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You can't see those men and machines
roll without a tremendous sense
of awe about the United States.
I never realised before just
what the United States is.1
John Kenneth Galbraith
Am Morgen des 14. April 1945 hatten George W. Ball und John Kenneth Galbraith ein Flugzeug des Naval Air Transportation Service in Maryland mit Kurs auf Europa bestiegen. 2 Von London aus, wo sich am Grosvenor Square das europäische Hauptquartier der Amerikaner befand, würden sie gemeinsam mit weiteren Experten aus Wirtschaft und Wissenschaft die kriegslähmende Effizienz und die wirtschaftlichen Folgen eben jenes alliierten Luftkriegs gegen Deutschland untersuchen, der einige Stunden später auch Potsdam treffen sollte. Am Abend desselben Tages wurde die frühere preußische Residenzstadt Ziel eines alliierten Luftangriffs, der die historische Bausubstanz der Stadt in großen Teilen zerstörte. 3 Wegen des unerwarteten Todes von Franklin D. Roosevelt am 12. April hatte sich der geplante Abflug nach Europa um zwei Tage verzögert. Zwar hatte der Präsident selbst die Direktive zur Einrichtung des USSBS unterzeichnet, das Projekt jedoch nicht maßgeblich aus der Taufe gehoben. Die Initiative dazu war aus den Reihen der U. S. Army Air Force gekommen und reichte in das Jahr 1943 zurück. Aus dem State Departement war es schließlich Kriegsminister Henry L. Stimson, der für die weitere Organisation des USSBS zuständig war. 4 Galbraith, der im Frühjahr 1945 Editor für die Zeitschrift "Fortune" war, wurde für die Dauer seiner Projektmitarbeit als einer von neun verantwortlichen Direktoren für die Overall Economic Effects Division des Gesamtprojekts United States Strategic Bombing Survey (USSBS) für den Zeitraum 13. April bis 2. September 1945 5 von seiner journalistischen Tätigkeit freigestellt. Seine Frau Catherine, genannt Kitty, blieb mit den beiden kleinen Söhnen Alan und Douglas in der New Yorker Wohnung am Riverside Drive blieb. Die Mitarbeit beim USSBS war für Galbraith und seinen Werdegang entscheidend. Er entwickelte in jenen Monaten des Frühjahrs und Sommers 1945 nicht nur eine spezifische amerikanische Identität - seit 1937 war er US-amerikanischer Staatsbürger. Die Erfahrungen, die er in Europa sammelte, schärften auch sein politisches Profil und bildeten seine Standpunkte gegenüber den Deutschen und der amerikanischen Deutschlandpolitik heraus. Die ambivalente Haltung zum State Department, die er in den folgenden Jahrzehnten seiner Karriere regelmäßig öffentlichkeitswirksam in Szene setzte, ist auch auf seine Tätigkeit für die amerikanische Regierung in den ausgehenden 1940er und beginnenden 1950er Jahren zurückzuführen. Seine Faszination für die unmittelbare Nähe zu politischen Entscheidungsträgern hatte sich bereits in der New Deal-Ära gezeigt. Der USSBS bot ihm nun erneut die Möglichkeit, am Puls der Zeit zu wirken - eine entscheidende Grundlage für seine spätere öffentliche Karriere.
Das Unterfangen USSBS hob sich von Beginn an von den üblichen Studien zur Evaluierung militärischer Operationen ab: Für das Vorhaben wurde ein Team aus zivilen Experten zusammengestellt, das auf präsidiale Weisung tätig wurde. 6 Durch die ungewöhnliche Entscheidung, die Untersuchungsgruppe aus nichtmilitärischen Experten aus Wirtschaft und Wissenschaft zusammenzustellen, sollte schon im Vorfeld jedem Zweifel an der Unabhängigkeit des Projekts sowie der Unvoreingenommenheit seiner Durchführung entgegengewirkt werden. Von Seiten der Air Force waren die Schlussfolgerungen der Studie allerdings an erhebliche Erwartungen geknüpft. In ihren Reihen erhoffte man sich, auf Grundlage der Ergebnisse, die Luftwaffe endlich als unabhängige Streitkraft einrichten zu können. Ein Resultat der Untersuchung stand für einige Generäle dementsprechend bereits fest, bevor die Arbeit am USSBS überhaupt begonnen hatte: Hitler und das Deutsche Reich waren durch strategische Luftangriffe in die Knie gezwungen worden. 7
Der technische Fortschritt in der Luftfahrt und die im Ersten Weltkrieg gesammelten Erfahrungen hatten die Bedeutung des Luftkriegs in einer Weise gesteigert, die sich bis dahin nicht in der Strukturierung der U. S. Air Force abbildete. Anders als in Deutschland und Großbritannien waren die amerikanischen Luftstreitkräfte während des Zweiten Weltkriegs nicht autonom organisiert, sondern unterstanden der Army bzw. der Navy. Die Gründe hierfür lagen u. a. in der militärtaktischen Ausrichtung der USA. In ihren Tactical Schools ging man davon aus, dass der Einsatz von Bombern in erster Linie zur Unterstützung der Bodenstreitkräfte dienen sollte. Die Notwendigkeit einer unabhängigen Organisation der Luftstreitkräfte trat dann erst seit der Luftschlacht um England 1940 deutlich hervor. Immer weiter reifte die Einsicht, dass die Luftwaffe über die Unterstützung an der Frontlinie hinaus effektiv eingesetzt werden könne:
"The task of such a force would be to attack the enemy at places far removed from the battle lines, the purpose being to destroy essential elements of the enemy's war capability by bombing the factories, his transportation and supply depots, and his centers of government." 8
Zur Schwächung der gegnerischen Kriegskapazitäten wurde fortan verstärkt auf die Zerstörung kriegswichtiger Ressourcen durch "strategic bombing" gesetzt. 9 Die Untersuchungsgruppen des USSBS sollten nun die Effizienz der Bombardierung von Transportwegen, Munitionslagern, von Öl- und anderen kriegswichtigen Industrien in ihren Gutachten evaluieren bzw. bestätigen. In der Aufstellung dieses Vorhabens als wissenschaftlich-militärisches Mischprojekt mit einem den tatsächlichen Ergebnissen vorweggenommenen Kalkül mögen also bereits die jahrzehntelang anhaltenden Kontroversen über die Untersuchungsergebnisse angelegt gewesen sein.
Den Vorsitz des unter seinen Mitarbeitern "uzz-buzz" 10 genannten Projekts übernahm der Unternehmer Franklin D'Olier, Präsident der Prudential Insurance Company; der Co-Vorsitz wurde Henry Clay Alexander von J. P. Morgan übertragen. 11 "The Directors included 2 lawyers, 3 government officials, 1 businessman, 1 editor, 1 college professor and 1 engineer", beschrieb Galbraith in der Rückschau die breit aufgestellte Expertise der verantwortlichen Mitarbeiter. 12 Die Direktoren des Projekts hatten sich bereits im November 1944 auf den Weg ins Londoner Hauptquartier gemacht. Allein die Suche nach einem Direktor der Overall Economic Effects Division zog sich bis ins Frühjahr 1945 hin. Zu diesem Zeitpunkt befand sich die Arbeit des USSBS bereits am Ende der Organisations- und Vorbereitungsphase. Man wollte nun mit der Feldarbeit in Deutschland beginnen, 13 die durch das bevorstehende Ende der Kriegshandlungen möglich wurde. Galbraith war keinesfalls die erste Wahl für die Besetzung des vakanten Postens gewesen. Seiner Ernennung waren Monate der vergeblichen Suche nach anderen geeigneten Kandidaten vorausgegangen. Bemühungen, Donald David, den Dekan der Harvard Graduate School of Business Administration oder einen seiner Mitarbeiter für das Projekt zu gewinnen, waren gescheitert. Es war George W. Ball, der den Namen seines Freundes Galbraith aus der gemeinsamen Zeit bei der Land-Lease-Administration ins Spiel brachte. Ball reichte seinen Vorschlag über Paul Nitze, ebenfalls USSBS-Direktor, weiter. Dieser konnte Galbraith schließlich für das Vorhaben gewinnen. Ball hatte Nitze zuvor über den Kandidaten wissen lassen:
"If you decide to tackle Ken Galbraith (who is now on the editorial staff of Fortune) you might mention my name as I know him quite well. Galbraith is an extremely energetic fellow of first rate intellectual capacity and a good deal of experience in running large research projects. He would, I think, do a very good job." 14
Wie die übrigen Direktoren konnte Galbraith bei der Auswahl seiner Mitarbeiter in der Economic Division frei entscheiden. Verantwortlich für den Teilbericht "The Effects of Strategic Bombing on the German War Economy" zeichneten schließlich Galbraith als Direktor, Burton H. Klein als sein Assistent, Paul Baran, James P. Cavin, Edward S. Denison, Samuel J. Dennis, Thomas Dennis, G. Griffith Johnson, Jr., Nicholas Kaldor, James W. McNally und Roderick H. Riley. 15 Rückblickend resümierte Galbraith, damals das "Adelsregister der kommenden Ökonomen-Generation" um sich versammelt zu haben. Kaldor wurde einer der führenden Ökonomen Großbritanniens, Paul Baran machte sich - neben Paul Sweezy - einen Namen als marxistischer Ökonom und Edward Denison leistete Pionierarbeit auf dem Gebiet der statistischen Analyse. 16 Der erweiterte Mitarbeiterstab dürfte noch erheblich größer gewesen sein. In seinen Memoiren nannte Galbraith auch Erich F. Schumacher, einen Schüler von John Maynard Keynes, der später die Ökonomie westlicher Prägung mit seiner Studie "Small is...
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