Schweitzer Fachinformationen
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Eines Samstagmorgens im Januar führte Alice mir vor Augen, dass ich ganze drei Jahre lang mit niemandem im Bett gewesen war. Mir war durchaus klar, dass ich eine Durststrecke durchmachte - ich brauchte ständig neue Vibratorbatterien, und ein paar Tage zuvor hatte ich Penis gegoogelt, um mal wieder einen zu sehen -, aber das ganze Ausmaß der sexlosen Zeit war mir bis dahin nicht bewusst gewesen.
Was noch dazukam: Als ich das letzte Mal mit jemandem geschlafen hatte, war es nicht wirklich der Rede wert gewesen. Ich trieb es mit einem einundzwanzigjährigen Lektoratsassistenten aus Alices Büro mit ungewöhnlich hoher Stirn, und es passierte nach einer furchtbaren Party bei uns zu Hause, wegen der die ganze Wohnung nach Pastis stank. Ich wollte ihn mit in mein Zimmer nehmen, aber da war schon ein Pärchen voll bekleidet auf der Bettdecke zugange, also verlegten wir uns auf das Kunstledersofa im Wohnzimmer. Ich blieb immer wieder daran kleben, und Schweiß sammelte sich in der Kuhle unter meinem Rücken. Ich glaube, er hatte vorher noch nie mit jemandem geschlafen, deshalb geriet das Ganze zu einem eher ungelenken Gerammel, und hinterher hat er geweint und mich zu lange umarmt. Immer wieder muss ich schlagartig daran denken - ich steige vielleicht gerade in den Bus ein oder wasche mir die Haare oder sitze auf einem besonders knatschigen Sofa, und mit einem Mal sehe ich sein verkniffenes rotes Gesicht oder seine verschwitzten Schamhaare vor mir und zucke unwillkürlich zusammen. Da würde doch jeder für, sagen wir mal, drei Jahre die Lust auf Sex verlieren.
Ehrlich gesagt war mir Sex als Idee immer lieber gewesen als die Sache selbst. In meiner Vorstellung war ich experimentierfreudig, selbstbewusst, ungehemmt, jemand, der in Schultern beißt und Wörter wie »Möse« benutzt. Ich konnte in den schmutzigsten Begriffen an Sex denken und offen mit meinen Freunden darüber reden - aber wenn es darum ging, es tatsächlich zu tun oder mit jemandem darüber zu reden, mit dem etwas laufen könnte, machte ich dicht. Es fiel mir schwer, mich selbst als sexy wahrzunehmen, wenn ich mit jemandem zusammen war. Es fiel mir schwer, ungerührt sexy Sachen zu sagen. Es kam mir immer wie eine Pose vor, albern, zu weit weg von der Person, die ich sonst war, als würde ich in einem Pornofilm mitspielen und meine Sache auch noch schlecht machen. Ich konnte nicht mal überzeugend flirten, jedenfalls nicht, wenn ich nüchtern war. Das erklärt vielleicht ein bisschen, warum es so lange her war, dass ich mit jemandem gevögelt hatte.
Bei Alice und Dave hingegen gab es Sex. Überraschend viel sogar, wenn man bedachte, dass sie schon seit fünf Jahren zusammen waren. Am Freitagabend vor jenem Samstagmorgen saß ich allein im Wohnzimmer und versuchte, die Sexgeräusche aus ihrem Schlafzimmer zu ignorieren. Unsere Wohnung hatte unglaublich dünne Wände, weshalb es mir fast so vorkam, als wäre ich dabei. Wie kann etwas, das so viel Spaß macht, wenn man es selbst tut (vielleicht nicht immer - siehe schwitziger Sofa-Sex), so abstoßend sein, wenn man unfreiwillig zuhört? Ich hatte nichts dagegen, mit einem Paar zusammenzuwohnen; das senkte die Miete. Außerdem besaß Dave mehrere Ottolenghi-Kochbücher und einige sehr geschmackvolle Mid-Century-Möbel, so dass wir besser aßen und stylisher eingerichtet waren, als es ohne ihn der Fall gewesen wäre. Aber von den Sexgeräuschen hatte ich echt genug.
Am nächsten Morgen hörte ich, wie Alice Dave zur Tür brachte. Sie flüsterten anzüglich miteinander und küssten sich hörbar feucht. Ich saß auf meinem Bett, knibbelte an der trockenen Haut meiner Finger und ging meine Rede im Kopf noch einmal durch.
Alice kam, ohne zu klopfen, in mein Zimmer; das machen Leute so, wenn das Risiko gering ist, dass man gerade vögelt. Sie setzte sich zu mir, mit verwuscheltem Haar und einem postkoitalen Lächeln auf den Lippen. »Hast du Lust auf Brunch?«, fragte sie. »Ich bin am Verhungern.«
»Das überrascht mich nicht«, sagte ich, was nicht der Einstieg war, den ich im Sinn gehabt hatte.
»Was?«
»Nichts.«
»Warum überrascht dich das nicht? Was meinst du damit?«
»Na ja . es klang so, als hättet ihr euch heute Nacht gut amüsiert.«
»Du hast uns beim Sex belauscht?«
»Ich habe euch nicht belauscht. Ich hab's gehört. Ich hatte keine Wahl.«
»So laut waren wir doch gar nicht«, sagte Alice, als wollte sie von mir eine Bestätigung hören.
»Du hast ihn gebeten, dir -«
»Mir was?«
Ich sah weg. »Du weißt, worum du ihn gebeten hast.«
»Woher soll ich das wissen, wenn du es nicht sagst?«
»Schön. Du hast ihn gebeten, dir einen Finger in den Arsch zu stecken.«
»Julia!«
»Das waren deine Worte!«
»Das war privat!«
»Dann seid leiser!«
Alices Wangen glühten. Wir schwiegen peinlich berührt.
»Hast du uns wirklich gehört?«
»Ja! Ich höre euch immer!«
»Du kannst uns nicht immer hören. Wir schlafen gar nicht mehr so oft miteinander .«
»Dreimal die Woche ist nicht oft?«
»Nicht für uns.«
»Aha. Schön für euch.«
Wieder Schweigen.
»Es würde dir nicht so viel ausmachen, wenn du auch einen Freund hättest.«
»Ich will keinen Freund, vielen Dank.«
»Dann eben Sex .«
»Ich habe Sex.«
»Nein, hast du nicht«, sagte sie. Und dann kam sie mir mit den drei Jahren.
Danach legte ich mich wieder ins Bett und blieb den Rest des Tages dort, aß Käse und versuchte, mich zu erinnern, was Sex war. Ich hatte noch nie richtig, richtig guten Sex erlebt, von der Sorte, die zu Geräuschen führte, wie Alice und Dave sie machten. Oralsex fühlte sich immer ein bisschen so an, als würde mir jemand den Intimbereich mit einem nassen Waschlappen abwischen, und wenn ein Mann auf mir lag, bekam ich ein bisschen Platzangst.
Sex war mir bisher einfach nie besonders wichtig gewesen. Als Teenager war ich zu besessen davon, Tänzerin zu werden, als dass ich mir Gedanken um eine Beziehung gemacht hätte. Wobei ich nach meinem ersten Jahr an der Ballettschule immerhin meine Jungfräulichkeit verlor; meine Freundin Cat nahm mich mit nach Jamaika zu ihren Großeltern, und dort am Strand erlebte ich mein erstes Mal mit einem Jungen namens Derrick, der furchtbare Akne und billigen Rum mitbrachte, der den Sex erst möglich machte. Wir benutzten kein Kondom; die schreckliche Angst vor einer Schwangerschaft und die Schwierigkeiten, die Pille danach aufzutreiben, ohne dass Cats Großeltern etwas merkten, verdarben mir für Jahre die Lust auf Sex. Daiquiris kann ich immer noch nicht trinken. Aber ich war froh, es hinter mir zu haben - ich hatte den Mädchen in meinem Jahrgang etwas voraus und genoss es, weise zu brummen: »Macht es nicht wie ich. Wartet, bis ihr so weit seid«, wann immer bei Übernachtungspartys das Gespräch auf Sex kam.
Dann kam Leon. Ich begegnete ihm bei einer Erstsemester-Toga-Party in Warwick. Er machte ziemlich was her in seinem weißen Laken; erst später stellte ich fest, dass er jeden Tag Cordhosen trug. Trotzdem blieben wir zusammen, bis er mich direkt nach unserem Abschluss abservierte, weil er »um die Welt reisen« und »ungebunden« sein wollte. Drei Monate später zog er nach Peckham und begann ein Traineeprogramm bei einer Unternehmensberatung.
Leon und ich hatten anfangs durchaus Spaß im Bett gehabt - wir machten es in umgekehrter Reitstellung, stehend in der Dusche, so was eben -, aber gegen Ende unserer Beziehung kam er nur noch in Stimmung, wenn auf Spotify die »Late Night Love«-Playlist lief, und ich wusste immer genau, an welcher Stelle eines Songs seine Hände wo sein würden - es war ein bisschen wie obszöner Line Dance in der Waagerechten. Der langweilige Sex tat uns beiden nicht gut, so in Sachen Selbstwertgefühl. Nachdem wir uns getrennt hatten, beschloss ich, eine kleine Sexpause einzulegen, und je länger sie dauerte, desto furchterregender wurde der Gedanke an Sex, so als müsste ich einen riesigen, fleischlichen Rubikon überschreiten. Es kam zu ein paar betrunkenen One-Night-Stands - einschließlich dem Sofa-Sex -, aber meistens schien es viel vernünftiger und weniger demütigend, alleine nach Hause zu gehen; das gab auch kein vom Knutschen wundes Kinn.
Ich befriedigte mich allerdings selbst - ich besaß zwei zuverlässige Vibratoren, einen Rampant Rabbit und einen kleinen patronenförmigen, den ich mit in den Urlaub nahm. Das Einzige, was mir fehlte, war jemand, der meine Brüste packte. Ich versuchte es manchmal selbst, aber es war einfach nicht dasselbe.
Am Mittwoch machte Dave uns Roastbeef. Während er kochte, saß ich auf dem Sofa und stellte mir vor, ihn zu vögeln - etwas, das ich noch nie getan hatte, Ehrenwort -, und mein Herz schlug ein bisschen schneller. Dave ist objektiv betrachtet ein sehr gutaussehender Mann, trotz seines mächtigen Barts. Ich starrte wie gebannt auf diesen Bart, fragte mich, ob er beim Oralsex im Weg war, und betrachtete seine Fingerknöchel, malte mir aus, wie sie sich in mir anfühlten. Danach konnte ich ihm eine Weile nicht mehr in die Augen sehen. Ich wollte Daves Finger eigentlich nicht in mir spüren, wirklich nicht. Aber ich wollte etwas in mir spüren. Etwas Lebendiges, Warmes, das sich bewegte und nicht aus pinkem Latex war.
Beim Abendessen war ich verkrampfter als sonst, kein Wunder. Dave übernahm es, Konversation zu machen, fragte mich mit seinem entzückenden nordenglischen Akzent über...
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