Im Sommer 1983 hatte ich Zeit zur Verfügung. Jede Menge Zeit. Eine Art unbekanntes Territorium für mich.
Manche Highschool-Absolventen nehmen sich den Sommer frei, um das Leben noch mal zu genießen, ehe am College der Ernst des Lebens beginnt und sie erwachsen werden müssen. Viele meiner Mitschüler an der Memorial High fuhren in diesem Sommer runter nach San Marcos und ließen sich im Schlauchboot den Fluss entlangtreiben.
Wie Sie sich sicher vorstellen können, war das nicht mein Ding. Es ist nicht so, dass ich etwas gegen Spaß hatte; ich hatte nur eine andere Vorstellung von Spaß als die meisten Leute meines Alters.
In diesem Jahr hatte ich keinen richtigen Ferienjob. Allem Anschein nach (und soweit es meinen Eltern bekannt war) frönte ich dem Müßiggang, ein angehender Erstsemester, der zwischen Houston und dem neuen Apartment in Austin pendelte, in meinem wunderschönen weißen BMW - ein Auto zum Schnellfahren, und ich fuhr gern schnell.
Aber ein anderes Auto eignete sich viel besser für die Unternehmungen, die ich gegründet hatte. Unternehmungen im Plural.
Es war von meinen Eltern auf mich übergegangen, ein Cadillac Coupe de Ville von 1978 - braun mit einem farblich abgestimmten Vinyl-Halftop, sehr schick.
Ein mächtiger Brocken aus Detroit aus einer Zeit, als Detroit stolz darauf gewesen war, große Autos zu produzieren. Er fuhr sich wie ein Kabinenkreuzer - nicht gerade wendig, aber spurtreu. Von Sparsamkeit konnte keine Rede sein: Dieses Schlachtschiff schluckte literweise Sprit.
Warum hielt ich mich mit diesem großen alten Auto auf, einem Fahrzeug, in dem sich blicken zu lassen den meisten 18-Jährigen peinlich gewesen wäre, wo ich doch einen nagelneuen BMW besaß? (Ganz zu schweigen davon, dass Braun die Schulfarbe des langjährigen Konkurrenten der UT war, Texas A&M.)
Ich mochte diesen Cadillac, weil er groß war.
Ich brachte immer noch IBM-PCs auf Vordermann: kaufte immer noch Laufwerke und Festplatten und Speicherkarten und installierte sie in den IBM-Grundmodellen, die ich im Laden kaufte, und verkaufte dann die verbesserten Computer mit Gewinn an Ärzte, Anwälte und Architekten. Sobald ich in Austin angekommen war, setzte ich kleine Anzeigen in die Lokalzeitung und erhielt sofort Anfragen, die mir das notwendige Arbeitskapital verschafften, um weitere PCs zu kaufen und einen offensichtlich wachsenden Bedarf zu decken. Und dieser Coupe de Ville war sehr gut geeignet, um das Rohmaterial zu transportieren, das ich benötigte, um diesen Bedarf zu decken - neue IBM-PCs, die in ziemlich großen Kartons verkauft wurden. Doch die Größe der Kartons war kein Problem für den geräumigen Kofferraum des Autos, in den drei davon hineingingen, und auf den Rücksitz passten vier weitere, wenn man den Vordersitz so weit wie möglich nach vorn schob, die Rückenlehne vorklappte (ein Coupe de Ville hat hinten keine Türen!) und die Kartons hineinquetschte. Zwei weitere fanden vorn auf dem Beifahrersitz Platz.
Ich war bestimmt ein denkwürdiger Anblick, wenn ich die Interstate 35 entlangfuhr: Ein pausbäckiger Junge mit Locken und dicker Brille am Steuer eines mächtigen Cadillac voller riesiger Kartons, dessen Hinterachse unter dem Gewicht all dieser Computer ganz niedrig hing.
Und dann war da noch mein anderes Geschäft.
IBM-PCs verkauften sich vom Moment ihrer Markteinführung an wie verrückt, aber diese gewaltige Nachfrage führte zu allen möglichen Lieferengpässen bei den Läden, die das Produkt führten. Houston bestellte 10 000 Stück, Dallas weitere 10 000, Phoenix noch mal 10 000. Aber IBM konnte nicht alle Bestellungen rechtzeitig ausführen, deshalb erhielten einige dieser Händler nur 4000 oder 5000 Stück pro Lieferung. Daraufhin fingen sie an, Übermengen zu bestellen - also 20 000 oder 50 000 Computer pro Auftrag -, nur um das zu bekommen, was sie brauchten. Das Ergebnis war ein Handelschaos: Eine Stadt hatte viel zu hohe Lagerbestände, die andere nicht annähernd genug.
An dieser Stelle trat ich auf den Plan.
Ich weiß nicht, ob ich damals schon den Begriff Arbitrage kannte, aber das Konzept - nämlich dass ich mit diesen Bestandsdifferenzen Geld verdienen konnte - erschloss sich mir sofort. Ich erkannte, dass ich dazu nichts weiter tun musste, als in eine Stadt zu fahren, die einen Überschuss an PCs auf Lager hatte, einige davon zu kaufen und sie dann in eine andere Stadt zu bringen, die Fehlbestände hatte, und sie zu verkaufen. Klingt einfach? War es auch.
Das war der Anfang der Fly-and-Buys.
Ich machte große Händler ausfindig, die eine Übermenge an IBMPCs gekauft hatten, sagen wir ein ComputerLand in Phoenix, rief sie an und fragte, ob ich ihnen einige abnehmen könne. Das fanden sie gut - so gut, dass sie in vielen Fällen einwilligten, mir einen Teil ihres Überschusses für weniger als den Einkaufspreis zu überlassen. Ich buchte einen Flug mit Southwest Airlines nach Phoenix, mietete einen großen U-Haul-Lastwagen - was einem 18-Jährigen seinerzeit, ob Sie es glauben oder nicht, möglich war -, fuhr zu ComputerLand, gab ihnen einen Scheck und lud die 30 oder 40 PCs in den Lkw, um sie zu einem Laden zu fahren, der zu wenige hatte, zum Beispiel Businessland in Tucson, und ihnen meine Lkw-Ladung für 50 oder 70 oder 80 Dollar pro Stück mehr zu verkaufen, als ich dafür bezahlt hatte.
Ergebnis: sofortiger Gewinn von mehreren Tausend Dollar.
Hier halten Sie vielleicht inne, um im Geiste nachzurechnen. Hatte ein 18-Jähriger, der nicht mit Drogen handelte, tatsächlich 50 000 oder 60 000 Dollar in der Tasche, um sie für neue Computer auszulegen?
Antwort: ja. Mein PC-Nachrüstungsgeschäft lief so gut, dass ich ständig über Bargeld verfügte. Und mein Computerwiederverkauf war von Anfang an profitabel.
Nach kurzer Zeit entdeckte ich, dass man große Kisten sehr preiswert mit Greyhound-Bussen verschicken konnte. Wenn ich also ein Arbitragegeschäft zwischen Computerläden innerhalb von Texas abwickelte, konnte ich einem Ladenbesitzer in San Antonio mit zu vielen PCs auf Lager einen Scheck schicken, ihn seine Computer zur Busstation schicken und in den Greyhound laden lassen, um sie dann in Dallas oder Houston oder Austin persönlich abzuholen und zu dem Laden zu bringen, der mehr Geräte brauchte. Waren es mehr als fünf oder zehn Stück, fragte ich einen meiner Kumpels: »Hey, kommst du mit und hilfst mir, und ich geb dir ein bisschen Geld dafür?« Dann brachte er sein Auto mit und unterstützte mich.
Und so verging der Sommer. Ich ging nicht in San Marcos Schlauchboot fahren, aber ich verdiente gutes Geld.
Die Uni begann. Theoretisch war ich an der University of Texas für das Hauptfach Biologie eingeschrieben, auf dem besten Wege, nach dem Wunsch meiner Eltern Arzt zu werden.
Die Realität sah aber etwas anders aus.
Bis mein erstes Semester im August 1983 begann, führte ich von meinem Austiner Apartment aus ein florierendes Geschäft. Meine umoperierten IBM-Rechner verkauften sich fast genauso schnell, wie ich sie aufrüsten konnte. Die Wohnung war bis zur Decke vollgestopft mit Computern und Computerkartons, mit Zubehör und Ersatzteilen: Festplatten und Laufwerke und Speicherchips und Motherboards und Lötkolben.
Ich hatte einen Mitbewohner, David Myers, einen Freund aus Kindertagen in Meyerland. Meine Eltern kannten seine schon ewig und er und ich konnten einander gut leiden, deshalb schien das Zusammenwohnen eine gute Idee zu sein. Das Apartment hatte ungefähr 55 Quadratmeter: David und ich hatten je ein Schlafzimmer und ein kleines Bad und teilten uns die Kochnische und einen kleinen Wohnbereich. Mein wachsendes Lager von Computern und Zubehörteilen begann bald in den Wohnbereich hineinzuwuchern. Anfangs hatte David damit kein Problem.
Die erste Zeit ging ich zu meinen Seminaren. Ich besuchte Biologie oder Organische Chemie und hörte den Professor darüber schwadronieren, machte mir pflichtschuldigst Notizen, aber meistens sah ich aus dem Fenster und dachte darüber nach, wann ich mich wieder dem widmen könnte, was mich wirklich interessierte. Auch an den Universitätsaktivitäten nahm ich kaum teil. UT ist natürlich eine bekannte Football-Uni - Texas! -, und jedes Heimspiel sorgte für gewaltige Aufregung auf dem gesamten Campus. Ich sah mir genau eins an und ging nach der ersten Halbzeit. Ich hatte andere Eisen im Feuer.
Meine Zeitungsanzeigen führten zu Mundpropaganda unter angesehenen Computernutzern in der Gegend von Austin. Immer wieder ließen Ärzte, Anwälte und Architekten mich ihre PCs aufrüsten; ich arbeitete auch für einige der kleineren Unis in der Gegend. Ich weiß noch, wie die Southwestern University in Georgetown, rund 20 Meilen nördlich der Stadt, mir ein Dutzend Geräte abkaufte. Ich fuhr persönlich hin, um sie auszuliefern und einzurichten.
Interessant ist, dass ich keine Computer an Studenten verkaufte. Niemals. Die Studenten an der UT - jedenfalls jene, die ich kennenlernte -, hatten keine Ahnung von Computern und interessierten sich auch nicht dafür. Das war damals eine ganz andere Zeit.
Austin ist die Staatshauptstadt. Ich entdeckte, dass es nur drei Blocks vom Campus entfernt ein Büro gab, in dem der Staat Texas öffentliche Ausschreibungen vornahm. Nehmen wir an, die Autobahnverwaltung brauchte vier PCs mit bestimmten Spezifikationen. Jemand aus der Autobahnverwaltung ging dann in dieses Ausschreibungsbüro und füllte eine Anfrage für Gebote aus und diese Gebote wurden veröffentlicht. Es konnte also jeder (auch ich) in dieses Büro gehen und sagen: »Ich möchte gern alle Ausschreibungen für Arbeitsmaterial in den folgenden Kategorien sehen«, und dann bekam man diese Papiere. Nichts wurde elektronisch erfasst...