Schweitzer Fachinformationen
Wenn es um professionelles Wissen geht, ist Schweitzer Fachinformationen wegweisend. Kunden aus Recht und Beratung sowie Unternehmen, öffentliche Verwaltungen und Bibliotheken erhalten komplette Lösungen zum Beschaffen, Verwalten und Nutzen von digitalen und gedruckten Medien.
Autoren: Dipl.-Ing. (FH) M. Sc. Thomas Zumbrunnen, Staatliches Bauamt Traunstein, Abt. Georisiken, Tunnelbau und alpine Sonderbauweisen, Traunstein, Dipl.-Ing. Bernd Gebauer, Ing.-Büro Dipl.-Ing. Bernd Gebauer Ingenieur GmbH, München, BD Dipl.-Ing. Univ. Bernhard Ettelt, Zentralstelle für Brücken- und Tunnelbau Autobahndirektion Südbayern, München, Ministerialrat Dipl.-Ing. Karl Goj, Oberste Baubehörde im Bayerischen Staatsministerium des Innern für Bau und Verkehr, München
Mit der 139 m langen Schutzgalerie Saalachsee wurde ein neuartiges Konzept für Schutzgalerien verwirklicht. Während Schutzgalerien häufig als reine Lawinengalerien gebaut werden, wurde die Galerie Saalachsee so konzipiert, dass auch Steinschlag- und Murereignisse bis zu festgelegten Jährlichkeiten beherrscht werden können. Dies dient nicht nur dem Schutz der Verkehrsteilnehmer auf der Bundesstraße 21 (B 21) südlich von Bad Reichenhall, sondern auch dem Schutz des Bauwerks. Damit soll die Verfügbarkeit der wichtigen Verkehrsverbindung deutlich erhöht werden. Die Bauweise der Schutzgalerie erfolgte unter Verwendung von Fertigteilen, was die Verkehrsbeeinträchtigungen während der Bauzeit deutlich reduzierte. Auf betriebstechnische Einrichtungen nach den Richtlinien für die Ausstattung und den Betrieb von Straßentunneln (RABT) [1] konnte aufgrund der besonderen Konzeption der Schutzgalerie weitgehend verzichtet werden.
Protective gallery against natural hazards alongside the federal road B 21 - Design and realization
The Saalachsee avalanche protection gallery near Bad Reichenhall in Bavaria with a length of 139 m is based on an innovative concept, that ensures protection not only against avalanches, as many similar structures, but also against geological risks like debris flow surges and rockfall events up to calculated annualities. This design enhances not only the safety of the road users, but serves in addition to improve the safety of the structure during such events. Furthermore, the availability of the important traffic connection, the federal road B 21, is increased. In order to shorten the building phase, the construction was mounted in a reinforced concrete building technique using pre-cast concrete segments in order to minimize traffic obstructions. The design of the building was furthermore optimized in order to minimize operational installations without infringement of the relevant standards.
Auf der B 21/E 641 (Bild 1) kommt es bedingt durch die Lage an den hohen und steilen Süd- und Osthängen des Ristfeucht- und Rabensteinhorns sowie den Nord-West-Hängen des Lattengebirges mit seinen steil aufragenden Felswänden des Predigtstuhls, des Vogelspitz und des Luegerhorns (Bild 2), aufgrund von Lawinen-, Steinschlag- oder Murereignissen immer wieder zu Unfällen und längeren Sperrungen. Nach mehreren Steinschlagereignissen mit Verletzten und mehreren Sperrungen der Straße wegen Lawinenabgängen und größeren Murereignissen wurde entschieden, ein integrales Schutzkonzept gegen gravitative Naturgefahren für die B 21 mit dem Ziel zu entwickeln, die regionalen und überregionalen verkehrlichen Anforderungen ganzjährig sicherzustellen. Integrales Schutzkonzept bedeutet, dass anders als bei einer reinen Lawinengalerie, Gefahren durch Lawinen aber auch aus Sturz- und Wildbachprozessen innerhalb festgelegter Grenzen durch das Bauwerk abgewendet werden und die Verfügbarkeit der Straße damit deutlich erhöht wird.
Bild 1. Lage der Schutzgalerie an der B 21/E 641
Bild 2. Topografische Darstellung B 21, Kleines Deutsches Eck
Im Hinblick auf die Komplexität und Größe des Gesamtprojekts und um eine zeitnahe Umsetzung zu ermöglichen, war es notwendig, eine Prioritätenreihung innerhalb des Projekts vorzunehmen. Hierfür wurde die Gesamtstrecke in zwei Abschnitte unterteilt. Im Abschnitt zwischen Schneizlreuth und Bad Reichenhall war das vorrangige Planungsziel eine uneingeschränkte Erreichbarkeit der Gemeinde Schneizlreuth von der Kreisstadt Bad Reichenhall aus, u. a. um die Notfallversorgung sicherzustellen und zur Erhöhung der Verfügbarkeit der Straße für den überregionalen, grenzüberschreitenden Verkehr. Innerhalb dieses Abschnitts wurden wiederum sechs Bereiche gebildet, die an die hohen Felswände des Ramsaudolomits und Dachsteinkalks angrenzen. Aufgrund der ungleichen Verwitterung der beiden Gesteinsformationen kommt es hier zu einem gehäuften Vorkommen von Stein- und Blockschlag. Die Ursachen hierfür liegen in langfristiger Materialentfestigung und Verwitterung an Trennflächen. Gefördert werden diese Vorgänge durch Frosteinwirkung, Temperaturausdehnung und Wurzelsprengungen.
Derzeit existiert in Deutschland keine eingeführte Methodik für eine risikobasierte Beurteilung, Prävention oder Bewältigung gravitativer Naturgefahren. Des Weiteren fehlen verbindliche Vorschriften und Richtlinien für die Ausbildung und die Bemessung von Schutzbauwerken gegen diese Gefahren. Aus diesem Grund wurde bei den Planungen der Maßnahme an der B 21 für die auftretenden Prozessarten (Murgang, Lawine, Fels- bzw. Blocksturz) ein Maßnahmenvergleich für verschiedene Jährlichkeiten durchgeführt, in dem die voraussichtlichen Kosten der Maßnahmen dem zu erwartenden Nutzen gegenübergestellt wurden.
Für die Untersuchungen wurde der Streckenabschnitt in sechs Gefahrenbereiche unterteilt. Ausschlaggebend für die Unterteilung war dabei die räumliche Lokalisierung und Abgrenzbarkeit der jeweiligen Prozessarten. Die Auswertung der Untersuchungsergebnisse zeigt, dass die Straße im Bereich 3 (unterhalb des Vogelspitz) am stärksten durch Naturgefahren betroffen ist (Bild 3). Der Schutz dieses Bereichs wurde somit als vordringlich behandelt. Bei der Abwägung spielten neben der reinen Gefahrenbetrachtung auch das daraus resultierende Schadenspotenzial und somit Faktoren wie die Verkehrsbelastung (DTV), Verkehrsbedeutung, Umleitungsmöglichkeit usw. eine entscheidende Rolle, was einer Risikoanalyse bereits sehr nahekommt.
Bild 3. Schematische Darstellung der geplanten Schutzbauwerke im Bereich 3 für das Schutzkonzept mit einer Auftretenswahrscheinlichkeit von T < 100 Jahre für Lawinen- und Murereignisse und T < 50 Jahre für Steinschlagereignisse [2]
Bild 4. Lawinenrinnen im Bereich 3 des Schutzabschnitts
In dem ca. 320 m langen Bereich 3 überlagern sich in einem vergleichsweise kurzen Abschnitt drei Prozessarten. Im Maßnahmenvergleich stellte sich in einem 139 m langen Kernbereich eine Schutzgalerie mit flankierenden Leitwällen als sicherste und wirtschaftlichste Lösung dar. Die verbleibende, nicht durch die Galerie gesicherte Strecke des Bereichs kann mit Schutzzäunen, Murnetzen und einer Anrissverbauung für eine Nebenrinne gut geschützt werden (Bild 4).
Wie für die Beurteilung und Prävention von Naturgefahren fehlen in Deutschland auch verbindliche Vorschriften und Richtlinien für die Ermittlung und Bestimmung von Lastansätzen für Schutzbauwerke gegen Steinschläge, Murereignisse und Lawinen. So musste für die Ausgestaltung, Konstruktion und Bemessung der Bauwerke auf österreichische und schweizerische Richtlinien zurückgegriffen werden. Das führte vor allem bei der anschließenden Berücksichtigung und Einbindung der ermittelten Einwirkungen und Lasten in die statische Berechnung nach den neuen Eurocodes und der konstruktiven Ausbildung des Tragwerks zu vertieften Einzelfallbetrachtungen und einer intensiven Abstimmung mit dem verantwortlichen Prüfingenieur.
Für die Ermittlung der Einwirkungen aus Stein- und Blockschlagereignissen wurden nach einer gutachterlichen Begehung (inkl. Befliegung) der Hang- und Wandbereiche oberhalb der Bundesstraße, Ausbruchsgebiete mit zugehörigen Ausbruchsblockgrößen für zehn- und 50-jährliche Ereignisse festgelegt. Basierend auf diesen Festlegungen wurden 3-D-Steinschlagsimulationen durchgeführt (Bild 5). Mit den gewonnenen Ergebnissen wurde eine Umgriffermittlung und eine erste Abschätzung der auftretenden Energien und Sprunghöhen durchgeführt.
Bild 5. Darstellung der Sturztrajektorien und der Sturzenergien aus der 3-D-Simulation T = 50 Jahre [3]
Für die Festlegung der Einwirkungen aus Lawinenereignissen wurden bei jedem Lawinenstrich mehrere Szenarios untersucht. Basierend auf einem Schneehöhengutachten [4] und einer gutachterlichen Stellungnahme des bayerischen Landesamts für Umwelt [5] wurden für jeden Lawinenstrich Simulationen mit unterschiedlichen Schneehöhen und Umgriffen der Anrissgebiete sowie mit verschiedenen Lawinenarten (Fließlawine, Staublawine, Nassschneelawine) durchgeführt. Anhand einer relativ detaillierten Aufzeichnung einer Schadlawine aus dem Jahr 2002 konnten in Verbindung mit dem...
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