Schweitzer Fachinformationen
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O Jüngling,
Du errötest vor mir.
Komm. Es gibt andere Spiele.
Es gibt andere Spiele als die der Kindheit.
André Chénier:
Mit einer verwirrenden Beharrlichkeit blickte der Junge auf ihre Beine, die sie unter dem Pult übereinander geschlagen hatte. Sie wagte nicht mehr, sich zu rühren, weil sie fühlte, daß er auf die geringste Bewegung lauerte, die es ihm erlauben würde, einen Blick auf das zu erhaschen, was zwischen ihren Schenkeln war. Sie verwünschte die Mode, die schon wieder die Röcke kürzer machte. Und ausgerechnet heute trug sie während des Unterrichts keine Jeans! Sie war ärgerlich über sich selbst, daß sie dem Wunsch ihres neuen Geliebten nachgegeben hatte, der Philosophielehrer am Louis-le-Grand war. Wenn sie doch wenigstens eine Strumpfhose angehabt hätte! Aber nein, einzig um ihm zu gefallen hatte sie diesen lächerlichen schwarzen Strumpfhalter angezogen, den zu tragen sie nur einwilligte, um ihren Spielchen den nötigen Pfeffer zu geben. Und das war noch nicht alles. Sie trug auch keinen Slip. Sie war sich sicher, daß dieser verdammte Bengel das erraten hatte, als sie vorhin, ohne auf ihre Bekleidung zu achten, einen Fuß auf ihren Stuhl gestellt hatte, wie sie es oft tat, wenn sie die Noten ihrer Schüler erläuterte. Er hatte eine Art, sie anzusehen, daß sie eine Gänsehaut bekam.
Seit Beginn des neuen Schuljahrs hatte sie diesem eher schweigsamen Jungen, der sich von Anfang an in die erste Reihe gesetzt hatte, keine sonderliche Beachtung geschenkt. Er war ein mittelmäßiger Schüler, der weder über eine spezielle Begabung verfügte noch besondere Schwierigkeiten machte und den Unterricht mit einer Gleichgültigkeit verfolgte, die sie für gespielt hielt. Er sah ziemlich gut aus, war dreizehn oder vierzehn Jahre alt, hatte krause kastanienbraune Haare, die nicht oft mit einem Kamm in Berührung kamen, sehr dunkle Augen, deren Ernst in dem runden, noch kindlichen Gesicht überraschten. Da er mittelgroß war, sich ein wenig gewollt lässig hielt und, wie alle seine Kameraden, mit Jeans, T-Shirt und Windjacke bekleidet war, glich er allen Jungen seines Alters. Und doch passierte es ihr, daß sie sich, als sie seinen Blick spürte, mitten in ihrer Klasse gänzlich nackt fühlte.
Sie war rot geworden wie schon lange nicht mehr. Was für ein kleiner Blödmann, dachte sie, hat er noch nie eine Frau gesehen? In einer Anwandlung von schlechter Laune nahm sie die Beine auseinander. Dann schloß sie sie plötzlich wieder. Er macht mich nervös, ich werde ihn vor die Tür setzen. Wäre doch nur die Stunde schon aus . noch fünfzehn Minuten. Aber was macht er denn? . Warum hat er seine Hände unter dem Tisch? Ob er sich einen wichst? . Ich bin sicher, daß er sich einen wichst . Das sind mir schöne Manieren, in der Klasse, vor seinen Kameraden!
«Trémollet, bringen Sie mir Ihre Arbeit!»
Ah, da würde sie was zu lachen haben, wenn sie zusehen könnte, wie er seine Kleidung wieder in Ordnung brachte! Doch er erhob sich ohne das geringste Zeichen von Verlegenheit und ohne die geringste Unordnung in seinen Kleidern, nahm sein Heft, brachte es ihr gemächlich und schweigsam auf seinen weißen Sportschuhen.
«Sie haben nicht geschrieben. Warum?»
«Ich habe die Aufgabe nicht verstanden.»
«Das hätten Sie vorher sagen sollen! Bleiben Sie nach der Stunde hier. Ich werde es Ihnen erklären.»
Was war nur über sie gekommen, daß sie das gesagt hatte? Sie war vollkommen verrückt, mit einem sexbesessenen Knaben allein zu bleiben! Doch dann kam es ihr in den Sinn: Du bist diejenige, Mädchen, die sexbesessen ist. Hast du wirklich gesehen, wie dieser Junge sich einen wichste? Das ist wie mit deinen Schenkeln. Deine Schenkel sind ihm völlig schnuppe.
Erleichtert stellte sie absichtlich ihre Beine auseinander und tat so, als ob sie lesen würde. Sie glaubte zu hören, wie der Bengel seinen Speichel herunterschluckte. Sie spürte, wie sein Blick das betastete, was zwischen ihren Beinen war, ihre Schamlippen auseinanderdrückte, auf ihre Klitoris starrte und dann ins Innere ihres Bauchs eindrang. Sie schloß die Augen, ihr Mund öffnete sich halb, ihre straffen Brüste schmerzten wonnig. Sie war verrückt darauf zu vögeln. Sie öffnete ihre Augen wieder und ihre Beine. Ich bin eine Schlampe, sagte sie sich, habe ich es denn nötig, diesen armen Kleinen zu provozieren? Die anderen werden es schließlich noch merken.
Die Stunde ging ohne Zwischenfall zu Ende. In dem üblichen Tohuwabohu räumten die Schüler ihre Sachen auf und gingen sich drängelnd und johlend hinaus. Trémollet blieb sitzen. Das plötzliche Schweigen, das auf dem Klassenzimmer lastete, brachte sie ein wenig zur Vernunft. Doch die Heftigkeit ihrer Begierde verjagte jeden Gedanken an Vorsicht. Sie setzte sich hinten ins Klassenzimmer.
«Kommen Sie zu mir, Trémollet! Bringen Sie Ihr Buch und Ihre Hefte mit.»
Unbefangen wie vorher kam der Junge näher und setzte sich neben seine junge Mathematiklehrerin.
«Was verstehen Sie denn nicht, mein kleiner Trémollet?»
«Das.» Und er legte seine Hand auf den Schenkel der jungen Frau.
«Das!» sagte sie mit versagender Stimme, nahm die Hand mit den abgekauten Fingernägeln und führte sie unter ihren Rock. Zusammen erreichten ihre beiden Hände die zarte Haut oberhalb des Strumpfs. Die Finger des Jungen drückten sich boshaft hinein.
«Hör auf . du tust mir weh!»
Die Finger drangen weiter vor und hielten bei dem feuchten Pelz an.
«Warum hältst du an?»
«Hier können wir nicht bleiben, weil gleich geputzt wird.»
«Das stimmt. Ich hatte es vergessen . Wohin willst du?»
«Kommen Sie. Ich weiß, wo ein ungestörter Ort ist.» Er hielt seine Finger, die nach Frau rochen, an seine Nase. «Ich mag das . Es riecht gut .»
Und frühreif noch dazu, dachte sie. Sie nahm die Hefte von ihrem Schreibtisch, stopfte sie in die Einkaufstasche, die ihr als Aktentasche diente, folgte Trémollet und schloß die Tür.
Er schien das alte Gymnasium vom Speicher bis zum Keller zu kennen. Er stieg Treppen hinauf und wieder hinunter, wandte sich nach rechts, dann nach links, ging über einen Hof, durch Küchen, einen Speisesaal und blieb schließlich vor einer Tür stehen. Er wandte sich seiner Lehrerin zu, die gänzlich außer Atem war.
«Hier ist es», sagte er und stieß die Tür auf.
Ein Geruch nach fauligem Wasser, vermodernden Putzlappen, kaltem Öl, feuchter Kreide, schmutzigen Füßen, Desinfektionsmitteln und Chlorwasser stieg ihr in die Nase.
«Aber wo sind wir hier eigentlich? Das ist ja ekelhaft .»
«Hier riskiert man nichts bis morgen früh. Es ist die Besenkammer, die zu der Kantine der Externen gehört. Hier kommt von vier Uhr nachmittags an niemand rein.»
«Es ist vielleicht ruhig, aber es stinkt hier.»
«Sie werden schon sehen. Man gewöhnt sich daran», sagte er, stieß sie in die Kammer und schloß die Tür hinter ihnen.
Jetzt waren sie im Dunkeln. Sofort preßte er sich an sie. Gereizt stieß sie ihn weg.
«Du willst uns doch nicht im Dunkeln lassen. Mach das Licht an!»
«Hier gibt es kein Licht, aber neulich habe ich gesehen, daß auf einem Regal Kerzen lagen . Haben Sie Streichhölzer?»
Sie wühlte in ihrer Handtasche und fand schließlich ihr Feuerzeug. Das schwache Licht erhellte flimmernd den Verschlag. Er fand ohne große Schwierigkeiten das Paket mit den Kerzen. Zwei waren übriggeblieben. Der Junge zündete eine davon an, ließ etwas Wachs auf eine Ecke des Regals fallen und befestigte dort die Kerze.
Die fehlende frische Luft und diese faden und säuerlichen Gerüche verursachten der jungen Frau Übelkeit und erweckten gleichzeitig Erinnerungen in ihr, die sie für immer in ihrem Gedächtnis begraben glaubte. Sie war wohl fünf oder sechs Jahre alt, ging in Nancy bei Ordensschwestern zur Schule und hatte eine Lehrerin, Mademoiselle Jeanne, die besonders abstoßend war: eine alterslose alte Jungfer, die immer schlampig angezogen war, ihre dicken grauen Strümpfe hingen um ihre mageren Beine herum, an den Füßen trug sie klobige schwarze Schuhe, die fettigen und dünnen Haare hatte sie oben auf dem Kopf zu einem kümmerlichen Knoten gezerrt, ihre Haut war fahl und oft mit Pickeln und Mitessern übersät, die dünnen Lippen verkniffen sich über einem Pferdegebiß, kleine schwarze Augen, die nahe beieinander standen, verrieten eine absolute Bosheit: das war Mademoiselle Jeanne. Sie verabscheute die Kinder und besonders diejenigen, die hübsch und gut gekleidet waren. Sie wußte nicht, was sie alles erfinden sollte, um sie zu bestrafen und zum Weinen zu bringen. In mehreren Jahren Lehrtätigkeit hatte sie es zu einer Meisterschaft in der Kunst des Sadismus gebracht. Wie alle hübschen kleinen Mädchen hatte die Mathematiklehrerin ein Anrecht auf gekonntes Kneifen, Haareziehen, Schlägen mit dem Lineal auf Finger, Waden und den blanken Hintern, auf langes Knien in einer Ecke des Klassenzimmers oder unter dem Pult der Lehrerin, eingeklemmt zwischen den grauen Beinen, die sich zusammendrückten und wieder auseinandergingen und, wie aus Vergeßlichkeit, gegen das Kind stießen und dabei säuerliche Gerüche frei machten, die in der Unterwäsche und den Röcken der alten Jungfer hingen. Aber die schlimmste Strafe war es, in die Besenkammer eingesperrt zu werden. Da mußten hauptsächlich die Kinder rein, die eine große Dummheit gemacht hatten: Flecken im Heft, eine freche Antwort, Pipi in die Hose und andere schwerwiegende Verfehlungen. Alle kleinen Schüler hatten eine schreckliche Angst vor der Besenkammer. Sie waren bereit, jede andere Bestrafung zu erdulden...
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