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8. Juli 2014, etwa 22.30 Uhr
»Ja, los!«
»Nein!«
»Doch!«
»Ja!«
»WM-Rekordtorschütze!«
Während sich sechs der sieben vor der Leinwand versammelten Fußballfans einfach über Kloses Tor gegen Brasilien freuten, musste Kriminalhauptkommissar David Armbruster den Sachverhalt umgehend fußballgeschichtlich einordnen. Ein paar Sekunden früher als ZDF-Reporter Béla Réthy, der zunächst über die schnelle 2:0-Führung jubelte, ehe er sich über Miro Kloses Rekord ausließ. Immerhin war dieses im Nachschuss erzielte Tor sein 16. Treffer in einem WM-Spiel. Damit hatte Klose einen Treffer mehr erzielt als Ronaldo, der ausgerechnet 2006, bei der WM in Deutschland, Gerd Müller als Rekordhalter abgelöst hatte.
Für David war dieser Rekord Anlass genug, »ein donnerndes Hipp-Hipp-Hurra auf den Sportkameraden Klose« anzustimmen - nachdem alle Umarmungen und alles Anstoßen mit Bier, Wein, Wasser und Schnaps beendet waren.
Doch diese Huldigung blieb dem Miro leider verwehrt, denn in dem Moment, als David die anderen auf seinen Spruch eingestimmt hatte, jagte Toni Kroos den Ball in die Maschen. Und das gleich zweimal innerhalb von 90 Sekunden. Bevor jemand fragen konnte, ob es das jemals gegeben hatte, 4:0 in einem WM-Halbfinale nach 25 Minuten, schob Sami Khedira den Ball ins Tor.
»5:0 gegen Brasilien. In Brasilien. Im WM-Halbfinale. Unglaublich.« Kriminaloberkommissar Jonas Sager fasste die Stimmungslage betont sachlich zusammen, trank in zwei großen Schlucken seine Bierflasche leer und wandte sich an seinen Kollegen. »David, hat es so was schon mal gegeben?«
David war ein wandelndes Sportlexikon. Man konnte ihn um 3 Uhr nachts anrufen und fragen, wer Tabellenführer in der türkischen Süper-Ligue war, wer in den Play-offs der NHL vorn lag oder wer 1973 im Viertelfinale von Wimbledon gestanden hatte - David wusste es. Natürlich konnte er auch Jonas' Frage beantworten: »1954 hat Deutschland im WM-Halbfinale Österreich mit 6:1 besiegt und 2000 hat Holland im EM-Halbfinale mit 6:1 gegen Jugoslawien gewonnen.«
»Österreich und Jugoslawien? Willst du die in einen Topf mit Brasilien werfen?« Kriminalhauptkommissar Helmut Jordan, Leiter der Wolfenbütteler Ermittlungsgruppe und somit der Vorgesetzte von Jonas und David, blickte seine beiden Kollegen empört an.
»Um Himmelswillen - nein! Österreich, ich bitte dich!« David grinste breit und zwinkerte seinem Chef sogar zu. David war offensichtlich glücklich. Das lag einerseits am überaus erfreulichen Verlauf dieser Fußballweltmeisterschaft - und es lag daran, dass David endlich die richtige Frau gefunden zu haben schien. Seit der Trennung von seiner Freundin Vanessa in der Silvesternacht 2013/2014 war er monatelang Single und damit unausgeglichen und automatisch unausstehlich gewesen. Bis er vor sechs Wochen Rabea Kramer kennengelernt hatte.
Rabea saß in ihrem Korbsessel, der direkt neben Davids stand, hielt dessen Hand, lächelte glückselig - und schien bei all dem gar nicht Davids Typ zu sein. Solange Helmut ihn kannte, war sein Kollege mit sportlichen, schlanken und vor allem blonden Frauen zusammen gewesen. Rabea hingegen brachte augenscheinlich vier, fünf Kilo zu viel auf die Waage, aß in atemberaubender Geschwindigkeit Chips, rauchte und war brünett.
Helmut mochte Rabea. Er hielt außerdem ihren Körper (der ihn im Übrigen sehr an den seiner verstorbenen Ehefrau Marianne erinnerte) für nahezu perfekt - zumindest das, was er und der Rest der Welt davon zu sehen bekamen. Rabea kleidete sich für gewöhnlich so, dass vor allem ihr oberes Drittel zur Geltung kam. Heute trug sie eine sehr weite und sehr lange weiße Bluse zur Jeans, hatte aber einige Knöpfe geöffnet, sodass ihr weißer Spitzen-BH zu erkennen war. Um ihre unteren Regionen zusätzlich zu verhüllen, knotete sie sich meist einen Pullover um die Hüften, der fast bis zu den Kniekehlen reichte.
Rabea hatte ein hübsches, oval geschnittenes Gesicht und wunderschöne braune Augen. Ihr braunes Haar trug sie, wie heute, meist zu einem Pferdeschwanz gebunden. Sie war 28 Jahre alt und arbeitete als Lehrstuhlsekretärin an der Ostfalia, der Wolfenbütteler Fachhochschule.
David war vier Jahre älter als seine Freundin. Er hatte schwarze Haare, die er seit Mai (und seinem 32. Geburtstag) wesentlich kürzer trug als in den Jahren zuvor. Die Art, sich zu kleiden, hatte er allerdings beibehalten: Er trug tagein, tagaus verwaschene Jeans, Turnschuhe, ein T-Shirt und eine Funktionsjacke. Dieses nachlässige Outfit, durchaus bewusst angelehnt an den legendären Tatort-Kommissar Schimanski, passte mehr schlecht als recht zu seinem großen Ehrgeiz und seiner Position als stellvertretender Leiter der Wolfenbütteler Ermittlungsgruppe.
Helmut nahm es, wie es war. Er wusste letztendlich, was er an seinem Kollegen hatte. David konnte mit seiner lockeren Art und seinem Charme vor allem weibliche Zeugen und Verdächtige locker zum Reden bringen. Bislang hatte es in diesem Sommer jedoch so gut wie keine Zeugen und Verdächtige zum Befragen gegeben, Wolfenbüttels Unterwelt verhielt sich außerordentlich still.
Jonas Sager war der Gastgeber dieses Abends, bereits zum dritten Mal während des Turniers. Der 36-Jährige war zugleich das dritte Mitglied der Ermittlungsgruppe. Dass er als Kriminaloberkommissar einen Dienstgrad unter dem vier Jahre jüngeren David war, lag daran, dass er weniger Ehrgeiz besaß als sein Kollege. Er absolvierte selten Lehrgänge oder Fortbildungen und nahm stattdessen für seine Triathlon-Wettkämpfe ab und zu längere Auszeiten, was einer schnellen Karriere bei der Kripo wenig zuträglich war. Immerhin förderte der Sport Jonas' Gesundheit. Außer für Triathlon interessierte er sich für Parkour. Er gehörte zu einer Gruppe von jungen Frauen und Männern, die in den Innenstädten der Umgebung stundenlang Hindernisse wie Zäune, Bänke oder Mauern überwanden: kletternd, springend, abrollend. Jonas sah auch aus wie ein Ausdauersportler. Er war 1,75 Meter groß und extrem schlank. Anders als David war Jonas eher unattraktiv. Sein dunkelblondes Haar war strähnig und schütter. Sein Gesicht war blass, er hatte kleine Augen von einem unscheinbaren, verwaschenen Graublau, Sommersprossen und eine mehrfach gebrochene Nase - Zeugnis einer wilden Jugend, die weit entfernt von einer Zukunft als Kripobeamter verlaufen war.
Im Gegensatz zu Davids waren Jonas' Beziehungen wesentlich beständiger. Mit Franziska Brunstein war er seit knapp neun Jahren zusammen und es lag schon lange das Thema Hochzeit in der Luft. Einmal hatte Franziska Helmut gefragt, ob er sich vorstellen könnte, im Falle eines Falles Trauzeuge zu sein. Das könnte er und er würde sich riesig für die beiden freuen, wenn sie heirateten. Franziska war ein herzensguter Mensch. Mit ihrer stets guten Laune und ihrer Offenheit hellte sie jede Gesellschaft auf. Sie lachte viel, interessierte sich ernsthaft für die gerade aktuellen Lebensumstände aller anderen Anwesenden, freute sich über gute Nachrichten und zeigte Mitgefühl bei weniger guten Neuigkeiten. Ein Mensch, den man einfach mögen musste.
Warum Franziska ihn mochte, blieb Helmut ein Rätsel. Er war weder geistreich oder witzig, noch charmant oder charismatisch. Mit seinem schmalen Gesicht, der spitzen Nase, den blassen grünen Augen und dem stetig zurückgehenden graublonden Haar war er keineswegs der Typ Mann, den man allein aufgrund seines Äußeren mögen musste. Wenn er sich beschreiben müsste, würde er Begriffe wie »blass« oder »spröde« wählen.
Franziska war, rein äußerlich, ebenfalls ein blasser Typ. Sie hatte dunkelblondes, strähniges Haar, ihr Gesicht wurde nach unten hin immer breiter und ganz und gar von ihrem Mund dominiert, dem sie praktisch nie Lippenstift gönnte. Sie war zwar groß und schlank, ihr Körper hatte aber etwas Androgynes an sich. Weibliche Rundungen entdeckte man erst auf den zweiten Blick, was auch an ihrer Kleidung lag, die sie zum Teil in der Herrenabteilung kaufte. Franziska war 34 Jahre alt und Dozentin für Erziehungswissenschaft an der TU Braunschweig. Sie stecke mitten in ihrer Habilitation und hoffte anschließend auf eine Professur, möglichst in Braunschweig.
Franziska saß zusammen mit Lisa Bertram auf einer kleinen Gartenbank. Die 31-jährige Kriminaloberkommissarin war das jüngste Mitglied der Ermittlungsgruppe. So und so die Jüngste. Sie war ein Dreivierteljahr jünger als David und erst seit drei Jahren im Team; David begann vor sieben und Jonas vor sechs Jahren. Ähnlich wie Jonas lebte Lisa sehr gesundheitsbewusst. Sie aß selten Fleisch und durchweg Bio-Produkte. Auch sie trieb regelmäßig Sport; sie joggte und ging ins Fitnessstudio.
Lisa trug ihr glattes braunes Haar seit geraumer Zeit halblang. Sie hatte einen leichten Schmollmund, ihre Nase war gerade und ihre Augen hatten einen satten Grünton. Ausschließlich um die Augen herum trug sie bisweilen Make-up auf, an ihre Lippen ließ sie allenfalls Lipgloss. Lisa besaß eine weniger kurvenreiche Figur als Rabea, dafür waren ihre Beine auffallend lang - einer der Gründe, warum ihr viele Männer lange hinterher sahen. Selbst wenn die Beine meist in Jeans steckten. In Röcken oder Kleidern sah man Lisa selten.
Lisas Freund Björn Kirchstein hatte sich gleichfalls auf die kleine Bank gequetscht. Er wohnte im rund 40 Kilometer entfernten Wolfsburg, arbeitete dort als Polizist und war der Drogenfahndung zugeteilt.
Lisa genoss diese Art von Partnerschaft, die eher einer...
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