Bellas blutige Rückkehr
von Jason Dark
Myxin, der kleine Magier, warnte Suko und mich. Etwas Böses regte sich, uralt und unvollendet - ein Schatten aus der Vergangenheit, der zurückkehrte, um ein längst vergessenes Versprechen einzulösen.
Die Spur führte zu einer Gestalt, die selbst in den finstersten Kapiteln der Magie gefürchtet war: die blutige Bella. Einst war sie in Atlantis gescheitert, denn sie vergaß, einen Mann zu töten, dem sie den Tod versprochen hatte.
Zunächst blieb unklar, wer dieser Mann war. Doch als wir seinen Namen erfuhren, wich das Rätselhafte einem eiskalten Schock: Eric La Salle. Ein guter Freund. Einer von uns.
Suko und ich setzten alles daran, ihn zu schützen. Aber Bella war schneller. Lautlos, gnadenlos - und mächtiger, als wir vermutet hatten. Sie riss Eric aus der Gegenwart und schleifte ihn in die Tiefen der Vergangenheit - zurück nach Atlantis, dorthin, wo ihre Rache einst begann ...
Der Minister lächelte kurz in die Runde, bevor er das aufgebaute Mikrofon verließ und die breite Treppe ansteuerte, die hoch zu seinem Ministerium führte.
Genau auf den Augenblick hatten die beiden Frauen gewartet. Sie waren in der Menge nicht weiter aufgefallen und hatten Schutz hinter Reportern und zahlreichen Neugierigen gefunden.
Jetzt wollten sie auffallen. Nur ein kurzer Blick, und sie waren bereit.
Zwischen ihnen war alles abgesprochen. Die eine wandte sich nach rechts, die andere nach links. Auf Grund ihrer grauen Haare sah es aus, als wären zwei Schatten dabei, an der Menschengruppe entlangzuhuschen. Ein Kind, das eine kleine Fahne geschwenkt hatte, erschreckte sich und ging schnell zur Seite.
Der Minister hatte mittlerweile die Treppe erreicht. Er ahnte nichts, er war glücklich, denn seine Rede hatte ausgezeichnet gepasst. Jetzt freute er sich auf die anschließende Sitzung, und danach würde er noch kurz seinem Chef die Hand drücken können.
Für die beiden Frauen wurde es eng. Sie wollten den Minister nicht zu hoch kommen lassen, und plötzlich fegten sie alles zur Seite, was sich ihnen in den Weg stellte.
Eine ältere Frau stürzte zu Boden. Ein Mann verlor durch den Stoß seine Brille, sie hatten freie Bahn, und wie von selbst sprangen die beiden Taschen auf, die sie trugen.
Der Griff hinein.
Alles im Laufen, und plötzlich hielten sie Revolver in den Händen. Auf die Läufe waren Schalldämpfer geschraubt worden. Genau das wurde gesehen. Laut gellten die ersten Schreie auf, und die hörte auch der Minister. Er stand auf der dritten Treppenstufe, drehte sich um - und erstarrte, denn er schaute genau in die Mündungen der beiden klobigen Waffen ...
Er hatte alles im Griff. Er hatte alles im Blick. Eric La Salle war der perfekte Bodyguard, dem nichts entging. Diesmal war er eingeteilt worden, um den Minister zu beschützen. Ein Job, der ihn keine Nerven kostete, die reinste Routine. Recht langweilig, aber La Salle war auf der Hut. Er hatte schon Dinge erlebt, die so langsam und monoton begannen, um plötzlich zu explodieren. Deshalb hielt er hier die Augen offen.
Er spürte immer das Besondere der Atmosphäre. Hier waren Menschen gekommen, um einen Minister zu sehen, und sie genossen es. Die Partei hatte kleine Fahnen verteilen lassen, die von den Kindern geschwenkt wurden. Das machte sich immer gut und lockerte die Atmosphäre auf. Außerdem war der Minister in seiner Rede gerade auf die jungen Menschen eingegangen und hatte davon gesprochen, sie zu fördern. Das kam gut an, aber was davon in die Tat umgesetzt wurde, stand in den Sternen.
Der Trubel selbst interessierte den Mann mit dem Zopf wenig. Er hielt stets nach bestimmten neuralgischen Punkten Ausschau, die so verdächtig unverdächtig waren.
Da hatte Eric seine Erfahrungen schon sammeln können, und er hatte auch einen Blick dafür bekommen. Da war die Routine von Vorteil, und auch jetzt war nicht alles so, wie er es sich gern gewünscht hätte. Er konnte es auch auf seinen Instinkt zurückführen, aber als er beim zweiten Mal hinschaute, da war er sich sicher, dass mit den beiden grauhaarigen Frauen etwas nicht stimmte.
Sie wären ihm nicht aufgefallen, hätten sie nur an einer Stelle gestanden. So aber bewegten sie sich von einem Platz zum anderen. Sie waren nicht besonders auffällig, aber sie versuchten doch, in die Nähe des Politikers zu gelangen und gingen dabei sogar recht rücksichtslos vor, denn sie schoben die Menschen, die sich in den Weg stellten, mit mehr oder minder sanfter Gewalt zur Seite, wobei sie ihre Handtaschen eng an die Körper gepresst hielten, was nicht auffällig war, da es bei Menschenansammlungen immer wieder Taschendiebe gab, die auf Beute lauerten.
Eric La Salle war alarmiert, und er vertraute dabei auf seinen Riecher. Die Frauen waren ihm auch deshalb nicht geheuer, weil sie sich eigentlich nicht wie Frauen bewegten. Sie glichen eher männlichen Personen, sodass ihr Outfit gar nicht stimmte.
La Salle schlug einen kleinen Bogen. Er ging mit weiten und ausladenden Schritten, und es sah trotzdem so aus, als würden seine Füße den Boden nicht berühren. Es lag daran, dass er sich sehr geschmeidig bewegte. Den Zuschauern selbst fiel er nicht auf, nur den beiden Polizisten, die an einer bestimmten Stelle der Absperrung standen und Sprechfunkgeräte in den Händen hielten.
Die beiden nickten La Salle kurz zu, der sehr schnell an ihnen vorbei war. Die beiden Frauen hatte er nicht aus dem Blick gelassen. Sie waren relativ groß, und ihre grauen Haare fielen auf, da sie förmlich über die meisten Köpfe hinwegschwebten.
Das Ziel war der Minister, der sich abgewandt hatte und nun dabei war, die Treppe hochzusteigen.
Plötzlich wurden die Frauen schnell. Sie liefen von verschiedenen Seiten auf ihr Ziel zu, und sie klappten dabei ihre recht großen Handtaschen auf.
Auch La Salle war schnell. Für ihn stand fest, dass auf den Politiker ein Attentat verübt werden sollte, und das auf eine hinterhältige und perfide Art und Weise.
Dann waren sie an der Treppe.
Sie zogen ihre Waffen. Revolver mit verlängerten Läufen. Schalldämpfer waren aufgeschraubt.
La Salle hatte seine neun Millimeter Magnum ebenfalls gezogen. Die Attentäterinnen schossen noch nicht, aber es gellten erste Schreie auf, weil die Menschen gesehen hatten, was hier ablaufen sollte.
Der Minister drehte sich um.
Da griff La Salle ein.
»Nein!«, schrie er.
Es war sein Ruf, der die beiden Frauen durcheinander brachte. Sie schossen nicht, drehten sich gemeinsam um, und La Salle schaute in ihre Gesichter. Er war nahe genug an sie herangekommen, um die Augen beobachten zu können, und genau darin sah er das heftige Zucken. Er kannte diese Regungen. Wenn so etwas auftrat, standen sie kurz vor dem Ziel.
Er schoss!
Die Schüsse schienen überlaut zu klingen, möglicherweise auch deshalb, weil Eric sich vorkam wie in einem Vakuum, aus dem heraus er agierte.
Er traf die erste Attentäterin in die rechte Schulter. Die zweite feuerte noch eine Kugel ab, aber La Salle hatte um einige Millisekunden zuvor abgedrückt. Die Kugel schlug in den Kopf der Frau. Sie kippte nach hinten und feuerte selbst einen Schuss ab, der nicht zu hören war, weil plötzlich um das Geschehen herum eine wahre Hölle ausgebrochen war. Die Kugel fegte in den Londoner Himmel, wo sie keinen Schaden anrichtete.
La Salles Geschoss aber hatte die Frau auf die Treppe geschleudert. Der Körper rollte dabei langsam über die Stufen und den heraneilenden Polizisten entgegen.
Die erste Attentäterin stand auch nicht mehr auf den Beinen. Sie kniete und hielt sich die Schulter. Die Waffe hatte sie fallen lassen, und als La Salle nach drei Sätzen vor ihr stand, schaute sie in die Höhe.
Beide starrten sich an.
Eric La Salle erkannte in diesem Moment, dass er keine Frau vor sich hatte, sondern einen Mann, der sich nur ein weibliches Outfit zugelegt hatte. Auch die Perücke passte perfekt dazu.
Sicherheitsbeamte zerrten den Minister aus seiner Nähe weg, als La Salle die Waffe des Attentäters zur Seite schob. Um ihn herum war plötzlich der Teufel los. Er sah Blut aus der Armwunde zu Boden tropfen. Auf der Stufe hinterließen die Flecken ein Muster.
»Der zweite Mann ist tot!«, hörte La Salle den Kommentar.
»Okay.« Er wandte sich an den Angeschossenen. »Du hast alles verstanden?«
»Klar.«
»Pech für euch. So schnell geht das manchmal.«
Der Mann hob den Blick. Reue stand in seinen Augen nicht zu lesen. Er schaute Eric hart an.
»Man kann ja nicht immer Glück haben im Leben. Aber es kommen auch noch andere Zeiten.«
»Stimmt. Die nächsten Jahre wirst du hinter Gittern verbringen. Ich wünsche dir dabei viel Spaß.«
Der Verletzte spie aus. Für Eric war die Unterhaltung vorbei. Er stand auf und gab den Kollegen von der Polizei den Weg frei. Er hatte seine Pflicht getan. Mehr konnte man von ihm nicht verlangen, und er verdrückte sich so schnell wie möglich, denn er mochte es nicht, wenn er plötzlich von Kameras umgeben war. Er blieb lieber im Hintergrund, denn bei seinem Job konnte das Rampenlicht tödlich sein ...
Einige Stunden später
Eric La...