Schweitzer Fachinformationen
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Jörg-Rainer Müller, Thomas Mußotter, Katrin Schumacher
Die Neubaustrecke Wendlingen-Ulm mit einer Streckenlänge von ca. 60 km wird rund zur Hälfte in Tunneln geführt und zu einem Großteil mit der Tunnelvortriebsmaschine (TVM) aufgefahren. Während der Bauausführung wurde festgestellt, dass der Sulfatgehalt des Tunnelausbruchmaterials zwischen Ausbruch und Ablagerung durch Pyrit-Oxidation zunimmt. Daher wurden mit den Behörden und allen anderen Beteiligten für die Entsorgung des Tunnelausbruchmaterials verschiedene Lösungen wie die Verwertung im Projektgebiet sowie in der keramischen Industrie entwickelt. Mit dem Ziel, trotz der zeitlichen Veränderlichkeit des Sulfatgehalts eine Ablagerung der Tunnelausbruchmassen auf Verwertungsstellen gemäß Erstdeklaration zu ermöglichen, wurde zusätzlich vom Umweltministerium von Baden-Württemberg am 7. April 2017 der sogenannte Pyriterlass veröffentlicht. Damit wurde in Abstimmung mit dem Umweltministerium Baden-Württemberg ein Weg für die fachlich und rechtlich sinnvolle und sichere Bewertung von als Abfall eingestuftem Bodenmaterial mit veränderlichen Eigenschaften (Sulfat) geschaffen. Beim Bau des Boßlertunnels sowie des Albvorlandtunnels konnten umfangreiche Erfahrungen bei der Umsetzung des Pyriterlasses und der Ausweitung auf andere veränderliche Parameter sowie bei der Verwertung im Projektgebiet gesammelt werden.
Tunnel spoil with changeable waste properties - dealing with earth masses containing pyrite on the Stuttgart-Ulm project
About half of the new line from Wendlingen to Ulm with a length of about 60 km will run in tunnels, which are mostly being bored with tunnel boring machines (TBM). During construction, it was discovered that the sulphate content of the material excavated from the tunnel increases between excavation and deposition due to pyrite oxidation. Therefore, various solutions were developed with the authorities and all other involved parties for the disposal of the tunnel spoil like reuse in the project area and in the ceramics industry. Furthermore, the so-called pyrite decree was published by the environment ministry of Baden-Württemberg on 7 April 2017 with the objective of enabling the deposition of tunnel spoil at reuse sites in accordance with an initial declaration despite the temporal changeability of the sulphate content. Thus, a way was found in agreement with the environment ministry of Baden-Württemberg for the proper and legally sensible and safe recycling of the soil material classified as waste with changeable properties (sulphate content). For the construction of the Boßler Tunnel and the Albvorland Tunnel, extensive experience could be gained with the implementation of the pyrite decree and its extension to other changeable parameters as well as reuse within the project area.
Das Bahnprojekt Stuttgart-Ulm gliedert sich in zwei Teilprojekte:
Die Hälfte der 60 km langen Neubaustrecke führt durch neun Tunnel, ansonsten folgt sie in enger Bündelung der parallelen Bundesautobahn (BAB) A8.
An der Neckarbrücke bei Wendlingen beginnt der erste PFA der Neubaustrecke Wendlingen-Ulm, der PFA 2.1 a/b (Bild 1). Die beiden eingleisigen Tunnelröhren des 8,2 km langen Albvorlandtunnels werden von zwei parallel bohrenden Tunnelvortriebsmaschinen (TVM) aufgefahren und unterqueren die BAB A8. Anschließend folgt der 5 km lange Planfeststellungsabschnitt PFA 2.1c.
Im darauffolgenden 15 km langen PFA 2.2 (Bild 2) erklimmt die Neubaustrecke die Schwäbische Alb. Zunächst erfolgt der Anstieg im 8,8 km langen Boßlertunnel, anschließend im 4,8 km langen Steinbühltunnel. Zwischen den beiden Tunneln quert die Strecke bei Mühlhausen im Täle das Filstal. Der Boßlertunnel wurde mit einer TVM aufgefahren, die beide Röhren nacheinander hergestellt hat.
Bild 1. Übersichtskarte PFA 2.1
Bild 2. Übersichtskarte PFA 2.2
Die beiden TVM-Tunnel der Neubaustrecke Wendlingen-Ulm durchfahren Schichten des Braunen, Schwarzen und des unteren Weißen Juras und weisen dabei bindige Ton- und Mergelschichten mit reduzierendem Milieu auf. Bei beiden Tunnelbaumaßnahmen fallen ca. 10 Mio. t Tunnelausbruchmaterial an, das einer Beseitigung bzw. Verwertung zugeführt werden muss.
Im Sommer 2016 nach rund 70 % Vortrieb in der Oströhre des Boßlertunnel und der damit verbundenen Verwertung von rund 1,5 Mio. t Material erfolgte die Rückmeldung einer Verwertungsstelle, dass die Sulfatgehalte des bereits eingelagerten Materials nicht mehr der ursprünglichen Deklaration Z0 (Sulfat < 50 mg/l) entsprechen und das Material höhere Sulfatgehalte aufweist als für diesen Standort zulässig.
Mit diesem Wissen erfolgten zunächst mehrere Nachkontrollen und Überprüfungen der Laborergebnisse, die jedoch alle den Sachverhalt des erhöhten Sulfatgehalts in dieser spezifischen Verwertungsstelle bestätigten. Als erster Maßnahmenschritt wurde die Entsorgung von der Baustelle eingestellt und der Vortrieb bis zur Klärung der Ursache für zwei Wochen unterbrochen. Darüber hinaus wurden bei weiteren Verwertungsstellen Laboruntersuchungen durchgeführt und alle bisher angefahrenen Standorte zur Fremdüberwachung aufgefordert. In Summe war nach allen Untersuchungen vor Ort, Laboruntersuchungen sowie mineralogischen Untersuchungen festzustellen, dass es sich bei dem Sulfatgehalt im Ausbruch des Boßlertunnel um einen veränderlichen Parameter handelt und sich die Einstufung der Verwertung im Laufe der Zeit verändern kann.
Das Material der Oströhre war in über 30 Standorten verteilt. Etwa ein Drittel der Menge (0,5 Mio. t) wurde in Baden-Württemberg und ca. zwei Drittel (1 Mio. t) in Bayern mit Entfernungen von 15 bis über 250 km vom Entstehungsort abgelagert. Ein Großteil dieser Mengen hatte nach Überprüfung der Fremdüberwachung erhöhte Sulfatgehalte gegenüber den Erstdeklarationen auf der Baustelle. Die Ursache dafür war die sog. Pyritoxidation, und dieser Umstand war zudem unabhängig von den verschiedenen geologischen Einheiten im Boßlertunnel. Diese geologischen Einheiten enthalten Pyrit (Eisensulfid, FeS2) in Zehntelmillimeter bis millimeterfeinen Konkretionen (Bild 3), Aggregaten oder Überzügen von Mineralkörnern (z. B. Quarz), das sich zu Sulfat umwandelt.
Mit diesem vertieften Wissen waren nunmehr zwei Hauptthemen zu lösen.
Als Grundlage dafür musste für das Ausbruchmaterial zunächst ein Prozessverständnis für die veränderlichen Sulfatgehalte und den zu erwartenden Einfluss auf das Schutzgut Grundwasser geschaffen werden.
Bild 3. Pyritknollen auf einzelnen Bruchstücken des Tunnelausbruchmaterials des Albvorlandtunnels
In den angetroffenen Formationen ist das sulfidische Mineral Pyrit über geologische Zeiten stabil. Insoweit erbrachte die Bodenuntersuchung zur Deklaration des Ausbruchmaterials im Hinblick auf den Sulfatgehalt in der Planungsphase der Trasse keine Auffälligkeiten.
Durch den Abbau während des Tunnelvortriebs wird das Pyrit stark mechanisch beansprucht, die feinkörnigen Pyritaggregate werden weiter zerkleinert und die reaktiven Oberflächen vergrößert. Durch diese mechanische Beanspruchung wird die Oxidation aktiviert, die sich durch die Lagerung an der Luft, durch Niederschläge und ggf. unterstützt durch Aufheizung durch Sonneneinstrahlung fortsetzt. Aus FeS2 entsteht durch die Reaktion mit Sauerstoff Sulfat [SO4]2-. Dieser Prozess kann nach den bisher gemachten Erfahrungen nach mehreren Tagen bis wenigen Wochen beginnen, sodass ihn die zeitnah durchzuführende Beprobung für die Erstdeklarationsanalyse noch nicht bzw. noch nicht im vollen Umfang erfasst. Die Deklarationsergebnisse für Sulfat waren i. d. R. auf der Baustelle Z0. Je nach Randbedingungen kann sich das nach mehreren Tagen bis Wochen ändern, und bei Kontrollanalysen wurden z. T. deutlich höhere Sulfatgehalte im Bereich von Z1.2 bis Z2 (= 150 mg/l), teils auch über Z2 (> 150 mg/l) festgestellt.
Mineralogische Untersuchungen haben ergeben, dass z. B. der Impressamergel des unteren Weißen Jura lediglich ca. 0,8 M.-% Pyrit...
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