Ninja, Zombies und Shimada (2. Teil)
Irgendwo in der Ferne fuhr ein Schiff vorbei. Seine Lichterkette wirkte wie ein Gruß aus einer fernen Welt, die in der Unendlichkeit des Alls lag.
Die Welt verschwand. Dunkelheit schluckte sie. Und Dunkelheit hatte auch den Mann geschluckt, der im Schatten eines Bootshauses starr wie ein Denkmal stand, wobei seine Blicke hinaus über die Wasserfläche der Frisco Bay strichen.
Der Mann, der so schaute, war Suko. Er wartete auf das Ereignis, das bald eintreten würde. Viel Zeit blieb ihnen nicht mehr, denn die andere Seite drängte ebenfalls.
Suko vernahm das Klatschen der Wellen gegen den Pier. Und er hörte ein Pfeifen!
Es war kein lauter Pfiff, mehr fauchend, aber Suko wusste sofort Bescheid. Er hechtete nach vorn, kam mit der Schulter auf, rollte sich über sie ab und schnellte wieder in die Höhe.
Vor ihm stand ein Vermummter .
Aus seiner rechten Faust stach die leicht gebogene Klinge eines Schwerts. Die geschliffenen Seiten glänzten, als wären sie mit einer Silberschicht besprüht worden.
Wo der Typ so plötzlich hergekommen war, wusste Suko nicht. Für ihn stand fest, dass es mit der beobachtenden Ruhe vorbei war und er jetzt etwas tun musste.
»Wehr dich!« Die beiden Worte drangen dumpf unter dem Tuch hervor, das der Kämpfer vor seinen Mund gebunden hatte.
So etwas ließ sich Suko nicht zweimal sagen. Er täuschte mit links, der andere machte die Bewegung mit und musste einen Moment später Sukos harten Tritt nehmen, der ihn zu Boden schleuderte. Er schien sich in eine Kugel zu verwandeln, so sehr zog er seinen Oberkörper zusammen, bevor er wieder auf die Füße schnellte, dabei aber nicht mehr so fest stand wie zu Beginn.
Suko hatte so schnell angegriffen, dass der andere nicht dazu gekommen war, seine Waffe einzusetzen.
Und der Inspektor kämpfte weiter: Er wollte eine Entscheidung. Dieser Gegner, der mit seinem Schwert attackieren wollte, durfte nicht dazu kommen, es auch einzusetzen.
Er warf die Waffe weg.
Suko, schon wieder im Sprung, ließ sich zusammenfallen. So etwas hatte er noch nicht erlebt, und er hörte den anderen sprechen. »Ich glaube, das reicht fürs Erste.«
»Moment mal«, sagte Suko und schaute erstaunt auf die ihm entgegengehaltene Hand.
»Schlag ein, Bruder.«
Suko zögerte. Er wollte nicht, denn er kannte die Tricks, mit denen man arbeiten konnte. Wenn die Hände ineinanderlagen, gab es genug Möglichkeiten, dem anderen den Arm auszukugeln.
Deshalb ließ es Suko bleiben.
»Schau nach hinten«, sagte der andere, als er merkte, dass Suko nicht wollte.
Bevor der Inspektor dies tat, ging er einige Schritte zurück. Dann drehte er sich um und sah die beiden runden, hellen Kugeln, die allmählich näherkamen.
Ohne lange zu überlegen, wusste er, dass es sich dabei um die Scheinwerfer eines Fahrzeugs handelte. Der Wagen fuhr lautlos. Von seiner Karosserie war kaum etwas zu sehen, denn sie verschmolz mit der Dunkelheit der Nacht. Nur das Abblendlicht zeigte an, dass sich überhaupt ein Auto voranschob.
Suko rechnete noch immer mit einem Trick. Aus diesem Grunde schaute er sich auch um. Er maß die Entfernung zum Wasser und stellte fest, dass er es mit zwei Sprüngen erreichen konnte. Auch rechnete er damit, dass der Wagen plötzlich beschleunigen würde, wobei gleichzeitig die Scheinwerfer aufblendeten.
»Man wird dir nichts tun«, sagte der Mann, der Suko angegriffen hatte. »Bleib ruhig.«
Suko gab keine Antwort. So lautlos, wie sich das Fahrzeug herangeschoben hatte, so stoppte es auch. Nicht ein Geräusch war zu hören. Ein wenig sackte das schwere Auto vorn ein, dann stand es.
Jetzt erkannte Suko auch die Marke. Ein schwerer Lincoln Continental hatte gehalten. Solche und ähnliche Limousinen wurden auch von Politikern oder Mafiachefs gefahren. Zumeist waren die Wagen dann noch stark gepanzert. Bei diesem konnte man auch damit rechnen.
Die Fahrertür schwang auf. Ein Chinese verließ das Gefährt, ging um den Lincoln herum und öffnete die Beifahrertür für den Chef.
Als sich dieser aus dem Fahrzeug schob, atmete Suko auf, denn er kannte den Mann.
Es war Chu Weng!
Der greise Chinese lächelte, als er auf Suko zuschritt und dicht vor ihm stehen blieb. »Ich muss mich entschuldigen, obwohl es meine Idee gewesen ist, aber ich wollte testen, wie gut du noch in Form bist, mein Lieber. Du hast die Prüfung bestanden.«
Suko lächelte gequält. »Habe ich nicht bewiesen, dass ich .«
Chu Weng hob die Hand. »Sprich nicht von den Ninja-Zombies. Sie waren vergleichsweise harmlos. Du hast damit gerechnet, dass sie kamen, hier war es etwas anderes. Ich gratuliere dir, du hast dich nicht überraschen lassen.«
»Das war auch nicht meine Absicht.«
Chu Weng nickte. »Dir sollte hiermit nur bewiesen werden, wie schwer es sein wird, gegen die Armee der Feinde anzugehen. Sie setzen jeden Trick ein.«
»Sind sie schon am Ziel?«, fragte Suko.
»Das wissen wir noch nicht. Ich habe fast alle Kämpfer abgezogen. Es ist kaum noch jemand da, der beobachten kann. Ich rechne allerdings damit, dass die Schiffe schon besetzt sind.«
Damit hatte Chu Weng ein Stichwort gegeben. Die Schiffe waren die ausrangierten Wracks der alten Kriegsfregatten und Zerstörer, die in einem Teil des Hafens vor sich hin rosteten. Suko hatte sich darüber informieren lassen. Es stand so gut wie fest, dass die Schiffe besetzt worden waren.
Und zwar von Ninja!
Das konnten normale Kämpfer sein, aber auch Untote, Zombie-Ninja. Beide an einer Seite kämpfend, bildeten sie fast eine tödliche Mischung, der kaum ein Mensch entgehen konnte, wenn er mit ihr in Berührung kam. Suko und seinen Helfern stand Schlimmes bevor. Sie mussten versuchen, eine Invasion der Ninja-Killer zu verhindern, aus diesem Grunde gingen sie auch den gleichen Weg.
Zu den Wracks konnte man vom Land her gelangen, aber auch über das Wasser. Suko und seine Freunde hatten sich für die letzte Möglichkeit entschieden. Sie wollten mit Booten fahren. Wie Piraten, wie Diebe des Meeres und dann an Bord der Schiffe gehen, um die Ninja dort zu einem gewaltigen Kampf zu stellen.
Ob es ihnen gelang und ob sie auch Sieger blieben, das stand alles in den Sternen.
»Wirst du ebenfalls mit dabei sein?«, erkundigte sich Suko.
Chu Weng nickte ernst. »Ja, ich komme hin.«
»Aber nicht mit dem Boot?«
»Nein.« Der greise Mann schob seinen Ärmel zurück, damit das Zifferblatt der Uhr freilag. Er schaute drauf und nickte. »Es wird Zeit«, sagte er zu den anderen.
»Wo sind die Leute?«
Suko bekam auf seine Frage die richtige Antwort. »Sie sind unterwegs und müssten hier eintreffen.«
Kaum hatte er die Worte gesprochen, als Suko das Brummen hörte. Wenig später sah er den Schatten, in dessen unterer Hälfte zwei weiße Glotzaugen hervorstachen.
Dem Motorengeräusch nach war es ein Lastwagen, der über den Pier rollte. Schon bald schälte sich sein Aufbau hervor. Die Männer traten zur Seite, damit der Fahrer Platz bekam, den Wagen in die Lücke zwischen dem alten Bootshaus und den abgestellten Lincoln zu lenken, wo er ihn auch anhielt.
Sehr schnell verließ der Fahrer den Wagen und blieb vor Chu Weng stehen, um sich zu verbeugen.
»Du hast alle?«, fragte der greise Chinese.
»Ja, Herr.«
»Dann lass sie absteigen.«
Der Fahrer ging um seinen Wagen herum. Suko beobachtete, wie er an der Rückseite stehen blieb und die Verschnürung der Plane aufzurrte. Wenig später fiel die Klappe.
Es gab kein Geschrei, keine Fragen, keine Beschwerden. Nicht einmal gesprochen wurde. Die Männer waren sehr diszipliniert. Sie sprangen von der Ladefläche und stellten sich nebeneinander auf, ohne dass ein Befehl gegeben werden musste.
Suko schaute sie an.
Nur Chinesen sah er vor sich. Chu Weng hatte seine Streitmacht mobilisiert. Es waren Männer, die durch eine harte Schule gegangen waren. Keine Mörder oder Totschläger, sondern Leute, die die Lebensphilosophie des alten China mit auf den Weg bekommen hatten: So wenig Gewalt anzuwenden wie möglich. Wenn es sein musste, dann richtig und mit wahrhaft durchschlagendem Erfolg.
Sie trugen keine normale Straßenkleidung, sondern die Kampfkleidung der Karatekämpfer. Und sie waren bewaffnet. In der Dunkelheit schimmerte der Stahl ihrer Schwerter, Wurfsterne und Nunchakis.
Chu Weng schritt die »Front« ab. Er sprach kein Wort, schaute nur und bewegte die Lippen, als er lautlos zählte. Der Mann, der Suko angegriffen hatte, hielt sich stets einen Schritt hinter seinem Herrn und Meister, als dieser die Männer einzeln anschaute und sich sein Blick in ihren unbewegten Gesichtern festfraß.
Er war zufrieden. Das sah Suko,...