2 Grundlagen der Erwachsenenbildung
Heidi Bernard, Andrea Birk, Dagmar Stapper
"Erkläre mir und ich werde vergessen. Zeige mir und ich werde mich erinnern. Beteilige mich und ich werde verstehen."
(Sprichwort)
2.1 Leitbegriffe der modernen Didaktik
In unserer Arbeit in Geburtsvorbereitungskursen lassen wir uns auf ein interessantes und vielschichtiges Arbeitsfeld im Bereich der Erwachsenenbildung ein. Diese Arbeit fordert uns in besonderem Maße, denn Erwachsene sind heute beim Lernen anspruchsvoller als je zuvor.
- Erwachsene möchten effektiv das Erlernen, was sie später wirklich anwenden können.
- Beim Erwerb von Wissen haben sie im Laufe der Jahre einen individuellen Lernstil ausgebildet.
- Sie möchten, vor allem in Kursen, die in der Freizeit stattfinden, ohne Langeweile und mit Spaß neues Wissen miteinander und voneinander erwerben.
- Und sie möchten sich natürlich als erwachsene Menschen mit ihren Erfahrungen angenommen und gleichberechtigt fühlen.
Daraus ergeben sich die folgenden Leitbegriffe der modernen Didaktik (s. ? Abb. 2-1).
2.2 Lehrmethoden - Führungsstile
Nach Kurt Lewin (6) gibt es drei unterschiedliche Kategorien von Führungsstilen:
Autoritärer Führungsstil
Der autoritäre Führungsstil bestimmt und lenkt die Aktivitäten einer Gruppe. Die Gruppenmitglieder werden nicht einbezogen, sondern die Leiterin referiert ihre Themen und lässt wenig oder gar keine Gruppengespräche zu. Die Gruppe wird zunehmend passiv, stellt keine Fragen, lässt sich "berieseln". Wenn die Kursleiterin eine sehr erfahrene Frau ist, die durch Berufsjahre und Lebenserfahrung eine große Autorität darstellt, kann es auch sein, dass die KursteilnehmerInnen "ihre Hebamme" sehr bewundern, kritiklos alles hinnehmen, was sie sagt und selbst dabei eher passiv bleiben und die eigenen Bedürfnisse nicht erkennen.
Die Informationsweitergabe geht eher in Richtung Manipulation als in Richtung bewusste persönliche Entscheidungsfindung. Die Gruppe ist eher teilnahmslos, die Kursleiterin ist oft ausgelaugt und erschöpft.
Kooperativer (demokratischer) Führungsstil
Der kooperative oder demokratische Führungsstil fördert die Aktivitäten in der Gruppe. Diskussionen sind erwünscht und werden gezielt angeleitet. Die Kompetenzen und Erfahrungen der TeilnehmerInnen können sich entfalten. Kontroverse Diskussionen werden zu gelassen. Ein aktiver Meinungsprozess wird gefördert.
Abb. 2-1 Leitbegriffe der modernen Didaktik
Dieser Führungsstil setzt voraus, dass genügend Zeit für Gespräche eingeräumt wird und dass die Gruppen nicht zu groß sind (die Hebammengebührenordnung sieht maximal 10 TeilnehmerInnen vor). Es werden Gruppenregeln verabredet, die den Schutz des Einzelnen zusichern. Dieser Führungsstil erfordert konzeptionelles und methodisches Wissen zur Arbeit mit Erwachsenen. Unterschiedliche Lernmethoden, Übungen und gruppendynamische Anleitungen bilden das Konzept für diesen Führungsstil.
Aus heutiger Sicht ist diese Art, Gruppen zu leiten, mit den größten Lernerfolgen verbunden und entspricht den Anforderungen einer modernen, zeitgemäßen Erwachsenenbildung.
Passiver (laissez-faire) Führungsstil
Der Laissez-faire oder passive Führungsstil ist eher eine Art des Nichtleitens. Gesprächsthemen werden dem "Zufall" überlassen und nicht gesteuert, Gruppenprozesse werden nicht gelenkt. Die Kursleiterin setzt keine Strukturen und Rahmenbedingungen. Sie wirkt wie eine Gruppenteilnehmerin. Mit dieser Art des "Nichtleitens" entsteht in der Regel wenig bis gar kein Zusammenhalt in der Gruppe, der Gruppenprozess hat eher den Charakter einer Selbsthilfegruppe. Die Lernerfahrungen sind eher gering.
Wenn wir wollen, dass die Frauen die Geburt selbst mitbestimmen, sollten wir auch die Geburtsvorbereitungskurse dementsprechend gestalten.
Tab. 2-1 Lehrmethoden im Vergleich
Methode Autoritärer Stil Kooperativer, demokratischer Stil Passiver Stil (Laissez-faire)
Leiterzentriert Lehrer-Schüler-Verhältnis Teilnehmerzentriert Berater-Klienten-Verhältnis Gleichberechtigung Prinzip - Wissen wird vermittelt und passiv angenommen
- Unterstützung dabei, sich Wissen selbst anzueignen
- Toleranz und Freiwilligkeit
= Selbststeuerung
- volle Freiheiten für die Teilnehmer
- Teilnehmer werden sich selbst überlassen
- unsystematische Informationsvermittlung und Kursorganisation
Vorteile für die Kursleiterin - Respekt, Autorität
- Kontrolle
- Selbstdarstellung
- bessere Planbarkeit
- mehr Sicherheit
- Multiperspektivität (Bereicherung durch Vielfältigkeit)
- Verantwortung für Gelingen wird geteilt, Entlastung im Kurs
- Authentizität, dadurch höheres Interesse und mehr Zufriedenheit
- muss kaum eigene Ideen einbringen
- wenig Vorbereitungszeit
Nachteile für die Kursleiterin - alleinige Verantwortung für schlechte Lernerfolge und Unzufriedenheit der Teilnehmer
- Stagnation, Kurskonzept wird nicht weiterentwickelt
- mehr Vorbereitungszeit
- mehr Flexibilität erforderlich
- neben Fachwissen mehr Methodenkompetenz erforderlich
- Teilnehmer verlieren schnell Interesse
- kein Raum für Feedback und somit eine Weiterentwicklung möglich
- keine Regeln, schlechter Umgang miteinander möglich und somit konfliktträchtig
Vorteile für die KursteilnehmerInnen (TN) Bequemlichkeit - bekommt Entscheidungen abgenommen
- kann sich im Kurs fallen lassen
- durch Schulzeit vertraute Lernsituation
Guter Kontakt mit anderen
= Kooperation - TN fühlen sich mit ihren Bedürfnissen ernst genommen
- sie dürfen aktiv sein
Lernen mit allen Sinnen Absolute Entscheidungsfreiheit - kein, unter Umständen anstrengender Austausch mit anderen Teilnehmern nötig
- keine Eigenreflektion erforderlich
Nachteile für die KursteilnehmerInnen - Erfahrungen der Teilnehmer können nicht mit einfließen
- Eigenkompetenz wird nicht beachtet
- mitverantwortlich für den eigenen Lernerfolg
- unpersönliche Lernatmosphäre
- Leiter geht wenig auf Erwartungen, Probleme und Bedürfnisse ein
- Aussagen und Instruktionen der Leiterin oft unklar und wenig präzise
- kein Wir-Gefühl unter den Teilnehmern
Lernchancen Fraglich - Wissen wird nicht verankert, dadurch geht vieles verloren
- praktische Umsetzung fehlt
Individuelles Wissen, das sofort erlebbar wird - Situierung und Selbstwirksamkeit
- verbesserte Arbeitsfähigkeit
Fraglich - keine konstruktive Auseinandersetzung mit Kursleitung und anderen Teilnehmern möglich.
- Resignation und Unzufriedenheit überwiegen
Mögliche Konflikte - Expertenstatus der Hebamme wird angezweifelt
- Besserwisserei
- Langeweile
- Passivität
- Störenfriede
- Verweigerung
- schlechte Lernerfolge durch falsch ausgewählte Methoden denkbar
- Überforderung der Teilnehmer möglich
- Kursleitung wird nicht als solche anerkannt.
- einzelne TeilnehmerInnen übernehmen die Leitung
- Unzufriedenheit wegen fehlender Effizienz
- kein geschützter Raum für Einzelne
Die Vorteile des teilnehmerzentrierten Arbeitens
Ein flexibles Kurskonzept, das Veränderungen zulässt, gibt den TeilnehmerInnen, aber auch der Kursleiterin, den Raum für eine persönliche Weitentwicklung. Dadurch werden und bleiben die Kurse zeitgemäß und lebendig.
Die Selbstständigkeit der KursteilnehmerInnen wird gefördert und dies ist im Hinblick auf den späteren Einstieg in die Elternschaft und die damit...