Schweitzer Fachinformationen
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Altern ist kein Verdienst, es geschieht. Vor mehr als 25 Jahren startete ich meine professionelle Beschäftigung mit dem Thema Entscheiden in Organisationen. Es war nicht geplant, dass mir das Entscheiden als Handwerk zu verstehen zur gereiften Erfahrung und Gewohnheit werden sollte. Kochen und Entscheiden haben Vieles gemeinsam - sie sind Handwerk, das alle lernen können; genauer: lernen, üben, experimentieren, meistern können. Learning by Doing ist meiner Erfahrung nach der König:innenweg.
Das Entscheiden-Handwerk entsteht im reflektierten Gebrauch der - zur jeweiligen Entscheidungssituation - passenden Auswahl an Instrumenten und Methoden. Alle der folgenden 8 spezifischen Regeln werden Ihnen, liebe Leser:innen, in allen Rezepten implizit immer wieder begegnen.
Handwerksregel 1: Richard Sennett (2008) verweist
»auf ein dauerhaftes menschliches Grundstreben: den Wunsch, eine Arbeit um ihrer selbst willen gut zu machen [.] Bei jedem guten Handwerker stehen praktisches Handeln und Denken in einem ständigen Dialog. Durch diesen Dialog entwickeln sich dauerhafte Gewohnheiten« (Sennett 2008, S. 19-20).
Sennett hat bei mir drei bleibende Erkenntnisse angestoßen: Zuerst ist es praktisch nützlich, Führen und Entscheiden als untrennbar verbundene Handwerke zu verstehen! Zweitens verbindet Entscheiden Denken mit Handeln und umgekehrt - oder nicht. Drittens, immer dann, wenn reflektiertes Entscheiden das Denken (Spüren, Erkennen) einer notwendigen Veränderung zum bewussten Handeln (Bewirken, auch Ausprobieren oder bewusstem Nicht-Handeln) führt, entsteht befriedigendes, kontinuierlicher, gemeinsames Lernen.
Handwerksregel 2: Innen wie Außen? Grundstürzende Veränderungen in unseren globalen Umweltbedingungen fordern uns auf, klüger und nachhaltiger entscheiden zu lernen - hoffentlich schnell. Einerseits wurzeln die Probleme von heute in den (gerade auch: nicht getroffenen) Entscheidungen von gestern, meist ohne dass wir uns dieser Spur bewusst wären. Andrerseits liegt auf der Hand, was uns die systemtheoretisch fundierten Hinweise des Club of Rome von vor mehr als 50 Jahren benennen, und was die VUKA-Bedingungen, die mittlerweile in vielen Wirtschaftsbereichen herrschen, zur Folge haben. Die Notwendigkeit, professioneller zu entscheiden ist in den letzten Jahren und Jahrzehnten sprunghaft gestiegen, ja geradezu explodiert. KI wird uns von dieser Notwendigkeit nicht befreien, sondern sie im Gegenteil dringlicher machen. Ich meine, es ist klug uns zu vergewissern, wie wir uns - auf breiter Kompetenzbasis und Mitverantwortung von möglichst vielen engagierten Menschen - handwerklich rüsten können, diesen tatsächlich noch nie da gewesenen Bedingungen gerecht zu werden, d. h. gemeinsam zu lernen, was wir bisher nicht können mussten. Dazu bietet dieses Buch viele Anstöße.
Auf einen besonderen Aspekt ist hinzuweisen: Es liegt auf der Hand, dass »nachhaltiges Verhalten« - und damit »nachhaltiges Entscheiden« immer dringender notwendig wird. Bisher waren und sind wir im reaktiven Lösen akuter Probleme ganz außerordentlich erfolgreich. Als Stichwort sei hier die Entwicklung eines Covid-Impfstoffs in Rekordzeit genannt. Diese rasche Lösungsfindung führt jedoch zu immer mehr neuen Bumerangs, sprich: unbeabsichtigten Nebenwirkungen. Im Englischen gibt es dafür die wunderbare Redewendung »kicking the can down the road«. Also geht es immer öfter darum gemeinsam entscheiden zu lernen, an den Wurzeln (»upstream«) anzusetzen, was proaktiv hilft, Probleme so früh zu lösen, dass sie nicht groß und chronisch werden bzw. strategisch von der Zukunft her zu entscheiden.
Handwerksregel 3: Den Blick erweitern. Es herrscht immer noch die Annahme vor, dass es primär auf die sogenannte Entscheidung als die Hammerfallsekunde, also dem Eingreifen der Mächtigen ankommt. Und die alte Regel »Wer zahlt, schafft an« gilt immer noch. Aber erst der weitere Blick zum Verständnis von Entscheiden als Prozess stößt die Tür auf zu einem gemeinsamen Lernen und Professionalisieren. Genau das wird in diesem Buch vorbildlich durchdekliniert.
Handwerksregel 4: »It all starts with you.« Entscheiden fordert und entwickelt den ganzen Menschen, sein Leben lang, sofern er etwas bewirken will. Selbstverantwortung beweist sich ultimativ im Entscheiden. Der Kopf bzw. Verstand allein lernt nicht, so sehr er es auch will, so brillant er auch sein mag. Im bestmöglichen Entscheiden bist du als ganzer Mensch mit all deinen Sinnen dein eigenes Instrument. Entscheiden ist in diesem Sinn eine Metakompetenz, die alle anderen Kompetenzen unterstützt und besser zur Wirkung bringt, was rechtfertigt, dass sie auch in HR und bei Führungskräften dauerhaft gefördert und gefordert wird.
Handwerksregel 5: Gutes, nachhaltiges Entscheiden ist ein sozial gelingender Vorgang. In unserer sogenannten westlichen Kultur haben wir mit der Muttermilch das beschränkte Erfolgsrezept aufgesaugt, dass der oder die Einzelne sich durchsetzen müsse. Aber immer mehr zeigt sich, dass die Pflege des Teamfokus und die Kraft des gemeinsamen Entscheidens dem Gestaltungswillen der einzelnen Führungskraft nicht im Weg stehen, ganz im Gegenteil: Das Lernen beginnt zu zweit und breitet sich dann aus.
Handwerksregel 6: Professionelles Entscheiden in Organisationen ist ein dickes Brett, das gegen starke Gewohnheiten ankämpft. Einerseits wirkt es als der treibende Motor für das Wachsen und Entwickeln von Menschen, Teams und Organisationen gleichermaßen. Und andererseits ist es ziemlich anspruchsvoll, Organisation - Team - Einzelne(r) als die eigenständigen Systemebenen zu verstehen, die in ihrem Zusammenspiel den Gesamterfolg hervorbringen. Die Chance liegt gerade eben in der Perspektivenvielfalt der drei Systemebenen. Durch einen professionell gestalteten, interaktiven Prozess werden »naturgegebene Fehlerquellen« (Biases) reduziert. Das gemeinsame Entscheiden im Team bzw. Netzwerk wirkt kräftig energetisierend als der Katalysator zwischen Engagement des einzelnen Teammitglieds und dem Erfolg der ganzen Organisation.
Handwerksregel 7: In Zeiten des Umbruchs ist es klug, dem Lernen tendenziell mehr Aufmerksamkeit zu schenken als dem Wissen. Zwei Seiten der Erfahrung von James March (2016) beschreibt zwei sehr verschiedenartige Entscheidungsarten. Idealtypisch ergänzen sich das pragmatische Optimieren und das flexible Innovieren in ihrem Wechselspiel hin zum beidhändigen Entscheiden und Führen an vielen Stellen in der Organisation. Durch Üben, Üben, Üben!
Handwerksregel 8: Mentor:innen und Moderator:innen. Diese zwei Initiativ-Rollen sind beim miteinander Entscheiden-Professionalisieren besonders wertvoll. Führungskräfte (Mentor:innen), denen das Fördern und Entwickeln ihrer Mitarbeiter:innen im Team besonders am Herzen liegt einerseits, und Moderator:innen, die Freude und Kompetenz spüren, wenn sie die besonderen Aspekte von Entscheidungsprozessen verstehen und begleiten andererseits. Im Ergebnis ist Entscheiden im Team die mit Abstand glaubwürdigste und wirkungsvollste Form von Empowerment.
Zurück zum Ausblick auf dieses Buch. Die Funktion und der Nutzen der Rezepte ist, dass sie Neulingen, Expert:innen und Profis gleichermaßen helfen. Rezepte sorgen dafür, dass die Speise genießbar wird, reproduzierbar, skalierbar, transparent, nachvollziehbar und doch den Raum für situative Würze lassen. Rezepte leben und entwickeln sich. Sie gehen eine genussvolle Verbindung mit Emotionen ein, wenn sie dürfen - äußerst empfehlenswert (die Basics des Decisio®-Prozessmodells).
Jedes noch so gute Fachbuch ist erstmal nur das Amuse-Gueule für das Hirn. Übung macht den Meister und füttert alle Sinne. Darum geht's in diesem Kochbuch: Anstöße zum Schmecken des Lernens mit allen Sinnen, die Verkostung der Differenz zwischen Wissen, Erkennen und Beherzigen, den Genuss der Erkenntnis, wie aus Wissen Erkennen, aus Erkennen Beherzigen und Gestalten erwächst - und daraus Lust auf die nächste Lernschleife zu kriegen!
Zum Abschluss meines Geleitworts noch ein paar persönliche Notizen. Wie mag sich meine bisherige Lernerfahrung - quasi als Vorkoster - weiterentwickeln? Wie verbinde ich sie mit den Rezepten?
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