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Leugnen will ich ja nicht, daß Räubereien und ähnliche schlimme Dinge an der Tagesordnung waren. In gewissen Menschen ist die Habsucht so stark, daß sie auf jede Gefahr hin stehlen und rauben. Besonders in Häuser, von wo alle Inwohner schon als Leichen hinausgetragen worden waren, pflegten sie einzubrechen, ohne an die Ansteckungsgefahr zu denken, und schleppten selbst die Kleider der Gestorbenen und ihr Bettzeug fort.
So war es der Fall bei einer Familie in Houndsditch, wo man einen Mann und seine Tochter, deren Angehörige schon früher dem Leichenkarren verfallen waren, splitternackt in zwei Kammern auffand, tot auf der Erde, während all das Bettzeug verschwunden war. Wahrscheinlich hatten die Diebe die Leichen von den Betten heruntergeworfen und liegen lassen.
Bemerkenswert ist, daß während der ganzen Pestzeit die Weiber sich vor allen durch ihre Verworfenheit auszeichneten. Da eine Menge von ihnen als Pflegerinnen untergekommen war, hatten sie Gelegenheit, zu stehlen, wo es nur anging. Einige wurden öffentlich ausgepeitscht, statt daß man sie zum warnenden Beispiel gehängt hätte. Bis endlich die Kirchspielbeamten beauftragt wurden, die Pflegerinnen für die Kranken auszusuchen und sich erst nach ihrer Tauglichkeit zu erkundigen, so daß sie zur Rechenschaft gezogen werden konnten, wenn in dem betreffenden Hause etwas Verdächtiges vorkam.
Freilich erstreckten sich diese Diebstähle meist nur auf Kleider, Bettzeug und etwa herumliegendes Geld und Kostbarkeiten; zu einer allgemeinen Ausplünderung des Hauses kam es nicht. Von einer Pflegerin könnte ich erzählen, die später auf ihrem Totenbette mit dem größten Abscheu die Räubereien eingestand, die sie während der Ausübung ihres Berufes begangen hatte, und durch die sie recht wohlhabend geworden war. Was aber Morde anbelangt, so glaube ich nicht, daß außer den schon berichteten, irgendwelche sonst sich ereigneten.
Allerdings wurde mir von einer Pflegerin erzählt, die ein nasses Tuch auf das Gesicht der Kranken drückte, und sie so umbrachte, und von einer andern, die ein junges Frauenzimmer erstickte, als es ohnmächtig dalag, auch von sonstigen Greueltaten durch Verhungernlassen und was dergleichen mehr ist, aber diese Geschichten hatten immer zwei Eigenheiten, die sie verdächtig machten, einmal, daß ihr Schauplatz bei näherer Erkundigung stets an das andere und entfernteste Ende der Stadt verlegt wurde, dann, daß die Einzelheiten unweigerlich dieselben waren, so bei der Geschichte von dem nassen Tuch und der Erwürgung des jungen Frauenzimmers. Ich für meinen Teil wenigstens bin überzeugt, daß mehr vom Märchen als von Wahrheit darin war. --
Ein Bekannter aus meiner Nachbarschaft, der Geld von einem Ladenbesitzer in der Whitecroß-Straße zu fordern hatte, schickte seinen Lehrling, einen Jungen von etwa 18 Jahren, hin, um den Versuch zu machen, zu seinem Gelde zu kommen. Der Junge kam an die Tür, und da er sie verschlossen fand, pumperte er mit Gewalt dagegen. Er glaubte auch, irgend etwas innen zu hören, da er aber nicht sicher war, so wartete er eine Weile und wiederholte den Lärm so lange, bis er jemand die Treppe herabkommen hörte.
Endlich erschien der Hausherr an der Türe. Er hatte nur seine Unterhosen an, eine gelbe Flanellweste, keine Strümpfe, dagegen ein paar Pantoffel, eine weiße Mütze auf dem Kopfe und, wie der Junge sagte, auf seinem Gesichte den Tod.
»Warum läßt du mich nicht in Ruhe?« fragte er, während er die Türe öffnete. Der Junge antwortete ein wenig verlegen, er käme von dem und dem, um die Schuld einzutreiben, von der jener wohl wissen werde. »Schön, mein Junge,« sagte die lebende Leiche, »geh', wenn du vorbeikommst, bei der Cripplegate-Kirche vor, und sage dort, man solle die Glocke läuten.« Damit schloß er die Türe, ging wieder hinauf und starb noch den gleichen Tag, vielleicht sogar in derselben Stunde. Der Junge hat's mir selber erzählt, und ich habe keinen Grund, ihm nicht zu glauben. Damals war die Seuche noch nicht auf ihrer Höhe. Es muß, scheint mir, im Juni gewesen sein, als man die Leichenkarren noch nicht eingeführt hatte, und noch die Glocke für jeden Toten läutete. Schon im Laufe des Juli wurde das anders, denn bei einer wöchentlichen Sterbeziffer von über 550 mußte man wohl oder übel mit den richtigen Beerdigungen aufhören, ob es sich um arm oder reich handelte. --
Ich habe schon erzählt, daß die Diebereien und Räubereien hauptsächlich von Weibern ausgeführt wurden. Eines Tages, ungefähr um die elfte Stunde, kam ich zu dem Hause meines Bruders in der Coleman-Straße, wohin ich öfters ging, um zu sehen, ob alles in Ordnung wäre. Vor dem Hause befand sich ein kleiner, mit einer Ziegelsteinmauer umgebener Hof, zu dem eine Türe führte. In dem Hof waren mehrere Schuppen, worin mein Bruder seine Waren aufbewahrte. In dem einen befanden sich einige Kisten mit hohen Deckelhüten für Frauen, die auf dem Lande, ich glaube für den Export, gemacht wurden.
Als ich mich dem Hause meines Bruders näherte, war ich erstaunt, drei oder vier Frauen zu begegnen, die hohe Deckelhüte auf dem Kopfe trugen; eine oder zwei von ihnen hatten auch noch welche in der Hand. Da ich sie aber nicht aus dem Hause selbst kommen sah, auch nicht wußte, daß mein Bruder solche Hüte führte, sprach ich sie nicht an, sondern ging meines Weges weiter im Bogen um sie herum, wie man's aus Angst vor der Ansteckung jetzt gewöhnlich tat. Als ich aber an die Tür kam, traf ich auf noch eine Frau mit gleich ein paar von diesen Hüten in der Hand. »Darf ich wissen, werte Frau, was Ihr hier zu suchen habt?« fragte ich. »Es sind noch mehr Leute hier,« antwortete sie, »und ich habe hier ebensoviel zu suchen wie jene.« Auf das hin schwieg ich und beeilte mich, an die Tür zu kommen, und die Frau ging weg. Gerade, als ich an der Tür war, sah ich zwei weitere Frauen über den Hof kommen, auch mit Hüten auf dem Kopfe und unter dem Arme. Nun schlug ich die Tür hinter mir zu, die einschnappte, und wandte mich an die beiden. »Was habt ihr hier zu tun?« fragte ich und nahm ihnen die Hüte weg. Die eine von ihnen sah gar nicht nach einer Diebin aus, das muß ich gestehen. »Es war wohl unrecht von uns,« entgegnete sie, »aber man sagte uns, daß die Sachen hier herrenlos wären. Nehmt sie nur wieder und seht dorthin, wenn's Euch beliebt, dort gibt's noch mehr Kunden.« Sie fing dabei zu weinen an und machte dazu ein so jämmerliches Gesicht, daß ich die Türe öffnete und die zwei gehen hieß, denn sie taten mir wirklich leid. Als ich dann aber nach dem Schuppen zu schaute, erblickte ich sechs oder sieben andere, die sich alle mit Hüten ausstaffierten, so ruhig und unbefangen, als wenn sie bei einem Hutmacher wären und für ihr gutes Geld etwas kauften.
Ich war nicht wenig in Verlegenheit, die andern aber auch, wenn auch nicht aus demselben Grunde. Sie meinten alle, sie kämen aus der Nachbarschaft, hätten gehört, daß es hier Sachen gäbe, die niemand gehörten und mehr dergleichen. Zuerst fuhr ich gewaltig auf sie los, ging zur Türe, schloß ab und drohte, sie alle im Schuppen einzusperren und dann die Polizei herbeizuholen. Nun verlegten sie sich aufs Bitten, sagten, sie hätten die Tür offen gefunden, und sicher wäre schon früher jemand eingebrochen, der es auf viel Wertvolleres abgesehen hatte. Unwahrscheinlich war das gerade nicht, denn das Schloß war kaput und das Vorhängeschloß auch verdorben, und schließlich waren noch nicht recht viele Hüte gestohlen worden. So überlegte ich mir denn, daß man in einer solchen Zeit nicht so strenge sein dürfe, und daß ich im Falle einer Anzeige ein ewiges Herumgelaufe hätte, von einem zum andern, über deren Gesundheit ich nichts wußte, und daher leicht, statt einen Schadenersatz zu bekommen, mein eigenes Leben verlieren könne. Ich begnügte mich also, die Namen und Wohnungen von einigen aufzuschreiben und ihnen anzudrohen, daß mein Bruder sie zur Rechenschaft ziehen würde, wenn er zurückkehrte.
Dann zog ich andere Saiten auf und fragte sie, woher sie den Mut hernähmen, in dieser Unglückszeit und angesichts von Gottes Gericht, sich so aufzuführen. Vielleicht stände die Pest schon vor ihrer Türe oder wäre schon ins Haus gedrungen, und der Leichenkarren hielte in wenigen Stunden davor, um sie auf den Kirchhof zu bringen.
Ich kann nicht sagen, daß meine Rede einen großen Eindruck auf sie machte. Später kamen noch zwei Männer aus der Nachbarschaft, die von dem Vorfall gehört hatten und einige der Frauen kannten. Sie konnten mir ihre Namen und Wohnungen angeben; es scheint aber nicht, daß die Frauen mich vorher, als ich diese niederschrieb, angeschwindelt hatten. Bei diesen beiden Männern fällt mir etwas Merkwürdiges ein. Der eine hieß John Hayward und war seines Zeichens zweiter Küster im Kirchspiel von St. Stephan, wobei unter »zweiter Küster« damals der Totengräber und Leichenträger verstanden wurde. Er...
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