73. Kapitel
Grundsicherung für Arbeitssuchende
I. Unterschied zwischen Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem SGB II und der Grundsicherung nach dem SGB XII
Bei der Grundsicherung nach dem SGB II geht es darum, dem leistungsberechtigten Arbeitsuchenden ein Leben zu ermöglichen, das der Würde des Menschen entspricht (§ 1 Abs. 1 SGB II). Voraussetzung für den Leistungsbezug nach dem SGB II ist ua, dass der Leistungsberechtigte arbeitsfähig ist.
Bei der Grundsicherung nach dem SGB XII geht es darum, im Rahmen der Sozialhilfe den Leistungsberechtigten die Führung eines Lebens zu ermöglichen, das der Würde des Menschen entspricht (§ 1 Abs. 1 S. 1 SGB XII).
Bei den Leistungen nach dem SGB II kommt der Gedanke des Förderns und des Forderns heraus. Leistungen erhalten nur die Personen, die sich ihrerseits selber um Arbeit bemühen.
8II. Voraussetzungen für den Leistungsbezug nach dem SGB II
Bei der Grundsicherung für Arbeitssuchende ist die Zugehörigkeit zum Personenkreis des § 7 SGB II unabdingbar. Danach können Leistungen gewährt werden an die Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht überschritten haben. (Zur Altersgrenze nach § 7a SGB II sei auf die Ausführungen zum Bezug von Altersrenten im Kapitel Rentenversicherung verwiesen). Weitere zwingende Voraussetzung ist, dass die leistungsberechtigte Person erwerbsfähig und hilfebedürftig ist und seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland hat (§ 7 Abs. 1 SGB II). Ausländische Personen erhalten unter bestimmten weiteren Voraussetzungen ebenfalls Leistungen nach dem SGB II.
Eine weitere berechtigte Personengruppe sind die Personen, die mit einer erwerbsfähigen Person eine Lebensgemeinschaft (sog. Bedarfsgemeinschaft) bilden. Zu diesen Personengruppen gehören neben den jeweiligen Ehegatten, die Eltern und Kinder der leistungsberechtigten Person.
III. Voraussetzungen für den Leistungsbezug nach dem SGB XII
Die Leistungen nach dem SGB XII ergeben sich aus § 8 SGB XII. Dort sind die Leistungen im Einzelnen bezeichnet, die an den bedürftigen Personenkreis geleistet werden können. Für Rentenbezieher sind das in erster Linie:
- Hilfen zum Lebensunterhalt,
- Leistungen zur Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung,
- Hilfen zur Gesundheit,
- Hilfe zur Pflege,
- 9Hilfen zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten
- sowie Hilfe in anderen Lebenslagen.
Die Gewährung der einzelnen Leistungen ist davon abhängig, dass die gebotene Beratung und Unterstützung einerseits vom Leistungsträger angeboten und andererseits vom Leistungsempfänger auch angenommen wird. Die Beratung und Unterstützung ergibt sich aus dem Leistungskatalog des SGB XII und ist Einzelfallabhängig. Eine konkrete Verpflichtung besteht im Einzelfall für beide Seiten. So hat zB das BSG mit Urteil v. 12.12.2013 (Az.: B 8 SO 13/12 R) entschieden, dass der Sozialhilfeträger dann die Kosten einer Krankenhausnotbehandlung tragen muss, wenn ein med. Notfall vorgelegen hat. Darüber hinaus muss eine rechtzeitige Verständigung des Sozialhilfeträgers nicht möglich gewesen sein. Letztlich kann das dazu führen, dass das Krankenhaus dann auf den entstandenen Kosten "sitzen" bleibt, wenn ein Eilfall nicht vorgelegen hat. Die Angehörigen das "Notfallpatienten" sollten deshalb umgehend den Sozialhilfeträger - nach Möglichkeit am Tage der Einlieferung ins Krankenhaus - informieren. Sonst könnten sie Gefahr laufen, im Wege des Schadensersatzes vom Krankenhausträger in Regress genommen zu werden.
IV. Wer erhält Leistungen nach dem SGB XII?
Grundvoraussetzung für die Inanspruchnahme von Leistungen nach dem SGB XII ist, dass keine Leistungen von anderen Leistungsträgern erbracht werden bzw. dass deren Leistungen nicht ausreichend sind.
Um Leistungen nach dem SGB XII zu erhalten, sind weitere persönliche Voraussetzungen zu erfüllen. So regelt das Gesetz, dass "Älteren und dauerhaft voll erwerbsgeminderten Personen mit gewöhnlichem Aufenthalt im Inland, die ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht aus Einkommen und Vermögen nach den §§ 82 bis 84 und 90 bestreiten können", Leistungen zur Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung zu leisten ist. Damit eine solche Leistung gewährt werden kann, ist ein entsprechender Antrag erforderlich.
10Wichtig
Die Gewährung von Leistungen an Personen, die dauerhaft voll erwerbsgemindert sind, setzt nicht zwingend einen entsprechenden Rentenantrag bei der gesetzlichen Rentenversicherung voraus. Die Gewährung einer solchen Rente aus der gRV ist davon abhängig, dass weitere Voraussetzungen erfüllt werden.
Wird eine Rente aus der gRV wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer bezogen, prüft der Sozialhilfeträger nicht erneut, ob die medizinischen Voraussetzungen für eine solche Rente erfüllt sind. Er ist vielmehr an die Entscheidung des Rentenversicherungsträgers gebunden.
Wichtig
Kann eine Rente wegen voller Erwerbsminderung aus der gesetzlichen Rentenversicherung nicht beansprucht werden, prüft gleichwohl der Rentenversicherungsträger, ob volle Erwerbsminderung auf Dauer vorliegt. Die Feststellung des Rentenversicherungsträgers ist endgültig. Sie kann aber überprüft werden.
"Ältere Personen" im Sinne des SGB XII sind jene Personen, die die Altersgrenze für eine Regelaltersrente erfüllt haben. Diese Regelaltersrente setzt die Erfüllung des 65. Lebensjahres voraus. Für nach dem 31.12.1946 geborene Personen wird die Altersgrenze schrittweise angehoben. Die Anhebung beginnt bei Personen, die nach dem 31.12.1946 geboren wurden mit lediglich einem Kalendermonat und steigt dann kontinuierlich, bis bei Personen des Geburtsjahrgangs 1964 die Regelaltersgrenze mit 67 Jahren erreicht wird.
BEISPIEL: Die hilfebedürftige Person ist am 30.06.1949 geboren. Wann könnte eine Regelaltersrente beginnen?
Lösung:
Die Person vollendet ihr 65. Lebensjahr am 29.06.2014 (am Tag vor dem Geburtstag wird das Lebensjahr vollendet). Bei Personen des Geburtsjahrgangs 1949 wird der mögliche Rentenbeginn um 3 Monate angehoben. Die Regelaltersrente könnte somit am 01.10.2014 beginnen.
11Wichtig
Auch wenn eine bereits abschlagsfreie vorzeitige Altersrente durch die gRV bewilligt wurde, kommt es für die Leistungen nach dem SGB XII darauf an, dass das Lebensalter für die Regelaltersrente erreicht ist. Wird vor Vollendung des Lebensalters wegen zu geringen Einnahmen Leistungen beantragt werden, handelt es sich dann um Leistungen nach dem SGB II.
Auch wichtig
Die Notlage, die zum Leistungsbedarf nach dem SGB XII führt, muss unverschuldet sein. Wer also vorsätzlich oder grob fahrlässig seine eigene wirtschaftliche Notlage herbeigeführt hat, verliert seinen möglichen Anspruch auf Leistungen zur Grundsicherung im Alter sowie bei Erwerbsminderung. Unbeschadet vom Verlust dieses Anspruchs kann er aber ggf. Hilfen zum Lebensunterhalt bekommen.
V. Was kann zum Verlust des Anspruchs führen?
Wer Vermögen hat und dieses verschenkt, kann seinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB XII einbüßen. Obwohl das Gesetz den Verlust des Anspruchs dann vorsieht, wenn die Bedürftigkeit vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt wurde, muss der Bedürftige selber beweisen, dass weder Vorsatz noch grobe Fahrlässigkeit zur Notlage geführt hat.
Ob Vorsatz vorgelegen hat, ist sicherlich eine Einzelfallentscheidung. Wichtig ist aber, dass der Bedürftige seine wirtschaftliche Notlage absichtlich herbeigeführt hat. Das bedeutet, dass es ihm nicht absichtlich darauf ankommt, seine Notlage zu verursachen. Dabei reicht es aus, wenn er die Möglichkeit einer wirtschaftlichen Notlage billigend in Kauf nimmt. So darf zB ein Bestattungsvorsorgevertrag nicht dazu missbraucht werden, absichtlichen Vermögensverlust zu verursachen.
Der Verlust der Ansprüche auf Leistungen nach dem SGB XII ist auch dann möglich, wenn die wirtschaftliche Notlage grob fahrlässig herbeigeführt worden ist. Grobe Fahrlässigkeit liegt dann vor, wenn 12die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt worden ist. Die erforderliche Sorgfalt ist danach dann verletzt, wenn einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt werden. Das heißt nach Rechtsauffassung des BSG, dass solche Überlegungen dem Bedürftigen selber einleuchten müssen. Kann wegen der Komplexität der Bedürftige dieses aber nicht nachvollziehen, ist in der Regel keine grobe Fahrlässigkeit gegeben. Das BSG führt in verschiedenen Urteilen dazu aus, dass "das Maß der Fahrlässigkeit insbesondere nach der persönlichen Urteils- und Kritikfähigkeit, dem Einsichtsvermögen des Beteiligten sowie der besonderen Umstände des Falles zu beurteilen" ist. So ist sicher Voraussetzung, dass der Betroffene Bescheide liest und sich ggf. bei der erlassenden Behörde rückversichert, ob und ggf. welche Leistungen ihm zuerkannt oder abgelehnt wurde. Die erlassende Behörde selber ist zur entsprechenden Aufklärung von Gesetzes wegen verpflichtet.
VI. Wie wird die Höhe der Hilfeleistung berechnet?
Für die Berechnung der Höhe der Hilfeleistung sind der Familienstand, die Einnahmen aller zum Haushalt (Bedarfsgemeinschaft) gehörenden Personen...