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Ich ertrage alles, vielleicht sogar Glück.
Hanne Wallenstein
Gibt es eine bessere Chance,
um Gleichgesinnte zu treffen und kennenzulernen?
Die Gemeinde Mettlach lädt herzlich ein zur
1. Single-Kultur-Wanderung
am 1. September 2019
Anmeldung bei der Tourismuszentrale Mettlach: 06864 86867564
Start ist um 9.30 Uhr in Mettlach vor der Alten Abtei.
Gibt es eine bessere Chance, um Gleichgesinnte zu treffen und kennenzulernen?
Exakt die Worte standen auf dem bunten Flyer für die Wanderung, und zum gegenwärtigen Zeitpunkt würde ich die Frage mit einem klaren Ja beantworten. Aber ja, es gibt weit bessere Möglichkeiten zur Kontaktaufnahme. Selbst wenn mir in dieser Sekunde keine einfällt. Was unter Umständen nur daran liegt, dass es zutiefst unangenehm ist, hier am frühen Morgen in Mettlach, inmitten dieser ganzen Schar mir völlig fremder Menschen, zu stehen.
». ich wünsche Ihnen viel Freude und nette Begegnungen bei unserer ersten Single-Kultur-Wanderung«, schließt Herr Schmitz seine Ansprache.
Erleichtert, dass diese unangenehme Situation ein Ende gefunden hat, hebe ich meinen prall gefüllten Rucksack an, um ihn mir auf den Rücken zu schnallen. Doch ich habe mich zu früh gefreut.
»Bevor es allerdings losgeht, stellen wir uns erst einmal alle vor und erzählen, warum wir hier sind. So lernen wir uns gleich besser kennen«, fährt der Führer fort und zwinkert mir zu. Mir, die ich unglücklicherweise direkt neben ihm stehe.
»Bitte, Hanne, Sie dürfen den Anfang machen.«
Ich nicke brav und schnappe zugleich nach Luft, denn mit einem Mal sind alle Augen auf mich gerichtet. Auf mich, die ich schon seit Wochen so gut wie keinen Menschen, außer meinen Eltern und Frau Tietze-Meiermann, zu Gesicht bekommen habe.
Angespannt überlege ich, was am besten zu sagen sei, während ich völlig grundlos über meinen Ellenbogen reibe und versuche, die Blicke der anderen zu ignorieren. Mir kommt der Gedanke, ehrlich zu sein und die Wahrheit zu sagen. Schlicht und einfach zu erzählen, dass mich im Grunde meine Therapeutin zu dieser Tour gezwungen hat, obwohl sie wissen müsste, wie unangenehm das alles für mich ist. Warum schickt sie mich zu einer Single-Kultur-Wanderung? Genau diese Therapeutin, Frau Tietze-Meiermann, allerdings hatte mir vergangene Woche auch geraten, nicht bei jeder Gelegenheit »grundehrlich« zu sein, wie sie es nannte.
»Zu viel Offenheit stößt manche Menschen vor den Kopf«, verkündete sie mir.
Unsicher, ob das jetzt einer der Momente ist, in denen es angeraten sei, die Dinge »etwas verblümter« darzustellen, wenn man den Wortlaut meiner Therapeutin nutzen möchte, suche ich nach einem alternativen Einstieg. Je länger es dauert, desto unruhiger werde ich. Mein Kopf ist wie leergefegt, und so versuche ich, aus purer Not heraus, die Aktion möglichst schnell hinter mich zu bringen.
»Ich bin Frau Doktor Wallenstein, Ethnologin mit Schwerpunkt auf außereuropäischen Gesellschaften. Für meine Teilhabe an dieser Veranstaltung kann ich Ihnen gegenwärtig keinen adäquaten Grund nennen. Ich suche keinen Partner . derzeit.« Ich bemerke, dass ich rot werde und nicht das Geringste dagegen unternehmen kann. Also rede ich einfach weiter in der Hoffnung, dass der peinliche Moment dann schneller vorbeigeht. »Ehrlich gesagt bin ich nicht unzufrieden, so allein«, füge ich hinzu.
Die Blicke haften weiterhin erwartungsvoll auf mir. Daraus schließe ich, dass ich womöglich noch mehr preisgeben muss. »Aber das ist sicher kein Problem, denn die Wahrscheinlichkeit, auf einer Single-Wanderung einen Partner zu finden, ist so oder so als eher gering einzuschätzen, das wurde in verschiedenen Studien .«
Der Gesichtsausdruck von Herrn Schmitz verunsichert mich. Er sieht verwirrt aus. Womöglich läuft die Vorstellung in die falsche Richtung, sage ich mir und breche meine Ausführungen ab, um es mit konstruktiver Kritik zu versuchen.
»Ähm, was ich kurz anmerken wollte, Herr Schmitz: Hinsichtlich des Flyers, das kann man so eigentlich nicht schreiben.«
Herr Schmitz legt die Stirn in Falten. Allem Anschein nach kann er mir nicht folgen.
»Es ist doch unlogisch, alle Singles als Gleichgesinnte zu bezeichnen. Der Umstand, Single zu sein, macht Alleinstehende nicht automatisch zu einer Gruppe mit gleichen Interessen. Da hinkt letztlich Ihre komplette Aussage. Eigentlich ist die ganze Idee zu dieser Veranstaltung ziemlich absurd.«
Ich verstumme. Nochmals eine Pause, und von Neuem blickt man mich nur an.
»Habe ich etwas Falsches gesagt?«, frage ich Herrn Schmitz.
»Nein, nein. Ganz und gar nicht«, entgegnet er freundlich und legt mir kurz die Hand auf die Schulter. »Alles prima, Frau Wallenstein. Wir müssen uns lediglich ein wenig beeilen. Constanze, könntest du dich vielleicht vorstellen?«
»Hallo, ich bin die Conny! 38 Jahre alt und Grundschullehrerin. Seit ein paar Monaten bin ich wieder Single. Leider!« Das letzte Wort zieht Constanze in die Länge. »Aber ich bin mir sicher, eines Tages werde ich den Mann meiner Träume finden.«
Während »die Conny« mit einer Stimme, deren Frequenz nur schwer zu ertragen ist, allerlei Details über ihr Liebesleben ausplaudert, und die Augenpaare, insbesondere die männlichen, an ihr kleben, wünsche ich mich an einen anderen Ort oder in eine andere Zeit, im günstigsten Fall sogar in ein anderes Leben.
Ganz automatisch wandern meine Gedanken zu Frau Tietze-Meiermann, die mir all dies eingebrockt hat. Konsequent stößt sie mich mit der Nase darauf, dass ich in keiner Lebenslage wie all die anderen Menschen bin. Kein Regelfall zu sein, ist offensichtlich mein größter Fehler, und als Allheilmittel sieht meine Therapeutin es an, mich unter Menschen zu bringen. Der Rahmen, in dem dies geschieht, scheint zweitrangig zu sein.
»Sie müssen mal raus! Sich unterhalten, austauschen, amüsieren, ein wenig flirten vielleicht sogar«, schnitt sie vor einer Woche das Thema an. Dabei reichte sie mir mit einem erdrückend optimistischen Lächeln den Handzettel zur Single-Wanderung.
Ich sah mir den Zettel an und zog die Augenbrauen hoch: »So wirklich passt das aber nicht zu mir.« Dabei hätte ich schon wissen können, dass jede Widerrede zwecklos war.
»Rein zu Übungszwecken«, hielt Frau Tietze-Meiermann dagegen und fügte dann hinzu. »Sie wollen doch, dass es Ihnen bald besser geht?«
Was für eine Frage! Als Patientin in einer Therapie ist man, was das Argumentieren betrifft, in einer kümmerlichen Position. Der Therapeut nimmt als Profi die Deutungshoheit für sich in Anspruch, und so kann prinzipiell alles, was du sagst, symptomatisch sein.
Dafür brauchte es im Fall meiner Therapeutin nicht einmal Worte. Frau Tietze-Meiermann lehnte sich in ihrem Stuhl zurück und blickte mich nach meiner letzten Frage wortlos an. Spätestens nach dem unüberhörbaren Seufzer des Bedauerns machte sich bei mir das Gefühl breit, ich hätte trotz der vielen Gespräche der vergangenen Monate rein gar nichts dazugelernt.
»Aber .« Mein letzter Vorstoß in Richtung Vernunft wurde gnadenlos niedergeschlagen.
»Kein Aber!«, unterbrach mich die Tietze-Meiermann. »Trauen Sie sich! Zeigen Sie, dass Sie etwas an Ihrem Leben ändern wollen!«
Was sollte ich darauf sagen? Unter diesem Druck gab ich nach und buchte die Wanderung für Singles. Ich machte es einzig und allein, um mir - oder vielleicht weit eher noch ihr - zu beweisen, dass ich kein Drückeberger bin. Von da an bis heute lebte ich mit dem diffusen Gefühl, einen großen Fehler begangen zu haben, und wie es aussieht, war die Befürchtung berechtigt.
Mittlerweile ist das Wort an Klaus - dem Klausi. Conny strahlt. Dem Äußeren nach zu urteilen, hat sie große Hoffnungen auf diesen Tag gesetzt. Ich frage mich, wie sie es mit dem engen Kleid und den Stöckelschuhen über die 15 Kilometer lange Strecke schaffen möchte, behalte aber diese kritische Frage für mich, wie mir es Frau Tietze-Meiermann empfohlen hat.
Endlich ist die Vorstellungsrunde zu Ende. Nachdem ich weit mehr Details aus dem Leben der Mitwandernden erfahren habe, als mir lieb ist, kommt sogar der Part mit der Kultur zum Tragen.
»Auf der gegenüberliegenden Saarseite, auf Schloss Saareck, hat vor Kurzem das holländische Königspaar genächtigt«, verrät uns Herr Schmitz und deutet auf das hübsche rote Gebäude nahe am Saarufer, das heute als Gästehaus dient.
»Wie romantisch«, plappert Oliver, nein Olli, sofort los. Worauf ein künstlich klingendes Kichern von Conny folgt.
Auch wenn es für mein Allgemeinbefinden nicht dienlich sein dürfte, all diese Vorurteile gegen völlig fremde Menschen zu verspüren, komme ich nicht umhin festzustellen, dass die Vorstellungsrunde meine Toleranzgrenze bereits gesprengt hat. Aber gleichgültig wie, wir marschieren los. Zwölf Frauen, sieben Männer.
Gegenwärtig gesellen sich die Herren zu den Damen ihrer Wahl, und da ich niemals enorm anziehend auf Männer gewirkt habe, bin ich nicht verwundert, allein zu wandern, während der Geräuschpegel um mich herum, das Kichern und Murmeln ansteigt. Wir wandern ein Stück durch die kleine Stadt, und ich gestehe mir ein, zumindest was den Erlebniswert und die Aussichten betrifft, hat man uns nicht zu viel versprochen. Mettlach ist ein sympathisches Städtchen, das hatte ich in...
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