Schweitzer Fachinformationen
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Es ist nicht so, dass ich das Leben als Dirne gewählt hatte. Vielmehr erwählte das Dirnenleben mich.
Als ich an jenem Morgen im Spätfrühling auf den Parkplatz der Willow Creek High School rollte, hatte ich so gut wie nichts mehr in meinem Terminkalender stehen. Keine Arzttermine meiner großen Schwester, keine Schulveranstaltungen, zu denen ich ihre Tochter kutschieren musste. Das Einzige, was noch anstand, war, meine Nichte zur Anmeldung für das Mittelalterfestival zu bringen. Wir waren fünf Minuten zu spät dran, es lief also bis jetzt großartig.
Caitlin schnaubte auf dem Rücksitz, als ich meinen kleinen weißen Jeep abstellte. «Em, wir kommen zu spät!» Sie brachte es fertig, sowohl meinen Namen als auch das letzte Wort auf mindestens drei Silben auszudehnen. «Was, wenn ich mich nicht mehr eintragen darf? Alle meine Freundinnen sind dabei, und wenn ich nicht mitmachen kann, dann werde ich .»
«Die werden dich bestimmt noch mitmachen lassen.» Aber natürlich war sie schon aus dem Auto gesprungen, bevor ich überhaupt meinen Sicherheitsgurt gelöst hatte. Ich würde sie nicht zurückrufen. Diese Art von Autorität hatte ich nicht bei ihr. Ich war gerade mal zehn Jahren älter als sie und eher eine große Schwester als eine Tante. Anfangs, direkt nachdem ich bei meiner älteren Schwester und ihrer Tochter eingezogen war, hatte April noch versucht, Cait dazu zu bringen, mich «Tante Emily» zu nennen, aber das war nur einen Katzensprung von Tante Em und Witzen über den Zauberer von Oz entfernt, also hatten wir das schnell wieder aufgegeben. Meine Beziehung zu ihr hatte sich eher zu einer Freundschaft entwickelt, mit gelegentlichen Annäherungen an die Rolle als verantwortungsvolle Erwachsene.
Genau diese verantwortungsvolle Erwachsene erwachte in diesem Moment in mir zum Leben. Auf keinen Fall würde ich eine Vierzehnjährige in einer derart seltsamen Situation allein lassen, selbst wenn es ihre eigene Highschool war. Also schnappte ich mir meinen Kaffeebecher aus dem Halter und lief ihr hinterher. Sie konnte noch nicht weit sein.
Auf halber Strecke über den Parkplatz klingelte mein Handy in meiner Handtasche. Ich fischte es im Gehen heraus.
«Seid ihr gut hingekommen?»
«Ja, alles bestens. Hoffentlich wird das nicht allzu lange dauern.»
«Oh Gott, du brauchst doch nicht zu bleiben.» April klang leicht entsetzt bei der Vorstellung. «Du setzt sie nur dort ab und kannst dann wieder heimkommen.»
Ich hielt den Atem an und versuchte, ihren Tonfall trotz des beschissenen Handyempfangs zu analysieren. Die letzten paar Tage waren hart gewesen, da sie angefangen hatte, die Schmerzmittel allmählich abzusetzen. «Alles okay?» Ich versuchte, so beiläufig wie möglich zu klingen. «Brauchst du mich zu Hause?»
«Nein .» Ihre Stimme verstummte, und ich blieb stehen und lauschte angestrengter.
«April?»
«Nein, nein, Emily. Es geht mir gut. Ich bin genau da, wo du mich zurückgelassen hast, auf dem Sofa mit Kaffee und der Fernbedienung. Ich will nicht, dass du das Gefühl hast, du müsstest .»
«Ist schon gut. Wirklich. Genau deswegen bin ich doch hier - um dir zu helfen.»
Eine weitere Pause. Ein weiteres Seufzen. «Ja. Das weiß ich doch .» Ich hörte regelrecht, wie sie mit den Schultern zuckte. «Ich habe ein schlechtes Gewissen. Eigentlich sollte ich mich um diese Sachen kümmern.»
«Ja, nun, das kannst du aber nicht.» Ich bemühte mich, so fröhlich zu klingen, wie ich konnte. «Zumindest noch ein paar Monate lang nicht, schon vergessen? Ärztliche Anweisung. Außerdem bin ich doch für genau diese hier, oder nicht?»
«Ja.» Jetzt lag ein Zittern in ihrer Stimme, für das ich die Schmerzmittel verantwortlich machte. Ich würde froh sein, wenn sie von diesem Mist endlich wieder runter war. Es machte sie so weinerlich.
«Trink deinen Kaffee und such dir irgendwas Furchtbares im Fernsehen, okay? Ich mach uns was zum Mittagessen, wenn wir heimkommen.»
Ich legte auf, stopfte mein Handy wieder in die Handtasche und verfluchte erneut den Autofahrer, der in jener Nacht die rote Ampel überfahren hatte. Vor meinem inneren Auge tauchte das Bild von Aprils SUV auf dem Schrottplatz auf, diesem verbogenen Haufen aus silbernem Metall, und ich verdrängte es schnell wieder. Caitlin hatte auf dem Rücksitz geschlafen, und wie durch ein Wunder war sie mit nichts weiter als ein paar blauen Flecken und einem verstauchten Knöchel davongekommen.
Meine Schwester hatte nicht so viel Glück gehabt. Mom war bei ihr gewesen, während sie auf der Intensivstation lag, und als April eine Woche später aus dem Krankenhaus entlassen worden war, war ich bei ihr eingezogen, damit Mom wieder heim zu Dad nach Indiana konnte. Meine ältere Schwester brauchte eine Pflegerin, und meine Nichte brauchte eine Erwachsene, die mobil war, also würde ich noch eine ganze Weile bleiben.
Und was mich betraf . Ich hatte dringend einen Tapetenwechsel gebraucht. Ein paar Wochen vor dem Unfall hatte ich nicht nur meinen Freund und meine Wohnung verloren, sondern auch all meine Pläne für die Zukunft. Willow Creek, Maryland, war ein ebenso guter Ort wie jeder andere, um meine Wunden zu lecken, während ich mich um April und ihre Verletzungen kümmerte. Wir befanden uns inmitten eines Weinanbaugebiets, und es gab nichts als sanfte grüne Hügel, durchsetzt mit kleinen Städtchen wie diesem hier, mit seinen bezaubernden Läden und freundlichen Bewohnern.
Ich beschleunigte meine Schritte, stieß die Flügeltüren der Highschool auf und holte Caitlin schließlich direkt vor der Aula ein. Sie beachtete mich gar nicht, sondern rannte sofort auf eine Handvoll Kinder in ungefähr ihrem Alter zu, die sich vor der Bühne um einen Typen mit Klemmbrett versammelt hatten, der Formulare aushändigte. Die Aula war voll mit Grüppchen von Kindern, die sich umarmten wie lang verschollene Verwandte, die einander Jahre nicht gesehen hatten, obwohl sie wahrscheinlich tags zuvor noch im Unterricht nebeneinandergesessen hatten. Es waren auch einige wenige Erwachsene da, aber ich konnte nicht sagen, ob sie Aufsichtspersonen oder Festival-Teilnehmer waren. Als sich einer der Erwachsenen umdrehte und auf seinem schwarzen T-Shirt in großen weißen Buchstaben das Wort Hussah! zu lesen war, hatte ich meine Antwort.
Ich nahm einen großen Schluck Kaffee und ließ mich auf einen Stuhl in der hintersten Reihe sinken. Mein Job als Taxidienst war erledigt. Ich schaute auf die Uhr meines Handys. Noch eine Stunde, bis ich sie wieder abholen sollte - nicht genug Zeit, um nach Hause zu fahren. Willow Creek war zwar eine kleine Stadt, aber April wohnte an ihrem einen Ende, und die Highschool lag ganz am anderen. Ich rief meine To-do-App auf. Aprils Medikamente hatte ich am Tag zuvor abgeholt, und dieses Vorsprechen für das Mittelalterfestival war der einzige andere Punkt auf meiner Liste. Gab es sonst noch etwas, das ich erledigen musste, während ich schon mal auf dieser Seite der Stadt war?
«Bist du als Freiwillige hier?»
Eine der Erwachsenen, die ich zuvor gesehen hatte - niedlich, blond, ziemlich klein und eher rundlich - hatte sich von der Menge gelöst und am Ende der Stuhlreihe angehalten, in der ich saß. Bevor ich antworten konnte, zog sie ein Formular von ihrem Klemmbrett und drückte es mir in die Hand.
«Hier. Das kannst du schon mal ausfüllen.»
«Was? Ich?» Ich starrte das Blatt an, als wäre es mit kyrillischer Schrift bedruckt. «Oh. Nein. Ich bin nur hier, weil ich meine Nichte hergebracht habe.» Mit einem Kopfnicken deutete ich nach vorne zu der Gruppe Kinder.
«Welche ist denn deine .» Sie schaute den Gang entlang. «Oh, Caitlin, stimmt's? Du musst Emily sein.»
Ich sah sie überrascht an. «Ja. Genau. Ich vergesse immer wieder, wie klein diese Stadt ist.» Ich war aus Boston hierhergezogen und etwas außerhalb von Indianapolis aufgewachsen. Kleinstädte waren nicht mein Ding.
Lachend winkte sie ab. «Da gewöhnst du dich dran, glaub mir. Ich bin übrigens Stacey. Und ich fürchte, du wirst dich irgendwie als Freiwillige melden müssen.» Sie zeigte auf das Formular, das ich immer noch in der Hand hielt. «Das ist eine Bedingung, wenn jüngere Schüler beim Festival mitmachen wollen. Jeder unter sechzehn braucht einen Elternteil oder Vormund unter den Darstellern. April hatte vor, zusammen mit ihr mitzumachen, aber .» Ihr Satz brach ab, und sie endete mit einem verlegenen Schulterzucken.
Ich schaute auf das Formular hinunter. «Dann könnt ihr es aber nicht nennen, oder? Das klingt doch eher nach Zwang.» Aber ich sah hinüber zu Cait, die bereits mit ihren Freundinnen plauderte und ihr eigenes Formular dabei an die Brust drückte, als wäre es die goldene Eintrittskarte aus Charlie und die Schokoladenfabrik. Ich las mir das Blatt durch. Ab Juni gab es sechs Wochen lang jeden Samstag Proben, dann folgten sechs weitere Wochenenden von Mitte Juli bis Ende August, an denen das eigentliche Festival stattfinden würde. Hm. Ich hatte eh geplant, den ganzen Frühling und Sommer den Chauffeur für Caitlin zu spielen .
Bevor ich noch etwas sagen konnte, gingen die Flügeltüren hinter mir mit einem lauten Knall auf. Ich fuhr herum und sah einen Mann hereinmarschieren, als betrete er einen Saloon im Wilden Westen. Er war . beeindruckend. Anders konnte man ihn nicht beschreiben. Groß, blond, muskulös, mit perfekten Haaren und in einem engen T-Shirt, das wenig bis nichts der Phantasie überließ. Eine Mischung aus Gaston...
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