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Ducatini hatte entschieden, klar und deutlich.
»Du baust die Sternwarte, Mansani, 240 Fuß hoch, nach den Plänen der beiden Gelehrten, ohne Wenn und Aber.« Über den Versuch des Nuntius, mich abzuwerben, lachte er nur und sagte: »Schick ihn das nächste Mal zu mir, wenn er etwas will. Die Republik hat sich für eine Sternwarte entschieden, und sie baut eine, ob es dem Vatikan gefällt oder nicht.«
Diese Vorgabe war unmissverständlich. Newton und Leibniz machten es mir nicht so einfach.
Newton hatte nach viermaligem Nachfragen eine Zeichnung geschickt, die ich nicht in Gänze verstand, aber die für mich wichtigen Einzelheiten vermochte ich ihr zu entnehmen. Die Form, die Abmessungen und das vermutliche Gewicht des Teleskopturms, oder genauer des Teils des Turms, der das Teleskop aufnehmen sollte. Seine zugehörige Anweisung: »Baut dieses Gestell und kommt wieder, wenn es fertig ist. Und bringt mir einen Glasbläser und den besten Schleifer für meine Linsen und Spiegel.«
Damit kam ich so eben zurecht.
Leibniz hatte sich beeilt. Zwei Tage nach dem Mahl, an dem ich nicht teilnehmen durfte, brachte er eine Mappe mit Zeichnungen bei mir zu Hause vorbei. Der Dolmetscher war nicht pünktlich. Das hielt den Gelehrten aber nicht davon ab zu versuchen, mir seine Skizzen zu erklären.
Er legte seine drei mitgebrachten Blätter auf den Boden, kniete sich hin und zeigte auf eine Zeichnung, die aussah wie eine flache Scheibe mit kleineren Scheiben wie Räder drumherum, jede eine Handbreit dick. Was er von sich gab, verstand ich nicht, aber er nahm meine Hand und führte sie im Kreis um die Scheibe und hielt bei jedem der acht Räder an, drückte meinen Zeigefinger drauf und sagte begeistert: »Jegliches drehet für sich.« Auf Deutsch, dessen ich nicht mächtig war und bin. Er unterstrich das Gesagte achtmal mit einem Kreis, den er in der Luft mit seinem Zeigefinger beschrieb.
Was soll das sein?
»Verstehst du?«, fragte er plötzlich auf Italienisch.
»Nein«, sagte ich ehrlich und schüttelte den Kopf.
Verzweifelt sah er mich an und sich dann um. Auf einem Tisch lag ein einzelner runder Holzteller vom Frühstück. Er sprang auf, nahm den Teller, wischte die Brotkrümel weg und legte sich bäuchlings auf den Boden. Er hielt den Teller mit beiden Händen von sich weg, drehte sich dann auf dem Bauch um die eigene Achse und ließ dabei den Teller auf dem Rand abrollen. Als er sich einmal um sich selbst gedreht hatte, sah er mich wieder erwartungsvoll an und fragte: »Verstehst du?«
Ich hatte nichts verstanden - nicht nur, weil ich kein Deutsch sprach - und schüttelte wieder den Kopf. Er griff sich die Zeichnung, machte eine Bewegung, als wolle er etwas schreiben, und sah mich suchend an.
Will er eine Schreibfeder?
Ich holte eine Feder und Tinte. Leibniz strahlte und nickte heftig. Er strichelte die Scheibe auf die Rückseite des Papiers und zeichnete acht kurze Stangen, eher Stummel von Stangen. Dann nahm er den Teller hoch, zeigte auf eines der Räder und bohrte mit dem Finger ein gedachtes Loch in die Mitte und zeigte wieder auf eine Stange.
Aha, das Rad hat ein Loch, da ist die Stummelstange drin.
Er zeichnete an jeden Stummel ein handbreites Rad.
Ich verstand nicht, schüttelte zum dritten Mal den Kopf. Dann tippte sich der Gelehrte an die Stirn, als habe er eine Idee. Er hielt mir den Teller hin und zeigte zwei Finger.
Ich begriff. Er wollte einen zweiten Teller. Kein Problem. Ich holte einen. Leibniz nickte eifrig, zeichnete zwischen zwei gegenüberliegende Räder eine gestrichelte Linie und zeigte dann auf sich. Er stellte sich hin, legte einen Teller zwischen seine Füße und hielt den anderen über den Kopf.
Die Räder sind miteinander verbunden. Sein Körper ist die Linie in der Zeichnung.
Ich nickte.
Er legte sich wieder auf den Bauch, klemmte einen Teller zwischen die Füße und hielt den anderen vom Kopf weg nach vorne und drehte sich mühsam um den Körpermittelpunkt. Er vergaß nicht, den Teller mit den Händen hin und her zu drehen. Und wieder sagte er, schwer atmend:
»Jegliches drehet für sich.«
Ich glaube, ich verstehe ihn. Die Scheibe in der Mitte soll sich mithilfe der Räder drehen.
Ich lächelte ihn an und nickte, holte die Zeichnung, deutete mit dem Finger auf die Scheibe, zog die vier Linien nach, zeigte auf ihn, hielt vier Finger hoch und machte dabei mit der anderen Hand eine Drehbewegung.
Der Gelehrte nickte heftig. Er sagte dabei: »Richtig«, was ich nicht verstand. Aber wir beide strahlten uns an. Was das mit der Sternwarte zu tun haben sollte, war mir nach wie vor nicht klar, bis mir einfiel, dass er eine neuartige Drehvorrichtung für die Kuppel der Sternwarte beisteuern wollte.
Die Scheibe soll den Turm drehbar machen, auf Rädern, genial!
Ich hatte die Sternwarte des Papstes besucht. Sein Turm der Winde hatte ein oben offenes Stockwerk, auf dem ein Fernrohr stand, das man auf den Teil des Himmels hin ausrichtete, den man beobachten wollte. Dieser Deutsche hatte vor, nicht das Fernrohr zu drehen, sondern den ganzen Turm wie bei einer Windmühle oder einem Kran. Aber auf andere Art, als ich sie kannte. Pfiffig.
Ich staunte vor mich hin, da kam endlich der Dolmetscher.
Sofort erklärte mir Leibniz seine Idee so, dass ich sie völlig durchschaute. Jedes Rad an der Scheibe saß auf einer kurzen Achse und drehte sich, damit machte die Scheibe eine Kreisbewegung.
»Es hat ein wenig gehakt, aber ich habe Eure Vorführung verstanden, Messer Leibniz.«
Er lachte und sagte:
»Manchmal ist eine Demonstratio besser denn Rede oder Zeichnung, Messer Mansani.«
»Habt Ihr die Idee von einer Windmühle?«
»Genau. Die drehbaren Türme der Windmühlen faszinieren mich seit langem. Ich laboriere an einer neuen Art der Drehung in den Wind, ganz ohne ein händisch Tun.«
»Mit diesen Rädern?«
»Nein, mit Flügeln. Diese Räder kamen mir erst gestern in den Sinn. Ich nenne sie Räderlager. Glaubet Ihr, dass jemand allhier dies Gerät bauen kann?«
»Sicher. Das Gestell für das Fernrohr von Newton baut ein geschickter Tischler, mit dem ich schon lange zusammenarbeite. Ich bin überzeugt, er wird Eure Scheibe mit Rädern herstellen können.«
*
Ducatinis Gondel legte mit Newton an Bord neben dem abgelegenen Palazzo am Canal Grande nicht weit von San Geremia an. Newton trug seinen Gelehrtentalar wie jeden Tag und wischte sich ständig über die Stirn. Ein Diener trug ihm einen schweren Kasten aus der Gondel hinterher.
Hat der nichts anderes anzuziehen? Warum trägt er keinen Hut?, dachte Ducatini.
Der Camerario hatte im Erdgeschoss, dort, wo üblicherweise Waren abgeladen und gelagert wurden, eine luftige Werkstatt einrichten lassen. Stolz zeigte er Newton den Ort, an dem hoffentlich die finanziellen Probleme der Stadt beseitigt werden würden. Ducatini hatte sich von einem durchreisenden deutschen Fürsten beraten lassen, der sich an seinem Hof einen Alchemisten hielt. Der hatte ihm versichert, dass sein Alchemist Gold hergestellt hatte. Allein mit ausreichenden Mengen gab es Probleme. Entsprechend groß hatte Ducatini die Werkstatt dimensioniert. Dem berühmtesten Goldmacher Englands sollte es an nichts fehlen, um hier in der Republik Venedig endlich den Stein der Weisen zu finden.
Den 30 auf 30 Fuß großen Raum umlief ein tiefes Regal in Griffhöhe, darunter eine Reihe Holztische, die von drei Öfen unterschiedlicher Größe unterbrochen wurden. Das Regal füllten Mörser, Destillierkolben und -helme in verschiedenen Größen, Tiegel, Pfannen, Retorten, Serpenten, zwei Waagen, Flaschen mit Tinkturen und Gläser mit Schwefel, Salpeter und Antimon. Auf den Tischen lagen Zangen, Kellen, Papier, Feder und Tinte. Ducatini hatte von seinen Bankiers gehört, dass Alchemisten sich oft Notizen machten. Ausnehmend stolz war er auf ein Exemplar des Speculum Alchemiae in Englisch, der geheimnisvollen Schrift über das Wesen der Kunst des Goldmachens, die jeder Alchemist bei der Arbeit zur Hand haben wollte.
Newton inspizierte stumm, was ihm geboten wurde. Sah in die Öfen, nahm die Instrumente in die Hand, wog die Fläschchen, roch an ihrem Inhalt.
»Hmm«, sagte er, »die Öfen, sie sind zu klein. Zu Hause habe ich sechs verschiedene Größen. Für die Herstellung von Mercurius dulcis oder Mercurius sublimatus sind sie unerlässlich. Ich zeichne Euch die Anordnung auf. Beim Einbau will ich dabei sein.«
Mein Gott!
»Wir werden besorgen, was Ihr braucht, Mister Newton.«
Newton hielt prüfend eine Hand hoch und sagte:
»Ein Luftzug, das ist gut. Ich brauche ausreichend frische Luft. Außerdem ist es dann nicht so heiß.«
Das hatte mir der deutsche Berater gesagt.
Newton inspizierte danach die Flaschen mit Materialien eingehender.
»Vom Antimonerz ist zu wenig da. Eisen fehlt ganz. Ebenso Kupfer und Silbererz. Die Tische will ich nicht so. Ich brauche eine große Platte zur Arbeit in der Mitte des Raums. Und ein Kreuz, ein Kreuz an der Wand.«
Er spinnt .
»Ein Kreuz?«
Mit leuchtenden Augen antwortete Newton:
»Ja, Alchemie verlangt Reinheit. Vor der Arbeit muss ich mit Gott im Reinen sein. Schließlich will ich unedle Metalle in Gold wandeln, den göttlichen Schöpfungsakt nachvollziehen, der Metalle von den...
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