Schweitzer Fachinformationen
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DIES IST DER DRITTE TAG IN FOLGE, an dem mir morgens beim Aufstehen übel und schwindelig ist. Bis jetzt war ich der Meinung, dass lediglich mein Immunsystem ein wenig schwächelt, doch so allmählich frage ich mich, ob sich das Schicksal mit mir einen seiner berüchtigten makabren Scherze erlaubt. Hoffentlich bin ich nicht schwanger, nachdem ich gerade beschlossen habe, nach einer fünfmonatigen Beziehung, die beinahe ausschließlich auf Sex basiert, mit Jaime Schluss zu machen.
Ich ziehe meine Jeans und das erstbeste Paar Schuhe an, setze die Sonnenbrille mit den größten Gläsern auf, die ich finden kann, und gehe runter in die Apotheke, um einen Schwangerschaftstest zu kaufen.
»Mal sehen.« Wieder zurück in der Wohnung lese ich laut den winzigen Beipackzettel. »Nehmen Sie den Teststreifen aus der Verpackung. Halten Sie den Teststreifen zehn Sekunden lang mit dem Pfeil nach unten in den Urin. Legen Sie den Teststreifen dann auf eine saubere, nicht saugfähige Unterlage.«
Ich folge den Anweisungen und harre die fünf Minuten, die man warten muss, aus, ohne den Blick von dem verdammten Teststreifen zu lösen, der mir sagen soll, ob sich von diesem Moment an mein Leben radikal ändern wird oder nicht. Ich habe noch nie so etwas wie einen mütterlichen Instinkt gehabt und bin davon überzeugt, dass jemand wie ich, sosehr er sich auch anstrengt, niemals eine gute Mutter sein kann.
Während meines letzten Jahrs an der Fakultät für Journalismus habe ich die Vorlesung eines berühmten Kriminologen besucht, wobei mir bewusst geworden ist, dass ich zu den zwei Prozent der Weltbevölkerung gehöre, die nicht in der Lage sind, Empathie für ihre Mitmenschen zu empfinden. Ich kann einem anderen Menschen gegenüber lediglich Sympathie, Zuneigung oder Lust verspüren, was für ein Kind jedoch bei Weitem nicht ausreicht.
Als auf dem Kontrollbereich des Teststreifens schließlich nur ein einzelner farbiger Strich sichtbar wird, überkommt mich eine Mischung aus Erleichterung und Traurigkeit. Wahrscheinlich weil ich im Grunde meines Herzens gern ausprobieren möchte, ob ich nicht doch in der Lage bin, tiefere Gefühle zu empfinden, und nur einfach noch nicht dem richtigen Menschen begegnet bin.
Als ich aus der Dusche komme, klingelt das Telefon. Es ist Serafín Rubio, der Chefredakteur der Zeitung, bei der ich schon seit sieben Jahren für die Rubrik »Aktuelles« arbeite.
»Wo steckst du, meine Liebe?«, fragt er verärgert. »Es ist äußerst gewagt, noch im Bett zu liegen, während ich schon seit einer halben Stunde im Büro bin.«
»Ich liege nicht im Bett, Serafín«, sage ich geduldig.
»Na ja, du klingst noch ziemlich verschlafen. Wo ist der Artikel über die Pistole, die diese Kinder in Lavapiés gefunden haben?«
»Ich bin dran.«
»Dann beeil dich, Marta. Ich will ihn in der morgigen Ausgabe haben.«
Serafín beendet das Gespräch, ohne mir die Gelegenheit zu geben, ihm klarzumachen, dass ein solcher Artikel seine Zeit braucht und dass ich vielleicht erst nächste Woche damit fertig werde, denn ich habe noch nichts Konkretes herausgefunden.
Ich beende mein morgendliches Styling und mache mich in einem Internetforum schlau, was es mit der Übelkeit und dem Schwindel auf sich haben könnte. Da ich nicht schwanger bin und seit meinem zwanzigsten Lebensjahr keinen Tauchsport mehr betreibe, beschließe ich, einen Termin beim Arzt zu machen. Zum Glück hat gerade jemand abgesagt, sodass ich an diesem Morgen noch kommen kann.
»Ich weiß nicht .«, sagt mein langjähriger Hausarzt, während er, nachdem er mich ausgiebig untersucht hat, auf dem veralteten Bildschirm seines Computers meine Krankengeschichte studiert. »Und mit dem Magen ist wirklich alles in Ordnung?«
»Absolut.«
»Und Sie sind ganz sicher nicht schwanger?«
»Ganz sicher. Ich verhüte, und der Schwangerschaftstest, den ich heute Morgen gemacht habe, war eindeutig negativ. Übrigens habe ich vor ein paar Tagen für eine ganze Weile meine Hand nicht mehr gespürt. Ich war kaum in der Lage, meine Kaffeetasse zu halten.«
Das scheint dem Arzt gar nicht zu gefallen. »Die letzte Blutuntersuchung ist gerade mal einen Monat her und war absolut unauffällig. Allerdings sollten wir vorsichtshalber ein CT machen lassen. Wenn Sie einverstanden sind, rufe ich meinen Kollegen Doktor Oliver an und frage, ob das heute noch möglich ist.«
Doktor Oliver tut meinem Hausarzt den Gefallen - zum Glück bin ich Privatpatientin -, sodass ich zwei Stunden später bereits in die Röhre geschoben werde, in der im Schnittbildverfahren mein Gehirn fotografiert wird. Wie mir die Sprechstundenhilfe schlecht gelaunt und mit einem Anflug von Eifersucht erklärt, pflegt der Doktor derartigen Untersuchungen normalerweise nicht beizuwohnen. Offenbar will er sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen, mich in dem furchtbaren, hinten offenen grünen Kittel zu begutachten.
»Keine Sorge, Señorita Aguilera«, erklärt der Arzt mir freundlich. »Es wird schon nichts Schlimmes sein. In ein paar Tagen, wenn die Ergebnisse vorliegen, rufen wir Sie an, um einen Termin zu vereinbaren.«
Als ich das medizinische Zentrum verlasse, ist es beinahe Mittag. Eigentlich sollte ich mich auf den Weg in die Redaktion machen, doch da ich keine Lust habe, mir die Vorhaltungen meines Chefs anzuhören, weil ich mit meinen Recherchen noch nicht weitergekommen bin, nehme ich ein Taxi und lasse mich zur Marconi-Siedlung im Madrider Stadtteil Villaverde fahren.
Vor wenigen Wochen haben ein paar Kinder in Lavapiés eine geladene Pistole gefunden, und die Recherchen für meinen Artikel haben mich zu einem im kleinen Stil agierenden Waffenhändlerring geführt, für dessen Existenz ich jedoch noch keinen stichhaltigen Beweis habe. In der Marconi-Siedlung gibt es neben Wohnhäusern und Unternehmen einen Straßenstrich, einen ziemlich großen sogar, der in Zonen für Afrikanerinnen, Rumäninnen, Spanierinnen und eine für Transvestiten aufgeteilt ist.
Ich lasse mich an der Tür der Bar Los Mellizos absetzen, die, wie an dem draußen hängenden Werbeschild zu erkennen ist, die Biermarke Mahou anbietet. Elías Pardo, der wegen einer Narbe, die seine Nase in der Mitte teilt und ihm ein eindrucksvolles Äußeres verleiht, Dos Napias - Doppelzinken - genannt wird, sitzt wie üblich an seinem Tisch hinten im Raum. Ich bestelle eine Cola Zero und ein Häppchen Tortilla, das ich in der Vitrine entdeckt habe, und warte, dass er zu mir herüberkommt.
»Was machst du hier, du Drecksreporterin? Ich hab dir doch gesagt, dass ich dich nicht mehr sehen will!«
»Du weißt ja, dass ich keinen Namen nennen muss und dass ich, falls es dazu kommt, vor Gericht meine Quelle bis zuletzt schützen werde, oder?«
»Welche Quelle?« Er wird aggressiv. »Hier wirst du nichts finden, also schieb deinen vornehmen Arsch von diesem Barhocker, und zisch ab!«
»Das Problem ist, wenn ich zu meiner Zeitung gehe und sage, dass ich nichts herausgefunden habe, schicken sie einen anderen, und wer weiß, vielleicht sogar das Fernsehen. Kannst du dir vorstellen, wie unangenehm das wäre, wenn in der Tür von dieser Bar vierundzwanzig Stunden am Tag eine Kamera steht?«
Dos Napias, der sich zu gern weiter mit einer wie mir anlegen würde, ist tatsächlich schlau genug zu kapieren, dass ich ihn an den Eiern hab.
»Was willst du?«, schleudert er mir schließlich angewidert entgegen.
»Nur, dass du mir ein paar Fragen beantwortest. Setzen wir uns?«
Der Waffenhändler gibt unwillig nach, und wir setzen uns an den Tisch, der am weitesten von der Theke entfernt ist. Ich will mein Handy herausnehmen, aber er hält mich zurück.
»Komm nicht auf den Gedanken, irgendwas aufzunehmen. Notier es dir, wenn du willst, aber sonst nichts. Und wenn du meinen Namen nennst oder irgendwas anderes, wodurch man mich identifizieren könnte, such ich dich und bring dich um, bevor ich umgebracht werde, verstanden?«
»Ist gut, beruhig dich«, sage ich und nehme mein Notizbuch und einen Kuli aus meiner Tasche. »Ich hab ja schon gesagt, dass es ein anonymes Interview sein wird. Vertrau mir.«
»Aber mach schnell. Fehlt nur noch, dass sie mich hier mit dir reden sehen, dann kann ich einpacken.«
In der nächsten halben Stunde erzählt mir Dos Napias, dass er und seine Komplizen nur ab und zu ein paar Schusswaffen aus Deutschland, Italien oder vom Balkan erhalten. Die sind neu und werden aus Fabriken gestohlen, denn mit den gebrauchten aus Polizeiwachen oder polizeilichen Asservatenkammern wurde fast immer bereits eine Bluttat verübt, darum sind sie entsprechend registriert. Während er mir das erklärt, beklagt er sich, dass das Geschäft den Bach runtergehe und sich das Risiko für die paar Kröten nicht lohne. »Auf Dauer bringen nur Drogen und Nutten wirklich was ein.«
Eigentlich bin ich davon ausgegangen, dass seine Kunden üblicherweise Verbrecher sind, die irgendeinen Überfall planen, doch ich erfahre, dass die Schusswaffen fast immer in Privathäusern landen, deren Bewohner sich vor möglichen Einbrechern schützen wollen.
»Denn wenn man sich auf die Polizei verlässt . Bis die da ist, bist du längst ausgeraubt, vergewaltigt und manchmal sogar getötet worden.«
»Die Leute ohne Waffenschein wissen doch gar nicht, wie man...
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