Schweitzer Fachinformationen
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Wie schön war es doch in der Villa Necchi!
Die Zeit für Besucher war fast vorüber, und der Garten menschenleer.
Betta war allein zurückgeblieben, um die Pracht der Anlage zu genießen. Sie saß auf einem der anmutigen grünen Stühlchen aus Schmiedeeisen im erfrischend kühlen Schatten der Lindenbäume und lauschte dem leisen Gurgeln des Wassers im nahe gelegenen Swimmingpool.
Wer hätte je gedacht, dass Mailand im August so angenehm sein konnte?
Auf dem Tischchen vor ihr, an dem einst flinke Kellnerinnen mit blütenweißen Schürzen der höheren Mailänder Gesellschaft Tee und Törtchen serviert hatten, lag ihr Handwerkszeug ausgebreitet: neben dem Laptop ein Notizblock, Buntstifte, Marker sowie eine Kladde, prall gefüllt mit Zeitungsausschnitten.
Dieses Tischchen war seit nunmehr zwei Wochen ihr ganz persönlicher Schreibtisch, ihr kleines Open-Air-Büro, nachdem sich wundersamerweise herausgestellt hatte, dass im ferienbedingt halb verlassenen Mailand ausgerechnet dieses prachtvolle, als Museum genutzte Haus aus den Dreißigerjahren geöffnet war, eine schnuckelige kleine Villa, die, einst von Stararchitekt Piero Portaluppi für die steinreichen Schwestern Necchi erbaut, bei deren Ableben im Originalzustand in den Besitz der FAI, der gemeinnützigen Stiftung für Denkmalpflege und Naturschutz, übergegangen war, zusammen mit dem Mobiliar, dem Hausrat und der Kleidung samt Hütchen, als wären die beiden Schwestern nur zu einem Einkaufsbummel außer Haus gegangen.
Hier fand sich Betta nun Tag für Tag ein und hatte mit der Aufstellung von Details zu ihrem allerneuesten Projekt begonnen.
Fotos, Artikel, Entwürfe, Namenslisten von potenziellen Kunden sowie von Freunden und Bekannten, die ihr möglicherweise dabei behilflich sein könnten, in einer ihr bis dato unbekannten Welt Fuß zu fassen - einer Welt, in der sie sich allerdings immer heimischer fühlte und die derzeit buchstäblich in aller Munde war: der Welt des Essens.
Bettas Plan war, einen Cateringservice ins Leben zu rufen. Nicht einen dieser traditionellen und längst überholten Lieferdienste, die mit Tischdecken aus weißem Leinen, Silberbesteck, Plexiglastabletts, 08/15-Menüfolgen sowie Speisen aufwarteten, die vermutlich schon seit Monaten in irgendwelchen Kühlräumen auf den Verzehr warteten. Ebenso wenig eines dieser designverliebten und kurzlebigen Caterings, die sich exotischem Schnickschnack und der Fusion-Küche verschrieben hatten.
Nein, Betta wollte etwas ganz anderes, etwas Besonderes: ein Catering mit Herz, das dem Essen buchstäblich mit Leib und Seele verfallen war. Sie würde nicht nur ausschließlich heimische und saisonal angebaute Produkte mit optimaler Ökobilanz anbieten, sondern diesen auch dazu verhelfen, sich auf die richtige Weise auszudrücken - warum eine deftige Bohnensuppe damit in Verlegenheit bringen, dass man sie auf weißen Porzellantellern, womöglich auch noch Wedgwood, servierte, wenn sie, in einer schönen Keramikschale präsentiert, viel glücklicher wäre? Würde sie sich darin nicht viel geborgener und behaglicher fühlen und damit gleich auch viel besser schmecken?
Betta würde sich Menüs ausdenken, die auf ihre Kunden maßgeschneidert waren, indem sie den Stil ihrer Auftraggeber erspürte und diesen dann mithilfe eines Gesamtpakets von Geschirr, Gläsern, Besteck, Servietten, Tischdecken sowie Tischdekoration so zum Ausdruck brachte, dass er sich als etwas ganz Besonderes und Exklusives fühlte.
Und sie würde keine Wucherpreise verlangen - auch das einer ihrer Pluspunkte.
Dass Schönes nicht unbedingt auch viel Geld kosten musste, hatte Betta schon immer gewusst, denn viel mehr als ein großes Budget zählte die Leidenschaft, mit der man an eine Sache heranging. Jetzt mehr denn je würde das ihr Motto sein müssen: Schönes und Gutes konnte man auch mit geringen Mitteln erreichen, und wenn man dann auch noch mit dem Herzen bei der Sache war, umso besser.
Es war Paola, eine Bekannte von ihr, gewesen, die ihr den Floh mit dem Catering ins Ohr gesetzt hatte, nachdem Betta in null Komma nichts die Geburtstagsfeier ihres langjährigen Lebenspartners für sie organisiert hatte. Die Party war ein solcher Erfolg, und die Freundin so voll des Lobes gewesen, dass Betta zum ersten Mal ernsthaft begann, die Idee eines Caterings in Erwägung zu ziehen. Der Gedanke ließ sie nicht mehr los, schwirrte ihr permanent im Kopf herum, ging in ihr auf wie die köstlich duftende Kruste eines Soufflés.
Blieb nur noch die Hürde der praktischen Umsetzung. Hatte sie noch zu Beginn gedacht, allein die Mundpropaganda würde ihr automatisch so viele Kunden bescheren, dass sie sich nur noch um das Kochen, den Transport und die Gestaltung der Tische kümmern müsste, war ihr nach reiflicher Überlegung klar geworden, dass es nicht wirklich ihre Berufung war, ständig von einem Termin zum nächsten durch die Stadt zu hetzen, um zu kochen und Tische einzudecken.
Nein, so würde sie das niemals schaffen.
Betta war eine passable Köchin, doch ganz sicher kein Profi; außerdem hatte sie nicht den blassesten Schimmer, wie und wo sie sich die Zutaten besorgen könnte. Ganz zu schweigen von der letzten, mindestens ebenso schmerzlichen Erkenntnis, dass man dafür eine gut eingerichtete Küche brauchte - zumindest eine, die besser ausgestattet war als die ihre.
Es war eine Sache, sich an der Theke eines Feinkostgeschäfts den leckersten aufgeschnittenen Rohschinken auszusuchen, doch eine völlig andere, einen ganzen Schinken bester Qualität aufzutreiben. Dazu brauchte sie jemanden, der wirklich etwas von Essen verstand und ihr dabei half, sich durch eine Welt zu kämpfen, die ihr noch fast gänzlich unbekannt war. Unerlässlich war ein echter Koch, der in der Lage war, viel abwechslungsreichere und raffiniertere Menüs auf die Beine zu stellen, als ihr das jemals gelingen würde.
Doch der entscheidende Punkt war und blieb der gleiche: Sie brauchte jemanden, der über eine Profiküche mit der entsprechenden Ausstattung verfügte.
Das hieß, sie brauchte Tito. Ihren wundervollen, anbetungswürdigen Tito. Den Mann, den ihr die Vorsehung geschickt hatte, vor allem jedoch den Mann mit dem . RESTAURANT!
Während Betta sich mit dem Laptop unter dem Arm auf den Weg zum Ausgang des Parks machte, wurde ihr eines klar: Sie musste eine genauere Darstellung ihres Projekts zu Papier bringen, um sie Tito vorzulegen, dazu einen nicht allzu ausführlichen Businessplan (den sie sich möglicherweise auch schenken konnte, so wie sie den Typen kannte). Dann galt es nur noch, den richtigen Moment zu finden, um mit ihrem alten Freund zu sprechen.
Bloß schade, dass sich das Objekt ihrer Begierde just in diesem Augenblick und ohne auch nur die leiseste Ahnung von ihren Plänen auf einem Segeltörn befand und aller Wahrscheinlichkeit nach seine ganze Konzentration seiner mit Sicherheit höchst attraktiven neuesten Gespielin schenkte.
Erst am Abend zuvor hatte Betta versucht, mit ihm in Kontakt zu treten, doch sein Handy war ausgeschaltet gewesen.
Viel später rief er sie zurück, genauer gesagt um drei Uhr nachts, und riss Betta aus tiefstem Schlaf.
»Hallo, ich hab gesehen, dass du mich angerufen hast. Was gibt's denn? Ist dir etwa fad in Mailand, und du möchtest mich besuchen kommen?«
Betta hatte ein wenig gebraucht, um zu begreifen, wer es war. Es war die allererste Nacht, in der sie es geschafft hatte, wirklich zur Ruhe zu kommen. Durch das Gewitter am vergangenen Abend hatte es abgekühlt, eine angenehme Verschnaufpause von der städtischen Gluthitze.
»Wo bist du?«, fragte Betta mit belegter Stimme, als sie wieder halbwegs bei Sinnen war.
»In der Nähe von Stromboli.«
»Echt? Und ich dachte, du hättest dich den Stürmen der Weltmeere ausgeliefert!«
»Nein, am Ende habe ich beschlossen, doch in der Nähe zu bleiben. Das Einzige, was mich hier im Sturm erobert hat, sind die Negronis von Totò, dem besten Barkeeper auf dem ganzen Globus. Und du weißt ja, von Cocktails und Barkeepern verstehe ich was.«
Und tatsächlich hatte es den Anschein, als würde Tito ein winzig kleines bisschen lallen. War er vielleicht betrunken? Nein, eigentlich trank ihr alter Freund nur selten einen über den Durst, aber er schien ziemlich guter Laune zu sein. Vielleicht war ja jetzt die richtige Gelegenheit anzudeuten, was sie im Sinn hatte.
»Du, ich hab mir gedacht .«
»Tu es nicht«, unterbrach er sie. »Denken ist nur was für Pferde, das weißt du doch.«
»Klar, du hast recht, aber während ich hier war, ganz allein, in Mailand .«
»Wie, allein? Kein Lover in Sicht?«
Da drehte wieder mal jemand das Messer in der Wunde - als wäre es Bettas eigene Entscheidung, ewig Single zu sein, statt ein widriges Schicksal, dem sie vielleicht nie mehr entfliehen konnte . Offenbar war es doch nicht der richtige Moment für ernsthafte Gespräche. Gut, dann würden sie eben ein anderes Mal über das Catering reden.
»Na ja, momentan gibt es da niemanden, der mich interessiert«, antwortete sie und versuchte, nicht allzu gekränkt zu wirken.
Tito lachte, und jetzt war sie doch ein wenig verärgert. »Zu so viel Heiterkeit besteht wirklich kein Anlass. Ist doch nicht gerade lustig, wenn man .«
»Entschuldigung. Entschuldige mich einen Moment, ich bin gleich wieder da .«
Mehr als eine Minute lang saß sie da, mit dem Telefon in der Hand. Am anderen Ende der Leitung war undeutlich eine Frauenstimme zu hören, doch man konnte nicht verstehen, was...
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