Schweitzer Fachinformationen
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Während er seinen schwarzen Range Rover in die Zufahrt zur Garage steuert, hört er durch die halb offene Scheibe des Wagens die dumpfen Glockenschläge vom Dom, die der Nachtwind vom direkt unter ihm liegenden Klosterviertel zu ihm hinaufträgt. Dreiundzwanzig Uhr. Die Sensoren des eisernen Tors erkennen seinen Wagen. Mit einem feinen Quietschen ziehen die Motoren die beiden Torflügel zur Seite und lassen ihn passieren. Er lässt den Wagen gleich auf dem Kiesplatz vor der Treppe zum Hauseingang stehen. Die Automatik des Garagentors ist seit gestern defekt, und er hat keine Lust, das schwere Tor von Hand beiseitezuschieben, zumal er gleich früh am nächsten Morgen wieder wegfahren will. Obwohl das Gelände gut gesichert ist, verschließt er das Fahrzeug gewohnheitsmäßig mit einem kurzen Druck auf den Funkschlüssel. Er steigt die wenigen Stufen zur hohen, aus massivem Eichenholz gefertigten und einbruchsicher verstärkten Eingangstür der Villa hinauf, öffnet mit einem kurzen Druck seines Zeigefingers auf das unauffällig neben dem Eingang in die Mauer eingelassene Lesegerät die Tür und tritt in die Halle. Die Bewegungssensoren schalten die dezente, in die Holzpaneele der Wände eingelassene Beleuchtung der Eingangshalle ein. Mit einem leisen »Plop« fällt die Türe hinter ihm wieder ins Schloss.
Vor der Schuhablage tauscht er seine Lederschuhe gegen altmodische Filzpantoffel. Er weiß, sie passen zum Stil des Hauses wie die Faust aufs Auge. Aber er liebt sie, und vor allem im Winter, wenn das alte Haus trotz der neuen Zentralheizung kaum warm zu bekommen ist, steigt die Wärme aus den Pantoffeln über die Füße hinauf bis zu seinem Kopf. Das Jackett seines Anzugs wirft er achtlos über den Kleiderständer neben der Schuhablage. Hätte er, wie früher üblich, zu seinem grauen Zegna-Anzug eine Krawatte getragen, wäre auch sie sogleich am Kleiderständer gelandet. Gott sei Dank ist dieses fast ein Jahrhundert lang für jeden Manager, unabhängig von Alter und Status, unabdingbare Erkennungszeichen inzwischen definitiv aus der Mode gekommen. Er hat sich noch so gerne dem neuen Modediktat unterworfen, zum Anzug nur noch ein weißes Hemd zu tragen, dessen oberster Knopf konsequent geöffnet bleibt.
Normalerweise wartet Jeannette, die langjährige Hausdame der Familie, auf seine Rückkehr aus dem Büro und nimmt ihm seinen Mantel oder das Jackett ab. Doch er weiß, dass sie heute ihren freien Abend hat und bei ihrer Schwester übernachtet. Sie wird erst morgen früh in ihr kleines Appartement im Erdgeschoss des Hauses zurückkehren, um das Frühstück für ihn und seine Frau sowie seinen Schwiegervater im Gartenhaus vorzubereiten. So geht er selbst hinüber zur Garderobe. Trotz der für die herbstliche Jahreszeit ungewöhnlichen Wärme hat er am Morgen gewohnheitsmäßig den leichten Mantel mitgenommen. Er hängt ihn an einen der stoffbezogenen Kleiderbügel und klaubt die kleine Schachtel aus laminiertem Karton aus der Manteltasche, die er aus dem Büro mitgenommen hat.
Abgesehen vom Ticken der großen Standuhr ganz hinten in der Eingangshalle ist es still im Haus. Auch Lisa, die kleine Pudelhündin, die manchmal hinter der Tür auf seine Rückkehr wartet, scheint sich heute bereits in ihren Korb in einem der Zimmer in der oberen Etage verzogen zu haben. Er blickt kurz hinauf zur Galerie, zu der die geschwungene Treppe aus der Mitte der Halle hinaufführt. Ein feiner Lichtstreifen fällt aus einem der Zimmer auf den polierten Handlauf des Geländers. Sie ist also zu Hause. Entweder liegt sie einmal mehr mit wirklicher oder vorgetäuschter Migräne im Bett, oder sie zieht es vor, seine Heimkehr zu ignorieren. Letzteres ist inzwischen bei ihnen mehr oder weniger zum Normalfall geworden. Sie haben sich auseinandergelebt in den vielen Jahren, die sich aneinanderreihten wie die Glieder einer stählernen Kette, eines gleich wie das andere. Bis aus den individuellen Gliedern das feste Band entstanden ist, das sie umschlingt, mit einer immer geringeren Möglichkeit, es zu sprengen. In der letzten Zeit hat er die Kette viel stärker verspürt. Er weiß, dass er keine Chance hat, sie abzuschütteln. Das hat sie ihm klar zu verstehen gegeben, als er, in einem abendlichen Gespräch in der Bibliothek, vorsichtig die Zukunft ihrer Beziehung anzusprechen versuchte. Sie machte ihm diese Zukunft unmissverständlich klar: Nebengeleise ja, Weichenstellungen nein. Sie würden die Kette beide nicht sprengen können. Seine Frau wegen ihrer gesellschaftlichen Stellung, was immer das heißen mag, er wegen seiner Position in der Firma, die er, wie er sich bewusst ist, nur ihrem Status als künftige Alleinerbin des großen Familienvermögens verdankt. So spielen sie ihre Rollen im Netzwerk der »guten Gesellschaft«, wie viele andere Paare in ihrem ausgedehnten Bekanntenkreis auch, jeder für sich und, wenn nötig, auch gemeinsam. Und weil in ihren Kreisen jeder vom anderen weiß, dass auch er nur eine Rolle spielt und es hinter den Fassaden viel weniger Lack und Farbe gibt, als das an den Partys und Bällen den Anschein hat, braucht sich auch niemand große Mühe zu geben, die Langeweile über sich, den jeweils anderen und das Leben ganz allgemein zu verbergen.
Er durchquert die Halle und tritt durch eine halb geöffnete Türe in den Salon. Vorbei an einer Sitzgruppe mit plüschigen, leicht verstaubt wirkenden Sesseln und einem langen Esstisch geht er durch die offen stehende Schiebetür in die Bibliothek. Vor dem großen Kamin steht sein lederner Ohrsessel. Gute Jeannette, denkt er kurz und lächelt, während sein Blick auf das Beistelltischchen neben dem Sessel fällt. Da warten eine Glaskaraffe mit seinem bevorzugten Whisky, eines der Kristallgläser aus dem Gläserschrank im Salon und eine glänzende, von Feuchtigkeit leicht beschlagene Metalldose. Bevor sie abends ihre Arbeit beendet hat und nach Hause gegangen ist, hat Jeanette offenbar noch die Karaffe nachgefüllt, frische Eiswürfel in den metallenen Behälter gelegt und alles für die späte Heimkehr des Hausherrn bereitgestellt.
Mit einem Seufzer lässt er seinen massigen Körper in den Sessel sinken und saugt mit einem tiefen Atemzug den Duft des Leders ein. Hätte man ihn nach seinem Lieblingsplatz auf Erden gefragt, er hätte wahrscheinlich diesen Lehnstuhl hier in der Bibliothek mit den raumhohen Gestellen und den vielen in Leder gebundenen Büchern genannt. In dem riesigen alten Gemäuer ist er für ihn eine kleine Insel der Geborgenheit, auf die er sich, nach einem hektischen Arbeitstag oder nach einem der häufigen gesellschaftlichen Anlässe, fast jeden Abend noch für einige Momente zurückzieht, ehe er nach oben in sein Schlafzimmer geht.
Sein Arbeitstag hat mit einem mühsamen Gespräch zur geplanten Kollektion für das kommende Frühjahr denkbar schlecht begonnen. Die Präsentation des Zwischenabschlusses durch seinen jungen Finanzchef sowie die anschließende langfädige Geschäftsleitungssitzung haben nicht dazu beigetragen, seine Stimmung zu verbessern. Am frühen Abend stand noch eines der digitalen Meetings an, die er so verabscheut und wenn immer möglich durch eine traditionelle Telefonkonferenz zu ersetzen sucht, während der man sich immerhin am Kopf oder wo auch immer kratzen kann, wenn einem danach ist. Nach einem Abstecher zum Kühlschrank in der kleinen Büroküche lief er die Treppe hinunter ins Erdgeschoss, wechselte einige belanglose Worte mit dem Nachtportier und verließ das Gebäude. Es war einmal mehr spät geworden.
Ein weiterer anstrengender Tag in der Firma liegt hinter ihm. Der Gedanke, dass nicht mehr allzu viele weitere vor ihm liegen, wenn alles gut läuft, tröstet ihn. Die vergangenen Wochen haben ihm Hoffnung auf eine Entwicklung gegeben, die er anfänglich mit großer Skepsis, später mit wachsender Begeisterung zur Kenntnis genommen hat, auch wenn er selbst dabei keinen aktiven Beitrag leisten kann. Die Aussicht auf die stattliche Summe, die seinem Konto zufließen würde und dank der er bald auch die ehelichen Fesseln loswerden könnte, lässt die Zukunft mit einem Mal in einem wieder viel helleren Licht erscheinen.
Wenn alles gut läuft.
Er greift nach der Karaffe und gießt sich einen Whisky ein. Exakt zwei Finger hoch, auch wenn er weiß, dass dem ersten ein zweites und auch ein drittes Glas folgen würden, sodass er sich eigentlich gleich ein volles Glas einschenken könnte. Aber Rituale sind dazu da, um gepflegt zu werden. Und er liebt Rituale, nicht nur beim Trinken.
Zum Ritual gehört, dass er mit dem ersten Glas immer ein Stückchen Schokolade nimmt. Mal ist es eine Praline, mal ein Riegel Milchschokolade oder eine andere süße Spezialität. Er weiß, dass manche Whiskypuristen über das Pairing von Whisky und Schokolade die Nase rümpfen, was ihn wenig kümmert. Für ihn passen die latenten Holzaromen und die feine, fast ein wenig süßliche Note des Getränks perfekt zu einer cremigen, süßen Schokolade. Schokolade ist ein Laster, zu dem er trotzig steht, auch wenn Doktor Rentsch, der Hausarzt der Familie, ihn immer wieder mahnend auf seine grenzwertigen Blutbefunde und das Übergewicht hinweist.
Für den heutigen Abend hat er sich die restlichen Pralinen aus dem Büro mitgebracht, die seine Sekretärin für ihn im kleinen Kühlschrank der Büroküche aufbewahrt. Normalerweise bekommen er oder irgendwelche Besucher, die ihn in seinem Büro aufsuchen, eine der Schokokreationen zum Kaffee gereicht. Er hat heute Abend die beiden letzten Stücke in der Schachtel aus dem Kühlschrank mitgenommen. Eigentlich wollte er sie gleich auf dem Weg in die Tiefgarage essen, da ihn, wie häufig am Ende eines stressigen Arbeitstags, eine unbändige Lust auf Süßigkeiten überfallen hat. Dann erhielt er einen Anruf auf sein Handy, und über dem langen...
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