Schweitzer Fachinformationen
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Beim Lesen dieses Kapitels werden Sie sich an einigen Stellen denken: „Das ist doch nicht meine/unsere Vorstellung von Ehe und Partnerschaft!“ Sie werden feststellen, dass das aktuelle österreichische Eherecht auch eine Geschichte hat – und in den tieferen Schichten weit ins vorige Jahrhundert zurückreicht. Rechtliche Bestimmungen spiegeln Werte und Normen wider, auf die sich eine Mehrheit in einem bestimmten gesellschaftlichen Kontext geeinigt hat. Dabei kann durchaus der Eindruck entstehen, dass die Normen und Moralvorstellungen, die hinter einer aktuellen rechtlichen Bestimmung zu finden sind, nicht zur Gänze den aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen oder persönlichen Vorstellungen entsprechen.
Ebenso ist es möglich, dass Paare im Lichte der aktuellen Gesetzgebung und der damit verbundenen Rechtsprechung mit Vorstellungen konfrontiert werden, die sie nicht oder in anderer Weise für sich definiert und geklärt haben. Wahrscheinlich werden Sie entdecken, dass dieser oder jener Aspekt gar nicht bedacht, besprochen und geklärt worden ist. Das kann sich auf die rechtliche Information beziehen, ganz wesentlich betrifft es aber Bedürfnisse und Emotionen. Nicht erst in der Krise machen Paare die Erfahrung, wie unterschiedlich sie sind und empfinden und wie fremd sie einander sein können trotz großer (Liebes-)Gefühle! In der Regel fällt uns zuerst das Fremde am anderen auf. Hier kann uns der schon erwähnte Perspektivenwechsel helfen: Wie erlebt der andere das, was mir vertraut und oft auch gar nicht mehr bewusst ist: Gerüche, Geräusche, Farben – aber auch Ziele, Werte und Bedürfnisse.
Am Ende dieses Kapitels finden Sie einige Ausführungen zu unterschiedlichen Bedürfnissen, Emotionen und Persönlichkeiten. Auch wenn wir dabei zunächst an den anderen denken, ist damit auch die Frage verbunden: Kenne ich mich eigentlich selbst? Ist mir bewusst, was mich anzieht oder abstößt, was mich fasziniert oder wovor mich ekelt? Dahinter stehen Bewertungen (vgl M. Rosenberg), Basis-Emotionen und Werthaltungen, die keinesfalls von allen geteilt werden müssen. Im Sinne von Konfliktprävention, vielleicht in einer aktuellen Krisensituation, können wir nur empfehlen, diese Klärung miteinander – angestoßen durch Elemente des Eherechtes – voranzutreiben.
Die eherechtlichen Bestimmungen finden sich einerseits im ersten Teil des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches (ABGB), zum anderen im Ehegesetz 1938, das als Sondergesetz neben dem ABGB gilt. Während das EheG 1938 vor allem das Eheschließungs- und Ehescheidungsrecht regelt, sind die übrigen Bestimmungen des Ehe- und Familienrechts im ABGB geregelt.
In § 44 ABGB wird der Ehebegriff definiert: „Die Familienverhältnisse werden durch den Ehevertrag begründet. In dem Ehevertrage erklären zwei Personen verschiedenen Geschlechts gesetzmäßig ihren Willen, in unzertrennlicher Gemeinschaft zu leben, Kinder zu zeugen, sie zu erziehen und sich gegenseitig Beistand zu leisten.“
Das Wesen der Ehe soll also nach dem Willen des Gesetzes in einer grundsätzlich lebenslangen und umfassenden Gemeinschaft liegen. Doch obwohl die Ehe auf Dauer angelegt ist, ist sie nicht mehr – wie früher – unauflösbar. Trotz des Umstands, dass das Zeugen und Erziehen von Kindern für den Gesetzgeber zu den erklärten Ehezielen gehören, sind selbstverständlich auch kinderlose Ehen voll gültig.
Seit 1975 basiert das Eherecht auf dem partnerschaftlichen Prinzip. Dies drückt das ABGB in seinem § 89 folgendermaßen aus: „Die persönlichen Rechte und Pflichten der Ehegatten sind im Verhältnis zueinander gleich.“
Grundsätzlich sind die ehelichen Rechte und Pflichten vom Gesetz zwingend geregelt, wie etwa die Beistandspflicht und die umfassende Lebensgemeinschaft. Soweit dies aber nicht zutrifft, unterliegen sie der Disposition der Ehegatten. Die Pflichten der Ehegatten sind vor allem im § 90 ABGB normiert. Diese Vorschrift spricht aus, dass die Ehegatten einander zur umfassenden ehelichen Lebensgemeinschaft verpflichtet sind, die besonders die Verpflichtung zum gemeinsamen Wohnen, zur ehelichen Treue, zur anständigen Begegnung und zum Beistand umfasst.
Gemäß § 91 ABGB sollen die Ehegatten ihre eheliche Lebensgemeinschaft, besonders die Haushaltsführung und die Erwerbstätigkeit, unter Rücksichtnahme aufeinander und das Wohl der Kinder einvernehmlich gestalten. Das partnerschaftliche Prinzip wurde durch das EheRÄG 1999 noch insofern verdeutlicht, als seither festgelegt ist, dass die Erwerbs- und Haushaltstätigkeit mit dem Ziel voller Ausgewogenheit der Beiträge einvernehmlich gestaltet werden soll (§ 91 Abs 1 ABGB). Diese stärkere Verankerung der Pflicht zur gleichen Aufgabenteilung in der Ehe soll nach dem Willen des Gesetzgebers vor allem der Bewusstseinsbildung in der Gesellschaft dienen. Obwohl der Grundsatz der Familienautonomie gilt, ist nicht zu unterschätzen, dass von einer solchen gesetzlichen Verankerung zumindest eine Signalwirkung ausgeht. Mit der Normierung der partnerschaftlichen Aufgabenteilung kann selbstverständlich nicht in Bezug auf jeden einzelnen Aufgabenbereich eine Pflichterfüllung genau zur Hälfte angestrebt werden, es soll aber insgesamt eine gerechtere Lastenverteilung erreicht werden.
Das Gesetz geht zwar von der Verpflichtung aus, Einvernehmen zu erzielen, doch kann eine solche Einigung ja nicht gesetzlich angeordnet werden. Die Ehegatten können sich daher nur um ein entsprechendes Einvernehmen bemühen. Der einvernehmlichen Gestaltung der Ehegemeinschaft sind aber vielfach Grenzen gesetzt: einerseits durch das zwingende Recht des § 44 ABGB, anderseits durch die Rücksichtnahme aufeinander und das Wohl der Kinder.
Von bestimmten „Rahmenpflichten“, die das Wesen der Ehe ausmachen, können die Ehegatten nicht abweichen. So sind etwa nach dem Grundsatz der umfassenden Lebensgemeinschaft die Treue- und Beistandspflicht als unverzichtbare Prinzipien anzusehen. Nach der überwiegenden Judikatur verstoßen etwa ein getrenntes Wohnen ohne sachliche Gründe oder die Vereinbarung einer Sexualfreiheit zwischen den Ehegatten gegen das Wesen der Ehe und sind somit unzulässig. Andererseits muss die Ehegattenautonomie auch dort ihre Grenze finden, wo es um die Rücksichtnahme aufeinander oder das Wohl der Kinder geht. Eine Vereinbarung wäre etwa rücksichtslos, wenn sie einen Ehepartner wesentlich benachteiligen würde – etwa wenn der alleinverdienende Ehepartner sich auch noch um den gesamten Haushalt kümmern muss.
Nach dem Prinzip der staatlichen Nichteinmischung in die Privatsphäre der Ehegatten kann aber, wenn keine Einigung zu erzielen ist – außer bei der Frage nach der Wohnsitzverlegung oder der Kindererziehung –, das Gericht über die rein persönlichen Rechte und Pflichten (zB Haushaltsführung) der Ehegatten nicht unmittelbar angerufen werden.
Die Ehegatten müssen die Aufteilung der Aufgaben nicht unbedingt ausdrücklich vereinbaren, dies kann auch stillschweigend (konkludent) erfolgen, indem sie faktisch eine Rollenverteilung für einen längeren Zeitraum vornehmen. Eine einvernehmlich erzielte Regelung muss aber nicht für die Gesamtdauer der Ehe Gültigkeit haben. Davon können die Ehepartner einvernehmlich jederzeit wieder abgehen. Aber auch einem Ehegatten allein steht es grundsätzlich zu, einseitig von der einvernehmlichen Lebensgestaltung abzugehen, wenn dies wegen seiner Persönlichkeitsentfaltung notwendig erscheint. So kann etwa die Frau, die bisher den Haushalt geführt hat und sich nun dadurch in ihrer persönlichen Entwicklung erheblich eingeengt fühlt, einer Berufstätigkeit nachgehen. Nach der Judikatur ist es aber unzulässig, dass ein Ehegatte gegen den Widerspruch des anderen Ehegatten einseitig von der Vereinbarung abgeht, wenn dies den berechtigten Interessen des anderen entgegensteht. Jedenfalls ist ein einseitiges Abgehen dann nicht möglich, wenn ein solches Vorgehen gegen die Rücksichtnahme aufeinander oder gegen das Wohl der Kinder verstößt.
Seit dem EheRÄG 1999 ist – durch Einfügung eines neuen § 91 Abs 2 ABGB – ein einseitiges Abgehen von der Gestaltungseinigung wegen wichtiger persönlicher Gründe leichter möglich. Besonders der Wunsch nach Aufnahme einer Erwerbstätigkeit wird als so ein gewichtiger Grund im Gesetz explizit angeführt. Das einseitige Abgehen darf allerdings nicht einem wichtigen Anliegen des anderen oder dem Kindeswohl entgegenstehen. Im Fall eines berechtigten Änderungsverlangens haben sich die Ehegatten wieder um ein Einvernehmen über die Neugestaltung ihrer ehelichen Lebensgemeinschaft zu bemühen.
Auch Verstöße gegen eine gemeinsame Vereinbarung sind nicht unmittelbar klagbar. Gerichtlich verfolgbar sind nur vermögensrechtliche Ansprüche, wie Unterhalt oder die Abgeltung der Mitwirkung im Erwerb.
In sehr eingeschränktem Ausmaß anerkennt die Rechtsprechung bei Verstößen gegen rein persönliche Rechte und Pflichten Schadenersatzansprüche, wie etwa bei einer Treuepflichtverletzung den Ersatz der Detektivkosten oder die Verfahrenskosten einer Ehelichkeitsbestreitung.
Aber auch, wenn das Gericht in den meisten Fällen nicht unmittelbar angerufen werden kann, bleibt ein vereinbarungswidriges Verhalten nicht sanktionslos. Im Rahmen eines Scheidungsverfahrens kann es als Eheverfehlung im Sinne des § 49 EheG aufgegriffen werden.
TIPP
Will ein Ehegatte von einer gemeinsam geübten Praxis abgehen, so soll er dies vorzugsweise in Absprache mit dem Partner bzw der Partnerin tun,...
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