Schweitzer Fachinformationen
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ZU DEN KRAFTQUELLEN DER YOGIS
Ich bin 23 Jahre alt, sitze das erste Mal in meinem Leben zwischen den majestätischen Bergen des Himalayas am Ufer des Ganges und fühle mich auf sonderbare Weise "angekommen". Alles fühlt sich hier rein und erhaben an. Das Rauschen des Ganges ist allgegenwärtig und erstaunlich laut. Zuerst irritierend, wirkt es nach einigen Tagen wundersam beruhigend. Seit Jahrtausenden praktizieren Hatha-Yogis hier wie selbstverständlich Energiearbeit und Meditation. An diesem spirituellen Kraftort der Yogis liegt das "Sivananda Kutir", ein kleiner Ashram, eine schimmernde Perle. Wir, das sind neun mutige Yoga-Schüler, möchten hier mehr über Pranayama, die Atemtechniken des Yogas, von einem erfahrenen Yoga-Meister lernen.
Ich war neugierig und fragte den Yoga-Meister, warum ich dieses innere Licht zwischen den Augenbrauen, von dem im Yoga immer gern gesprochen wird, nicht sehen kann? Er lächelte mich mit seinen funkelnden Augen an: "Wo kein Strom, da kein Licht". Darüber musste ich so lachen; spürte jedoch, dass es mit diesem Lehrer und in dieser Zeit darum gehen würde, diesen inneren Strom irgendwie in Gang zu bekommen.
Überraschender Weise beginnt die Yoga-Zeit allerdings zuerst einmal mit der Umstellung der Ernährung. Das Essen wird dabei aus dem Bereich der Sinneserfahrung in den Bereich des Sattva, der Reinheit und Ruhe, gebracht. "Wird die Zunge beherrscht, lassen sich auch alle anderen Sinne leicht beherrschen", sagt unser Lehrer. In den ersten Tagen klagen einige Teilnehmer über Kopf- und Gelenkschmerzen. Die Schlackenstoffe und die aus den Geweben frei werdenden Gifte zirkulieren noch im Blut. Das vegetarische Essen ist leicht, frisch und langweilig. Zumeist essen wir Kitcherie. Das sind Reis und Linsen, welche ohne Salz und stimulierende Gewürze gekocht werden, dafür aber mit viel Kurkuma und noch mehr Ghee, also geklärter gekochter Butter, beträufelt werden. Alles, was nach unten wächst, wie Karotten oder Kartoffeln, ist zu "erdend" und steht nicht auf dem Speiseplan. Leichte luftige Blattgemüse, viel frisches Obst und heiße Mandelmilch mit schwarzem Pfeffer und Kardamom werden gegessen und getrunken. Das soll "Ojas", die feinere spirituelle Energie, stärken.
Sogar der erste Yoga-Tag beginnt schon um 4.00 Uhr morgens. Und zwar mit der Reinigung der Nase mittels Faden und Salzwasser sowie mit dem Bewegen der Bauchorgane mit Hilfe der Bauchmuskulatur, dem Nauli und Agni Sara. Die Praxis des Pranayama baut sich Tag für Tag langsam auf und erreicht schließlich eine Dauer von drei mal vier Stunden pro Tag, je nachdem, in welchem Rhythmus der Sadhaka, der Praktizierende, übt. Die "Bibel" der Hatha Yogis, die Körper- und Atemübungen lieben, ist die "Hatha Yoga Pradipika". Hier werden Hatha Yoga-Wissen und Yoga-Techniken beschrieben und diese von unserem Lehrer für uns erklärt und ergänzt. Das direkte Zusammensein von Lehrer und Schüler wird hier besonders betont, da sich der Lehrer von dem entsprechenden Entwicklungsstand des Schülers, seiner Stärken und Schwächen, überzeugen muss. Weil die Techniken kraftvoll sind und direkt auf das Energiesystem des Übenden wirken, kann falsches Praktizieren zu körperlichen und geistigen Schäden führen, die nur schwer zu korrigieren sind. Insbesondere der westliche Schulmediziner verfügt für gewöhnlich über zu geringe Kenntnisse über den Energiekörper, als dass er in einem solchen Fall eine angemessene Behandlung anbieten könnte. Aber mit einem erfahrenen Lehrer und Yogi an der Seite, kann die Praxis beginnen.
Morgens, nach den Reinigungstechniken, und abends vor dem zu Bett gehen, üben wir gemeinsame stille Meditation an den Ufern des Flusses. Die Meditation sowie das Singen der Mantras schaffen den integralen Rahmen und stellen die Verbindung der starken Pranayama Praxis zum Jnana-Yoga, der Erkenntnis durch Meditation und Reflexion, und zum Bhakti-Yoga, der Praxis der Bescheidenheit und Hingabe, dar. Die Asana-Übungsreihe der zwölf Grundstellungen wird dreimal täglich wiederholt. Sie beginnt mit dem Rezitieren der Guru-Parampara, der Übertragungslinie des Wissens der Hatha-Yoga-Meister, die in der indischen Mythologie als Ursprung Gott Siva selbst sieht.
Nach der Meditation suche ich mir einen guten stabilen Platz am Flussufer. Hier geht's los: Atmen, Atem-Anhalten, Atem-Lenken, Stund um Stund und mit wachsender Begeisterung. Die Fähigkeit, lange und bequem sitzen zu können, ist natürlich wichtig und wird von Tag zu Tag verbessert. Stoffwechseltätigkeit, Atmung, Pulsschlag und Blutdruck werden allein durch das lange ruhige Sitzen gesenkt. Das traditionelle Hatha Yoga in Indien ist weit entfernt von der im Westen stärker werdenden Bewegung, Yoga in erster Linie körperbezogen zu verstehen. Das Üben von fortgeschrittenem Pranayama hilft, unsere Yogapraxis mit den Aspekten "Atem als Energie" und "Der Atem als Spiegel des Geistes" aufzupeppen.
Der Weg und das Ziel: die Reinigung der Nadis, der Energiebahnen. So soll Pranayama potentielle innere Kraft erwecken und den Geist frisch und konzentriert in die Stille eintauchen lassen. Als ich meinen Lehrer fragte, wie denn die tiefe Meditation, das Erwecken der Kundalini-Energie, zu erreichen sei, erwartete ich, einen kleinen Vortrag und vielleicht eine spannende Yoga-Technik erklärt zu bekommen. Swamiji antwortete jedoch mit nur einem Wort: "Purification", "Reinigung", lächelte und ging seiner Wege.
So beginnt jede Praxis mit Kapalabhati, der Reinigungsatmung. Sie reinigt die Luftwege und löst den Solar Plexus, das Manipura Chakra, von Verspannungen und Blockaden. Danach beginnt das eigentliche Pranayama. Die zweite Übung ist die Wechselatmung, Anuloma Viloma. Sie reguliert den Atem- und Energiefluss. 40 Runden nehmen zwischen 40-60 Minuten in Anspruch. Das Verhältnis von Rechaka, der Einatmung, Kumbaka, das Atem-Anhalten und Puraka, das Ausatmen variiert individuell und der Tagesform entsprechend. Es entstehen Rhythmen zwischen 5 : 20 : 10 und 8 : 32 : 16. Vier Bandhas, energetische Verschlüsse, werden im Pranayama gesetzt. Mein Lehrer meint: "die Wechselatmung ist eine Bombe, aber die Bandhas sind der Zünder". Anuloma Viloma gilt als ideales Mittel, die Nadis von ihren Widerständen zu reinigen und bereitet den Körper auf weiterführende Techniken vor.
Die nun folgenden Übungen Surya Bheda und Ujjayi aktivieren Pingala Nadi, die Sonnen-Energiebahn, die im rechten Nasenloch endet. Eine angenehme innere Wärme breitet sich aus. Hier wird tönern geatmet und die Zeit des Kumbaka erhöht. Sitali und Sitkari gelten als kleine Pranayamas; sie stimulieren Ida Nadi, die kühlende Mond-Bahn, die im linken Nasenloch endet.
Es folgen zehn Runden Brahmari Pranayama, die summende Bienenatmung. Diese Übung gleicht die beiden Hauptenergiebahnen, Pingala Nadi und Ida Nadi, aus, entwickelt die geistige Konzentration und fokussiert auf bestimmte Chakren, die Kreuzungspunkte der Nadis. Auf dieses dann gut vorbereitete Energiesystem des Astralkörpers setzten wir nun kräftigere Übungen, zum Beispiel Bhastrika, den Feueratem und Shakti Chalani, die Energie-Erweckung. Hiermit sollen potentielle latent liegende Energien im Energiekörper, der Pranamaya Kosha, geweckt werden. Den Abschluss des Pranayama Sets bilden die energielenkenden Techniken, sprich: Mudras und Bandhas, Siegel und Verschlüsse. Sie lenken und konzentrieren die vorhandene Energie, die mit Visualisierungen der subtilen Elemente, den Chakra-Farben und Bija-Mantras kombiniert wird, zu den entsprechenden Energiezentren. Abschluss nach vier Stunden Pranayama: Hand senken, Meditationssitz. Ruhe. Meditation. Zufriedenheit. Zeitlos eingetaucht im OM!
Das Prana ist die Lebenskraft, die in den 72.000 Energiebahnen, den Nadis bzw. den Meridianen, unseres Energiekörpers, auch Astralkörper genannt, fließt. Prana ist der Antrieb der Gedanken. Durch eine gute Kontrolle des Pranas dünnt der Geist aus, und wir empfinden ein inneres Glück, welches nicht durch den Geist oder die Sinne erzeugt wird, sondern direkt vom innersten Selbst, dem Atman, entsteht.
Das Selbst wird als Sat-Chid-Ananda beschrieben, und Ananda bedeutet Glück. Der ruhige Geist, der durch die intensive Arbeit am Energiekörper entstanden ist, führt uns an die Schwelle zur wahren Innenschau auf das eigene Selbst und damit in die Meditation. Die Wahrnehmungen des Pranas, die während der Übungen entstehen können, wie das Hören innerer Klänge, das Sehen von Lichtern oder das Erscheinen höherer geistiger Fähigkeiten, Siddhis genannt, sind bedeutungslos im Vergleich zu der inneren Zufriedenheit, die aus dem eigenen Selbst entsteht. Das Ziel der Übungen ist das Zügeln der Aktivitäten des Geistes, in Sanskrit: "Yogas chitta-vritti-nirodhah".
Mein Zimmernachbar erlebte die intensive Pranayama-Zeit so: "Es ist eine große Erfahrung. Durch die intensive Praxis finden sich Körper, Geist und Seele zu einer wunderbaren Zufriedenheit zusammen. Dieser einzigartige Zustand ist zum Glück mit Worten nicht auszudrücken. Es war eine...
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