Schweitzer Fachinformationen
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Seit den 1960er-Jahren eroberte die internationale Avantgarde neue Freiräume und integrierte verstärkt gesellschaftliche und soziale Kontexte in die künstlerische Praxis. Diese Entwicklung prägt bis heute die Ideen und Methoden der zeitgenössischen Kunst. Auch die Malerei ist von diesem Streben nach einem größeren Zusammenhang beeinflusst - ein Prozess, den Katharina Grosse seit über 25 Jahren konsequent verfolgt.
International bekannt wurde Grosse in den späten 1990er-Jahren für ihre aufsehenerregenden Installationen, die sie direkt vor Ort in Sprühtechnik ausführte. Ihre erste direkt auf die Architektur gesprühte Arbeit entstand 1998 in der Kunsthalle Bern. Bald darauf erweiterte sie ihre Werke auf größere Flächen und verwandelte nicht nur Wände und Böden von Museen und Ausstellungshallen, sondern auch ganze Landschaften und urbane Räume, Naturmaterialien und Objekte in begehbare Farbräume.
Stets sind die Ergebnisse radikal malerisch gedacht. Sie verbindet die Leuchtkraft ungemischter Farben mit dem großflächigen Charakter der Landart, wodurch sie die Grenzen zwischen Zwei- und Dreidimensionalität aufhebt. Heute gehört Katharina Grosse zu den bedeutendsten Künstler*innen der Gegenwart. Ihr Werk steht exemplarisch für die Aufhebung der traditionellen Grenzen der Malerei und fordert die Betrachter*innen in einzigartiger Weise dazu auf, ihre gewohnten Seh- und Denkweisen zu hinterfragen.
Der vorliegende Gesprächsband, zugleich Begleitpublikation zur Ausstellung in den Deichtorhallen Hamburg, versammelt elf ausführliche Interviews, die Klaus Dermutz in den Jahren von 2020 bis 2022 mit Katharina Grosse in ihrem Atelier in Berlin-Moabit geführt hat. In den Interviews werden zentrale Themen ihres künstlerischen Schaffens vertieft wie in keiner anderen Publikation zuvor - etwa das haptische Bild, die Grenze, Umkehrung, Wiederholung ohne Ursprung, Unterbrechung, das Sichtbare und das Unsichtbare, Zeit, um nur einige wenige zu nennen.
In den Gesprächen werden auch die im Laufe der vergangenen vierzig Jahre sich diversifizierenden Methoden (fräsen, häufen, gießen, drucken, sprühen etc.) und Materialien (etwa Erde, Holz, Aluminium, Latex, Glas oder Metallgewebe) ihrer Arbeit diskutiert. Es wird der Frage nachgegangen, in welcher Weise diese Katharina Grosses Erkenntnisse über die Möglichkeitsformen des gemalten Bildes prägen. Zur Bebilderung stand ein reicher Fundus von Reproduktionen sowohl aus dem Werk- als auch aus dem Privatarchiv Katharina Grosses zur Verfügung. So öffnet sich ein facettenreiches Panorama ihrer radikalen Denk- und Arbeitsweise.
Der Wunsch, Katharina Grosse einmal die Räume der Deichtorhallen Hamburg für ihre energiegeladene immersive Kunst zu überlassen, bestand seit Langem. Umso mehr freuen wir uns, dass mit der Installation Wunderbild ein absolutes Meisterwerk und Meilenstein ihrer Kunst die Weite des Raums der Halle für Aktuelle Kunst mit der expansiven Kraft ihrer Malerei vereint und zugleich Ausgangspunkt einer umfangreichen Ausstellung ihrer Kunst geworden ist. Das begehbare Werk, das außer in Prag noch an keinem anderen Ort zu sehen war, fordert die klassischen bildlichen Darstellungsformen ganz besonders heraus. Ursprünglich 2018 für den Messepalast der Nationalgalerie Prag entwickelt, hat Katharina Grosse die kolossale Installation in der großen Halle der Deichtorhallen neu inszeniert und mit einer eigens für das Werk komponierten Soundarbeit von Stefan Schneider ergänzt. Die Installation besteht aus zwei gigantischen etwa 55 Meter breiten Gemälden auf sich überlagernden Stoffbahnen, die von der Decke herabhängen, einige Meter über den Boden fließen und von beiden Seiten betrachtet werden können. Der zentrale Raum der Halle für Aktuelle Kunst bleibt ansonsten unberührt, wodurch das Wunderbild ungeteilte Aufmerksamkeit erhält. Die Malerei erstreckt sich auf zwei Flächen über mehr als zwei Drittel der Länge der Halle und wirkt, als ob die Natur selbst in ein Bild verwandelt worden wäre. In dieser Farbschlucht bewegen sich die Besucher*innen durch einen Korridor zwischen den Stoffbahnen, wodurch das Kunstwerk seine begehbare Dimension erhält und sich beim Durchschreiten zu einem lebendigen Reflexionsraum verwandelt.
Wie im Katalog zur Prager Installation hervorgehoben, stellt das Werk einen Wendepunkt in der Karriere der Künstlerin dar. Zum ersten und einzigen Mal arbeitet Katharina Grosse auf einer derart großen Fläche mit Schablonen. Die so entstehenden Leerstellen innerhalb der komplex geschichteten Malerei wirken wie Fenster zu imaginären Räumen und verleihen der Arbeit einen architektonischen Charakter. Der Wechsel zwischen den vor- und zurückspringenden besprayten und nicht besprayten Passagen öffnet die Arbeit für mannigfache Interpretationen und Assoziationen. So ließe sich bei den unbemalten Stellen von unbesetzten Zwischenräumen sprechen - von Bildfenstern oder Bildrahmen im Bild, die an Mussorgskys Bilder einer Ausstellung denken lassen und zu wechselnden Spaziergängen zwischen verschiedenen Bildern im Bild einladen. Auch lassen sie sich als geheimnisvolle Schalllöcher im Klanggefüge der irisierend lodernden dunkel- und hellgrünen, roten oder blassblauen Farbversprühungen wahrnehmen; hermetische blanke Felder, die perspektivisch und räumlich aus dem Rhythmus des weiten Kontinuums der aktionsgeladenen Malerei fallen. Katharina Grosse hat neben Schablonen immer wieder auch mit zerschnittenen Leinwänden gearbeitet - als ein Mittel, das Fließende und Illusionistische der verwehten Farbspuren mit Hard-Edge-Malereiformen zu unterbrechen.
In einem 300 Quadratmeter großen Raum hinter der Halle hat Grosse eine Erdarbeit ausgeführt, die einen spannungsvollen Kontrast zu den großflächigen, hängenden Stoffbahnen bildet. Die Malerei erstreckt sich nahezu über die gesamte Bodenfläche und setzt sich nahtlos auf organischen Erdhügeln fort. Auch hier führt ein schmaler Pfad durch die Landschaft aus Lehm und erlaubt es den Besucher*innen, das Werk aktiv zu erfahren. Der Geruch und die haptische Qualität der Erde beeinflussen die Wahrnehmung, während sich die Farben je nach Bewegung der Betrachter*innen und einfallendem Licht verändern. Indem die Besucher*innen reale, von der Künstlerin nicht kontrollierbare Abdrücke hinterlassen und die Farbe mit ihren Füßen zerstäuben, wird die Aura des Kunstwerks erweitert.
In der Ausstellung befinden sich sechs großformatige Leinwände, die eine markante Veränderung in Grosses Werk zwischen den 2005 und 2006 geschaffenen Werken und denen von 2024 verdeutlichen. Die früheren, größtenteils mit breiten Pinseln gemalten Arbeiten wirken reduzierter und in gewisser Weise sperriger, mit ausladenden Farbgesten, die die Flächigkeit der Farbgefüge unterstreichen und die Farbe als Farbsetzung offenlegen. Die charakteristischen Farbbewegungen der Künstlerin werden über die Ränder der Leinwände hinausgeführt und streben eine Entgrenzung des Bildraumes an - ein Konzept, das in ihrer künstlerischen Praxis eine zentrale Rolle spielt und im Panoramahaften unmittelbar bleibende Sinneseindrücke hinterlässt. Die in Sprühtechnik ausgeführten neueren Werke hingegen sind verspielter und serieller, mit wilden Farbbündeln, die in achterbahnähnlichen Farbschleifen unentwirrbar sich aus der Tiefe des Bildes herausbilden. Schärfere und unschärfere Partien grenzen sich wie in einer Fotografie voneinander ab. In diesen Arbeiten verschmelzen die Ausdrucksmittel - Spraydüse und Gestus der Künstlerin - miteinander und verstärken die emotionale Wirkung der Werke.
Die Verdichtung dieses Raumes, das intensive Zusammentreffen der Erdarbeit mit den großen Bildern, steht im Kontrast zur präzise genutzten Weite der großen Halle und erzeugt eine rhythmische Spannung. Die expansive Form bleibt dabei stets präsent, während gleichzeitig die Differenzierung im Werk betont und erlebbar wird.
Im Gegensatz zu ihren großen Installationen im Innen- oder Außenraum, bei denen Katharina Grosse mit größeren Teams zusammenarbeitet und denen unterschiedliche Planungsphasen vorausgehen, ist sie bei den Bildern, die in ihrem Studio entstehen, völlig auf sich und ihre Materialien gestellt. Der Film von Claudia Müller dokumentiert den Entstehungsprozess der Arbeiten und gewährt einen faszinierenden Einblick in die mentale und körperliche Dimension der Malerei von Katharina Grosse. Die Zuschauer*innen werden so direkt in die Überlegungen etwa zur Auswahl der Farben sowie die gestischen Momente, die das körperlich-performative Geschehen beim Malprozess prägen, einbezogen. Die Regisseurin hat das Geschehen bei der Entstehung der Werke über mehrere Tage hinweg auf dem Studiogelände in Trechwitz in Brandenburg gemeinsam mit der vielfach ausgezeichneten Kamerafrau Christine A. Maier aus verschiedenen Perspektiven dokumentiert und mit Isabel Maier, verantwortlich für die Montage, in dem 30-minütigen Film umgesetzt. Ziel des Films ist es, die Besucher*innen direkt in das Geschehen miteinzubeziehen, um unseren Blick auf das Werk der Künstlerin weiter zu schärfen.
Mein Dank gilt zuallererst Katharina Grosse für die Möglichkeit, ihre außergewöhnliche Kunst in den Deichtorhallen zu präsentieren, sowie für die inspirierende Zusammenarbeit. Besonderer Dank geht auch an ihr Studioteam, stellvertretend genannt seien Hans Grosse, Maximiliane Kolle, Jona Lueddeckens, Ivonne Schwarz und Philippa von Wittgenstein. Ein weiterer Dank geht an Klaus Dermutz für die hier veröffentlichten Interviews, die das Werk von Katharina Grosse luzide befragen. Ohne diesen...
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