Schweitzer Fachinformationen
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Sage
Na ja«, sage ich, »es sieht ziemlich . eigenwillig aus.«
Es hat nämlich Ähnlichkeit mit einem Phallus und ist mindestens 15 Meter hoch. Stolz ragt der turmartige Anbau des alten Lagerhauses samt Kuppel vor den Dächern im Hintergrund in den Frühsommerhimmel auf.
Wren, meine allerbeste Freundin (und Lieblingsmensch - genau wie ihr fast auch schon erwachsener Sohn), kann sich das Kichern kaum noch verkneifen.
»Wie haben die das Ding denn so schnell hochgekriegt?«, fragt sie unter prustendem Gelächter. »Lieber Himmel, da sind die Witze doch schon vorprogrammiert!«
»Hast du Sam nicht bekommen, als du gerade mal sechzehn warst? Da müsstest du eigentlich wissen, wie das mit dem >Hochkriegen< geht«, antworte ich scherzhaft. Für eine Millisekunde reißt Wren schockiert die Augen auf, bevor wir beide einen Lachkrampf kriegen.
»Wie ich sehe, habt ihr beiden Ladys das alles überragende Prachtstück auch entdeckt«, sagt Athena Cirillo und verzieht belustigt die Lippen. »Gestern wurde das Gerüst abgebaut.« Mit wehendem, schneeweißem Haar überquert sie die Promenade und gesellt sich zu uns.
»Morgen, Sprout«, begrüße ich den Belgischen Zwerggriffon, der unter ihrem Arm klemmt und mich mit einem Blinzeln aus seinen wässrigen Knopfaugen bedenkt.
»Weißt du, was das sein soll?«, fragt Wren mit einem Nicken in Richtung des Bauwerks. Als Besitzerin der Buchhandlung ist Athena unsere persönliche allwissende Kleinstadtgöttin und immer für eine Insiderinformation gut.
Sie dreht sich zu dem alten Lagerhaus um und schüttelt den Kopf. »Ich weiß nur, dass die Fläche für Gastronomie oder Einzelhandel freigegeben ist.«
»Hm«, machen Wren und ich im Chor. In dem alten Backsteingebäude in vorderster Lage an der Promenade hat sich seit Ewigkeiten nichts getan. Jedenfalls nicht, solange ich denken kann. Hier in Spunes, Oregon, hat kaum noch jemand von dem Gebäude Notiz genommen. Im schattigen, gefliesten Außenbereich fand alle zwei Wochen der Bauernmarkt statt, und innen wurden Fahnen, Feiertagsdekoration und solches Zeug gelagert.
Bis vor Kurzem. Vor einigen Monaten wurde das Gebäude vollständig leergeräumt, und ein paar Wochen später begannen die Umbauarbeiten.
»Ich tippe auf Gastronomie«, erklärt Athena. »Einzelhandel käme eher infrage, wenn es noch mehr Läden in der Nähe gäbe. Aber Martha läuft schon gegen beides Sturm. Und das da trägt nicht gerade zur Beschwichtigung bei«, fügt sie mit einem ergebenen Seufzer hinzu. »Also dann, ich muss los, den Laden aufschließen. Habt einen tollen Tag, Ladys. Und handelt euch keinen Ärger ein!«
Nachdem wir Athena auch einen schönen Tag gewünscht haben, drehen wir uns wieder um und betrachten schweigend das Gebäude samt Turm.
»Tja .«, sinniere ich begeistert bei der Aussicht auf ein neues Restaurant. Prompt denke ich an meine Sammlung von Kochzeitschriften, an die vielen komplizierten Gerichte, die ich gern nachkochen würde, aber vermutlich nicht werde. Und trotzdem juckt es mir augenblicklich in den Fingern, etwas Neues auszuprobieren.
Synchron drehen wir uns die Köpfe zu. »Tja .«, wiederholt Wren. »Wie zur Hölle hat dieser Phallus-Palast denn eine Genehmigung bekommen? O'Doyle würde das doch niemals hinnehmen.«
»Was würde ich niemals hinnehmen?«
Wir halten beide die Luft an und stehen sofort stramm. Mrs Martha O'Doyle, die Inhaberin von O'Doyles Lebensmittel und Alltagsbedarf - in Spunes die schnelle Anlaufstelle für alles Mögliche, von Hühnerfutter bis zu Sportartikeln - betritt gemächlich unser Sichtfeld. Sie hebt den Kopf, und ich umkralle schon mal Wrens Handgelenk.
»Meridian«, redet unsere selbsternannte Stadterhalterin Wren an und nimmt sie mit zusammengekniffenen Augen kritisch ins Visier. Seit O'Doyles Petition gegen die Außendekoration der Bäckerei zu Weihnachten vor zwei Jahren können die beiden nicht mehr miteinander. Bloß weil die elfenartige Aufklappfigur nicht O'Doyles konservativem Geschmack entsprach.
»O'Doyle«, entgegnet Wren tonlos.
Ich höre schon die drohende Italo-Western-Melodie und schiebe mich zwischen die beiden, ehe das Ganze auf einen High-Noon-Showdown hinausläuft. »Wir dachten nur, dass Sie ein solches Bauwerk in Spunes doch niemals akzeptieren würden.« Ich muss mir in die Wange beißen, um nicht loszulachen. »Etwas . so Monströses.« Jetzt lieber nicht weiter anstacheln. Jeder hier weiß, dass der Verkauf und Umbau dieses Gebäudes O'Doyle ein Dorn im Auge ist. Kein Wunder, dass sie sich mit einer Reihe penibler Beschwerden an das County gewandt hat - nur dass sie damit nicht durchgekommen ist.
Die Furchen in ihren gekräuselten Lippen werden tiefer. »Wovon in aller Welt redet ihr überhaupt?« Doch dann dreht sie sich langsam zu dem aufragenden Teil um, und ich schubse Wren ein Stück vorwärts, damit wir entkommen können. Erst als wir in sicherem Abstand sind, werfe ich einen Blick über die Schulter und sehe, wie O'Doyle auf die Erhebung mit der Kuppel starrt und ihr Mund vor Entsetzen auf- und wieder zuklappt.
»O Gott, jetzt hat sie der Schlag getroffen«, sage ich mit kaum verhohlener Belustigung zu Wren.
Wren packt mich am Arm und bringt mich abrupt zum Stehen. »Also hör mal! Gestern hast du Sam gefragt, ob er >an Schwermut< leidet und jetzt dieser Spruch? Ich muss dich echt davon abbringen, ständig den Spirit des Viktorianischen Zeitalters heraufzubeschwören. Nimm doch lieber den einer modernen, toughen Frau unter dreißig! Von uns gibt es in dieser Stadt doch kaum noch welche.«
»Du bist einunddreißig, Süße.« Zweiunddreißig, um genau zu sein, auch wenn Wren immer so tut, als hätte sie ihren letzten Geburtstag gar nicht mitbekommen, und ich ihr das durchgehen lasse. Wren senkt unheilvoll den Kopf, und ich ziehe mit gespielter Betretenheit die Nase kraus. »Schon gut. Ich räume ja ein, dass ich bei der Recherche für das Festival-Quiz ein bisschen abgeschweift bin. Aber da du mir nicht beistehen willst, bleibt mir wohl nichts anderes übrig, als mich irgendwie in meiner neu entdeckten, althergebrachten Mundart zu üben.« Ich zucke mit den Achseln.
Wren tut meine Worte mit einem Lachen und einem Kopfschütteln ab. »Ich wage zu bezweifeln, dass in dem Quiz irgendetwas zu dem damaligen Slang vorkommt.«
»Warum denn nicht? Man kann nie wissen. Irgendwie geht es doch immer um die Zeit der Gründerväter. Die versuchen nur jedes Jahr, die Fragen umzuformulieren.«
»Bist du sicher, dass keiner deiner Brüder mitmachen will? Hast du überhaupt schon alle drei gefragt?«
»Nein, die wollen nicht. Und ich will auch gar keinen meiner Brüder dabei haben. Das wäre nur noch demütigender.« Ich werfe ihr einen betont hilflosen Blick zu. »Willst du es dir nicht doch noch mal überlegen?«
Wren zieht eine Grimasse. »Ich hasse solche Wettbewerbe. Außerdem braucht Mom mich in der Bäckerei. Ach, da ich gerade von Mom rede .« Sie schaut plötzlich nachdenklich und ein bisschen traurig drein, während sie sich auf die Unterlippe beißt. Sofort macht sich Panik in meinem Brustkorb breit.
»Was ist los? Geht es ihr nicht gut?«
»Doch. O Gott, Sage, tut mir leid. Mom geht es total gut. Es ist nicht . nicht so etwas.« Beruhigend drückt sie meinen Ellbogen. Ich atme erleichtert auf und schüttele den Anflug von Angst ab.
Wenn man seine Eltern in so jungen Jahren verloren hat wie meine Brüder und ich, macht man sich wohl immer auf das Schlimmste gefasst. Als müsse man ständig mit einem weiteren Verlust rechnen.
»Es ist nur so, dass Ian gestern mit Cassidy bei uns war«, sagt Wren zur Erklärung.
Ich versuche, einen unverbindlichen Gesichtsausdruck aufzusetzen. »Was hast du denn erwartet, Wren? Hier gibt es nur eine Bäckerei. Dass die zu euch kommen, war doch klar.« Leichtes Achselzucken meinerseits, wenn auch etwas steif. »Und selbst wenn es hier ein Dutzend Bäckereien gäbe, wäre Savvys immer noch die beste.«
»Mom hat sich geweigert, eine Bestellung von ihnen anzunehmen.«
Ich stöhne auf. »O nein! Das ist nicht wahr, oder?«
»Nun, also . nicht direkt. Aber sie ist nach hinten gegangen und hat Cassidy dort halblaut eine unscheinbare, hinterhältige Zicke genannt. Als sie dann wieder in den Laden ging, hat sie Ian gefragt, ob er etwa eine Glatze kriegt, hat ihm alles Mögliche aufgezählt, was er dagegen tun soll, und ihn damit sichtlich auf die Palme gebracht. Und dann hat sie den beiden gesagt, sie habe keine Kapazitäten frei.«
Ein trockenes Lachen schüttelt mich. »Ich glaube dir kein Wort. Savannah Meridian ist eine Seele von Mensch.« Ich wage zu behaupten, nicht einmal je so etwas wie >verdammt noch mal< von ihr gehört zu haben.
»Stimmt genau! Und deshalb würde es ihr auch niemals einfallen, ihre Ansicht über die Sache zu ändern«, antwortet Wren vergnügt.
»Wren, das mit Ian und mir ist seit über einem Jahr vorbei! Wie würdest du es denn finden, wenn ich nicht mehr mit Ellis reden wollte?«
Ihre karamellfarbenen Locken wippen, als sie skeptisch den Kopf schief legt. »Ich finde, das ist etwas anderes. Ellis ist schließlich dein Bruder.« Ihr Gesichtsausdruck wird ernst. »Außerdem hat er mich nicht nach fünf Jahren ohne weitere Erklärung verlassen und direkt etwas mit einer Freundin von mir angefangen. Und ihr nach einem Jahr einen Heiratsantrag gemacht.« Sie wendet ihr Gesicht ab...
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