesetzt.
Ja, die Paula. Dass sie was vom Kräutermischen versteht, das darf man glauben. Ich hab ja selber später Medizin studiert und ein bissel was von dem gelernt, was sie damals schon gewusst hat. Der Paula wär ganz bestimmt auch kein Herbstzeitlosenblatt ins Pesto gekommen, zumindest nicht aus Versehen. Sie hat mich übrigens nicht wiedererkannt, das heißt, sie hat mich gar nicht angesehen, hat die ganze Zeit nicht zu den Zuschauern rübergeschaut, sondern nur nach unten auf die leere Tischplatte. Nur ganz zum Schluss hat sie aufgemerkt, als der Sachverständige ihr Wissen gelobt hat. Schade, ich hätt gern gesehen, ob sie noch so wache, wilde Augen hat. Von den andern Bichlers hat mich auch keiner gesehen, die waren ja nicht im Saal, weil sie daneben als Zeugen gewartet haben. Mal schau'n, ob ich morgen noch mal hingeh. Neugierig wär ich schon. Vielleicht sollt ich auch lieber wegbleiben, bevor mich einer trotz Bart erkennt. Es reicht ja schon, dass der Sepp bei mir in München war.
Deggendorf (hubs). Einen überraschenden Verlauf nahm der dritte Verhandlungstag im Mordprozess gegen Petra B. (Name von der Redaktion geändert). Der 33-Jährigen aus Zwiesel, der vorgeworfen wird, ihren ältesten Bruder Josef B. mittels des Herbstzeitlosen-Giftes Colchicin umgebracht zu haben, war noch am Vortag vom Sachverständigen bescheinigt worden, dass ihre selbst gemischte Arznei nicht stärker dosiert war als zur Behandlung von Gicht zugelassene Medikamente. Am Dienstag verstärkten nun ausgerechnet Aussagen der Geschwister den Tatverdacht gegen die Angeklagte. Offenbar hatten diese schon während der Ermittlungen der Polizei den Verdacht auf ihre jüngste Schwester gelenkt. Alle bezeugten, dass Petra B. der Liebling des großen Bruders gewesen sei, der nach dem Tod des Vaters neun Monate vor Petras Geburt und nach dem Tod der Mutter bei der Geburt die Rolle des Familienoberhauptes im Alter von 26 Jahren übernommen habe. Als Kind habe die Kleine den Ältesten noch abgöttisch geliebt, sagten zwei ältere Schwestern der Angeklagten unabhängig voneinander aus. Später habe die Petra dem Sepp die Liebe und die Zuneigung nicht mehr gedankt. Sie sei nur noch draußen im Wald und auf den Wiesen gewesen und habe wie die Mutter Kräuter gesammelt. Dabei habe sie sich immer mit einem Jungen aus dem Dorf unterhalb des Hofes getroffen. Auf die fürsorglich mahnenden Worte des ältesten Bruders habe sie nicht geachtet. Irgendwann sei der Junge dann nicht mehr aufgetaucht und die Petra habe nur noch Kräuter gefressen, um es wegzumachen. Die Frage des Richters, was sie habe wegmachen wollen, beantwortete die Schwester nicht. Auch Petra B. schwieg, so wie sie es seit ihrer Aussage am ersten Tag offenbar auf Anraten ihres Anwaltes tut.
Mehr als einmal habe er Magengrimmen bekommen, wenn er die aus den Kräutern seiner kleinen...
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