Schweitzer Fachinformationen
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Alles begann mit einer Halskette.
Mit einem wunderschönen Anhänger aus schimmernder Bronze in Form eines Schmetterlings, der an einer grünen Seidenkordel befestigt war. Der Körper und die Flügel waren so zart gearbeitet, dass es fast schien, als könnte er jeden Moment losfliegen, und das glänzende Metall fing das Sonnenlicht ein. Ich entdeckte ihn am letzten Tag des Willow Creek Renaissance Faire, als ich mit Emily - oder vielmehr Emma, da wir immer noch unsere Rollen als Tavernendirnen spielten - über das Gelände schlenderte. Wir trugen unsere gewohnten Kostüme und präsentierten dazu passende Persönlichkeiten: ein bisschen lauter, ein bisschen kecker und flirtlustiger, als wir im richtigen Leben waren. Immer mal wieder blieben wir stehen, um uns mit Besuchern zu unterhalten - besonders mit den kleinen, die als Ritter oder Piraten verkleidet waren -, und wir stöberten verstohlen in den Auslagen der Händler, die die letzte Chance nutzten, noch etwas zu verkaufen, bevor sie alles einpackten und zum nächsten Mittelalterfestival weiterzogen. Das war der Moment, als mich der Schmetterling vom Tisch einer Schmuckhändlerin anfunkelte.
«Was hältst du hiervon, liebste Emma?» Ich hielt den Anhänger hoch, damit wir ihn beide sehen konnten. Ich trug den keltischen Knoten aus Zinn, den ich mir vorletzten Sommer gekauft hatte, aber mein Outfit konnte eine Auffrischung vertragen. Während sich der bronzene Schmetterling langsam am Ende seiner Kordel drehte, blitzten seine Edelsteinaugen mich an, als wollten sie sagen: Ja. Du brauchst mich.
«Oh, Stacey, der ist so hübsch!» Erschrocken schlug Emily eine Hand vor den Mund und sah mich mit großen Augen an, als sie ihren Fehler bemerkte. Zum einen hatte sie mich mit dem falschen Namen angesprochen, und zum anderen hatte sie nicht mal versucht, ihren üblichen Festivalakzent zu benutzen. «'tschuldige», sagte sie mit einem Grinsen.
Die Händlerin schnaubte. «Ist doch alles schon so gut wie vorbei. Wird keiner was sagen, wenn ihr mal aus der Rolle fallt.»
«Ich meinte natürlich Beatrice.» Man musste es ihr zugutehalten, Emily schlüpfte augenblicklich wieder zurück in ihre Rolle. «Denn das ist dein Name. Und du verdienst wahrlich etwas Neues. Mich dünkt, die Kette würde dir sehr gut zu Gesicht stehen.»
«Was ist denn hier los?»
Jetzt wurden meine Augen genauso groß wie die von Emily, als wir uns beim Klang der ernsten Stimme hinter uns erschrocken anstarrten. Dann drehten wir uns gleichzeitig zu Simon Graham um, dem Organisator des Festivals und Emilys Freund. Er trug immer noch sein Kostüm als Captain Blackthorne, der Pirat: schwarzes Leder und ein schurkisches Lächeln. Aber sein strenger Tonfall war ganz Simon, der Englischlehrer, als hätte er sich schon den Bart abrasiert und die Haare kurz geschnitten, wie er es am Ende jeder Festivalsaison tat.
Nichtsdestotrotz sah ich ihn spöttisch an, denn ein Pirat und eine Tavernendirne standen in der Hierarchie ungefähr an gleicher Stelle, und hier draußen war er nicht mein Boss. Nicht, solange wir unsere Rollen spielten. «Es ist doch nichts Falsches dran, etwas Tand zu kaufen, Captain. Gewiss werdet Ihr Eurer Liebsten ein wenig Schwelgerei nicht verwehren.»
«Oh, ich brauche nichts.» Emily hob die Hand zu ihrem eigenen Anhänger, den sie um den Hals trug - ein dunkelblauer Kristall an einer silbernen Kette. Simon hatte ihn ihr am Anfang des Sommers bei einem der anderen Händler gekauft. «Warum sollte ich, wenn ich das hier habe?» Ihre Augen leuchteten förmlich, als sie Simon ansah, und es war deutlich zu erkennen, dass sie nicht nur von der Halskette sprach.
Simon zog eine Augenbraue hoch, und seine strenge Miene schmolz dahin, als habe er Mühe, sie vor Emily aufrechtzuerhalten. «Wohl wahr.» Er beugte sich vor, um ihr einen zarten Kuss auf den Mund zu geben.
Ich hüstelte und schaute hinüber zu der Händlerin, die gutmütig die Augen verdrehte. Wir hatten wahrscheinlich beide denselben Ausdruck im Gesicht. «So nehmt Euch doch ein Zimmer», murmelte ich, und die Händlerin prustete amüsiert. Ich fischte in dem Beutel an meinem Gürtel nach Bargeld, um die Schmetterlingskette zu bezahlen. Ich hatte niemanden, der mir Geschenke kaufte, also musste ich mich selbst beschenken. Aber das machte mir nichts aus. So bekam ich immerhin garantiert etwas, das mir gefiel.
Simon richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf mich und runzelte erneut die Stirn. «Bist du dir sicher bei der Halskette, Stacey?» Seine Stimme war leise, da er den Akzent und seine Rolle fallengelassen hatte. «Sie kommt mir ein bisschen zu . kunstvoll vor für eine Tavernendirne.»
Plötzlicher Ärger stieg wie Galle in mir hoch, und mit Mühe schluckte ich ihn wieder hinunter. Er hatte natürlich recht; die Kette passte nicht zu meinem Kostüm. Tavernendirnen waren keine hochrangigen Persönlichkeiten, und mein keltischer Knoten aus Zinn war schon so ausgefallen, wie ich es nur wagte. Aber ich spielte nun schon seit sechs Jahren dieselbe Rolle, und sie fing an, unbequem zu werden. Ich hatte das Schlichtsein satt. Hatte es satt, mich zu begnügen.
Die Flügel des Schmetterlings gruben sich in meine Handfläche, als ich die Faust darum schloss. «Vielleicht ist es an der Zeit für eine Veränderung, Captain.» Ich behielt einen lockeren, beinahe schon neckenden Tonfall bei, damit keiner von beiden meine Verärgerung bemerkte. Diese Erkenntnis war noch ganz neu, und ich war noch nicht wirklich bereit, darüber zu reden.
«Damit hat sie nicht ganz unrecht», sagte Emily. «Die Tavernen werden inzwischen größtenteils von freiwilligen Helfern betrieben, und du weißt, dass ich jetzt schon mehr Zeit mit den Kids bei den Shakespeare-Aufführungen verbringe als beim Getränke-Ausschenken. Vielleicht ist die Zeit für Tavernendirnen vorbei, und Stacey und ich können uns für nächsten Sommer andere Rollen überlegen.»
«Mag sein.» Simon trat von einem Fuß auf den anderen, während sein Festivalakzent zurückgekrochen kam. Er mochte keine Veränderungen, besonders wenn sie das Festival betrafen. Aber Emily lenkte ihn erfolgreich ab, indem sie sich bei ihm unterhakte, und das Lächeln kehrte auf sein Gesicht zurück. «Mag sein», sagte er noch mal. Wieder zurück in seiner Rolle, war seine Stimme nun ganz Pirat, und er drückte Emily einen Kuss auf die Schläfe. «Einstweilen allerdings wird auf dem Schachbrett nach mir verlangt. Wollt Ihr Jungfern mich dorthin begleiten?»
«Zum letzten menschlichen Schachspiel des Jahres? Das würde ich nicht missen wollen.» Emilys Hingabe war niedlich, besonders da das Schachspiel genauso durchchoreographiert war wie das Ritterturnier, das wir uns gerade angesehen hatten. Zweimal täglich kämpfte Captain Blackthorne gegen Marcus MacGregor, gespielt von unserem Freund Mitch - einem Riesen von Mann, der wenig mehr als einen Kilt, kniehohe Schnürstiefel und ein gewaltiges Schwert trug. Und zweimal täglich verlor Captain Blackthorne besagten Kampf. Aber Emily feuerte ihn trotzdem an, jedes Mal. Sie war sein größter Fan.
Ich war allerdings nicht in Stimmung für das Schachspiel. «Ich werde noch ein wenig umherspazieren. Wenn Ihr mich entschuldigt.» Ich fühlte mich zu rastlos. Das Letzte, was ich wollte, war, still zu stehen und einer Show beizuwohnen, die ich schon so oft gesehen hatte, dass ich sie wahrscheinlich selbst aufführen könnte.
Emily musterte mich aufmerksam. «Alles in Ordnung, meine Liebe?»
«Ja, sicher», winkte ich ab. «Ich möchte einfach nur noch ein wenig länger die Atmosphäre genießen.»
«Natürlich.» Sie drückte meinen Arm zum Abschied, während Simon den Hut lüpfte und mir eine galante Verbeugung schenkte. «Dann sehen wir uns später beim Tavernenspiel.»
Darüber musste ich lachen. Emily schaffte es nie zur Abschiedsvorstellung des Tages, die auf der vorderen Bühne stattfand. Aber Hoffnung währte ja bekanntlich ewig.
Nachdem ich nun allein war, verstaute ich meine alte Halskette in meinem Gürtelbeutel, band mir die grüne Seidenkordel um den Hals und wanderte weiter den Weg entlang. Meine langen Röcke wirbelten Staub auf - es war ein trockener Sommer gewesen, und die Festivalwege bestanden hauptsächlich aus ungepflasterten Pfaden, die sich durch den Wald schlängelten. Ich nahm die lange Strecke, die einmal um das Gelände herumführte, auf dem wir jedes Jahr unser Mittelalterfestival abhielten. Wobei wir offiziell ein Renaissance Faire waren und uns sehr um historische Genauigkeit bemühten, aber bei so Dingen wie dem mittelalterlichen Ritterturnier drückten wir ein Auge zu.
Es war mitten am Nachmittag, und die Sonne stand noch immer hoch am Himmel, aber mir kam es vor, als neigten sich die letzten Stunden des Sommers dem Ende zu. Der letzte Tag des Festivals hatte etwas Magisches. Monatelanges Proben und wochenlange Auftritte lagen hinter uns, und alles gipfelte in diesem Tag. Ich fand immer, dass die Sonne, die zwischen den Bäumen hindurchschimmerte, an diesem Tag ein bisschen strahlender aussah - schließlich war es der letzte für fast ein ganzes Jahr, an dem ich sie so sehen würde. Ich wollte sie mit den Händen einfangen und mich an ihr festhalten.
Viele der Vorstellungen waren schon beendet, aber ich kam an einer Zaubershow für Kinder vorbei, die erst zur Hälfte rum war, also blieb ich stehen, um den Sprüchen des Magiers ein paar Augenblicke lang zu lauschen. Beim Axtwerfen war noch eine Menge los, und ich machte einen großen Bogen um den Stand. Was dachten wir uns nur dabei, Leute, die keinen Schimmer hatten, was sie...
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