Schweitzer Fachinformationen
Wenn es um professionelles Wissen geht, ist Schweitzer Fachinformationen wegweisend. Kunden aus Recht und Beratung sowie Unternehmen, öffentliche Verwaltungen und Bibliotheken erhalten komplette Lösungen zum Beschaffen, Verwalten und Nutzen von digitalen und gedruckten Medien.
»Beschaffung findet immer häufiger nicht nur auf Regierungs-, sondern auch auf Unternehmensebene als Wettstreit der Nationen und der Systeme statt.«
In diesem Kapitel richten wir unseren Blick auf den Einkauf rund um den Globus. Zunächst stehen die Unterschiede in der Kommunikation, der Verhandlung, der Arbeitsweise und der Mentalität von anderen Ländern im Vergleich zur DACH-Region im Fokus. Praxisbeispiele aus China, Mexiko, Polen und Rumänien geben tiefere Einblicke in die interkulturelle Kommunikation. Wir gehen den Fragen nach: Wovon können wir lernen? Was gilt es zu beachten, bevor neue Beschaffungsquellen gesucht werden? Worin liegen die Risiken? Welche Konsequenzen lassen sich aus dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz ziehen, das am 1. Januar 2023 in Kraft getreten ist? Und nicht zuletzt: Wie können geänderte Beschaffungsstrategien die Abhängigkeit von globalen Märkten abfedern? In diesem Zusammenhang werden die Vor- und Nachteile einer lokalen Beschaffung als Alternative zur globalen Beschaffung aufgezeigt.
Die wichtigsten internationalen Beschaffungs- und Absatzmärkte zu kennen, ist die Grundlage einer jeden Einkaufsstrategie. Das gilt für mittelständische Unternehmen, große Konzerne und Regierungen gleichermaßen.
Beim Erarbeiten einer Einkaufsstrategie in Zeiten globaler Verflechtung und pandemie- wie kriegsbedingten Lieferproblemen unterscheiden wir zunächst einmal grob drei Gruppen von Einkäufern: im mittelständischen Unternehmen, in großen Konzernen, in staatlichen Ämtern und Behörden. Im Fokus unserer Betrachtung liegen die beiden ersten Gruppen, jedoch nicht ohne darauf hinzuweisen, dass alle - auch wenn die Dimensionen andere sind - die gleichen Herausforderungen meistern müssen. Hierzu zählen: die Lieferkette sicherstellen, alte Abhängigkeiten minimieren, ohne neue zu schaffen, gute Verhandlungspositionen erarbeiten und darüber hinaus bei allen Entscheidungen immer auch die Aspekte der Nachhaltigkeit zu berücksichtigen.
Viele Unternehmer und CEOs denken aufgrund der aktuellen Schwierigkeiten in der Lieferkette über eine Verlagerung von Produktionsstätten von Asien nach Europa nach. Es hat sich gezeigt, dass sogar China, das zu Beginn der Pandemie scheinbar besser durch die Krise gekommen ist und schnell wieder erhebliches Wachstum geniert hatte, durch seinen harten No-Covid-Kurs und neue Lockdowns im Jahr 2022 seinen erheblichen Vorsprung wieder eingebüßt hat. Parallel hierzu erlebt die Europäische Union gerade einen Bedeutungszuwachs. Der Zusammenhalt wächst auch durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine. Die Wahl in Frankreich hat den Pro-Europäer Emmanuel Macron im Amt bestätigt, in Slowenien wurde der »umstrittene Rechtspopulist Jansa«8 abgewählt und der Quereinsteiger Golop gewann klar die Präsidentschaftswahl. Auch er gilt als Befürworter der EU. Ohne das Thema Politik hier weiter zu vertiefen, denke ich, dass Unternehmen, die über eine Verlagerung in lokale beziehungsweise europäische Produktionsstätten nachdenken, auch mit Rückenwind von der Politik rechnen können. So ist auf der offiziellen Website der Europäischen Kommission eine Meldung vom 18. Mai 2021 zu lesen:
»Die Europäische Kommission hat heute eine Mitteilung über die Unternehmensbesteuerung im 21. Jahrhundert angenommen, um ein solides, effizientes und faires Unternehmenssteuersystem in der Europäischen Union zu fördern. Darin werden sowohl eine langfristige als auch eine kurzfristige Vision skizziert, wie die Erholung Europas nach der COVID-19-Pandemie unterstützt und angemessene öffentliche Einnahmen in den kommenden Jahren gewährleistet werden können. Ziel ist es, ein gerechtes und stabiles Unternehmensumfeld zu schaffen, das ein nachhaltiges Wachstum mit vielen neuen Arbeitsplätzen in der EU fördern und unsere offene strategische Autonomie stärken kann.«9
Für eine Führungskraft im Einkauf ist es erforderlich, über alle EU-Fördermittel in diesem Zusammenhang informiert zu sein, um Entscheidungen über einen Wandel im strategischen Einkauf besser treffen zu können.
Zunächst einmal betrachten wir den Einkauf und einige Beschaffungsmärkte rund um den Globus. Mit meinen Einschätzungen, die hier im Folgenden zusammengefasst sind, strebe ich nicht nach Vollständigkeit, sondern möchte aufzeigen, wie wichtig das Beherrschen interkultureller Kommunikation ist und wie sehr es sich lohnt, mehr über andere Länder und Kulturen zu wissen und mehr noch: wie zentral es ist, von allen zu lernen. Nehmen Sie es als Entscheidungshilfe für eine Neuausrichtung beziehungsweise einen Wandel Ihrer Einkaufsstrategie. Im Kapitel »Human Touch« (Kapitel 5.3) werde ich die Bedeutung der interkulturellen Kommunikation noch weiter ausbauen. Denn darunter ist nicht nur die Beziehung zum Kunden, sondern auch zu den Lieferanten zu verstehen beziehungsweise die Beziehung zu allen Verhandlungspartnern.
Lassen Sie es mich salopp ausdrücken: Deutsche - ob Firmen, Manager oder die jeweilige Regierung - folgen dem Geld. Wer am billigsten produziert, wer die besten Gewinne verspricht, zugleich einen attraktiven Absatzmarkt in Aussicht stellt, der bekommt den Zuschlag. Mit einer gewissen Arroganz gehen wir zu Beginn von Handelsbeziehungen in andere Länder und fühlen uns überlegen beziehungsweise strahlen Überheblichkeit aus. Verbunden mit einer gewissen Naivität geraten wir so in tiefe Abhängigkeiten und werden blind dafür, dass wir immer mehr ins Hintertreffen geraten. Know-how geht außer Landes, alles »nur«, um kurzfristig die Rendite zu erhöhen. Aus Fehlern lernen? Fehlanzeige! Derzeit wiederholt sich das Vorgehen mit China in den 90er-Jahren mit Ländern im arabischen Raum. Es findet ein Abwandern von Topleuten nach Dubai, Katar oder Saudi-Arabien statt. Deutschland kann viele gute Fachkräfte nicht halten. Die Bezahlung ist im Vergleich zu diesen Ländern nicht attraktiv, die Besteuerung wesentlich höher. Hinzu kommen auch noch hohe Mieten, steigende Immobilienpreise und horrende Baukosten. Für ein hohes Gehalt, ungeahnten Luxus, Prestige und hervorragende Arbeitsbedingungen - wohlgemerkt für Fachkräfte, das gilt natürlich nicht für Haushaltshilfen oder Bauarbeiter - lassen sie Deutschland hinter sich. Wer will es ihnen verübeln. Hinzu kommt noch, dass Deutschland auch für Fachkräfte aus dem Ausland nicht gerade erste Wahl ist, und die Willigen scheitern dann meist an der deutschen Bürokratie.10
Selbstverständlich ist das viel zu pauschal, denn es gibt glücklicherweise auch Gegenbeispiele. Deutschland steht nach wie vor für hochkarätige führende Unternehmen. So hat das deutsche Biotechnologieunternehmen Biontech SE mit Sitz in Mainz den ersten Corona-Impfstoff entwickelt und nicht umsonst haben sich Tesla und Intel für deutsche Standorte entschieden. Der Inbegriff für eine lokale Einkaufsstrategie ist Firmenchef Wolfgang Grupp. Seit Jahren schwimmt er mit seinem Unternehmen Trigema gegen den Strom und hat mit seiner Entscheidung, allein in Deutschland zu produzieren, sogar einen Markenkern geschaffen. Lange bevor »Nachhaltigkeit« in sämtlichen Unternehmenskommunikationen Einzug gehalten hat, wurde sie in seinem Unternehmen gelebt. »Wolfgang Grupp ist vielleicht der streitbarste Unternehmer des Landes. Er ist völlig aus der Zeit gefallen und gleichzeitig seltsam modern.«11
Betrachten wir zunächst unser Abhängigkeitsverhältnis zu China. Das Reich der Mitte ist groß geworden durch das Kopieren von Produkten. Hierzu muss man wissen, dass das Kopieren einen anderen Stellenwert hat als bei uns. Es ist etwas Ehrenhaftes und drückt Wertschätzung aus: Man kopiert nur die Besten. Kopieren ist tief verankert in der chinesischen Kultur.12 Von den Besten lernen und sich verbessern, um an die Weltspitze zu kommen, das war und ist das (fast schon erreichte) Ziel der Volksrepublik. Disziplin wird von klein auf gelernt, anderen zu dienen gilt als höchste Verwirklichung. Über die Jahre haben westliche Firmen sehr viel Know-how abgegeben. In China trifft es auf fruchtbaren Boden. So entstehen hochmoderne »Science Cities« wie Shanghai, die sich mit Hilfe modernster Wissenschaft den zentralen Aufgaben der digitalen Zukunft widmen.
»China etwa hat seinen Aufstieg mit dem Kopieren von Produkten begonnen, seinen Weg an die Spitze aber will sich das Reich der Mitte mit der Forschung in Zukunftstechnologien bahnen, etwa bei der künstlichen Intelligenz. Fühlten sich die Deutschen vor zwei Jahrzehnten noch als Entwicklungshelfer, befinden sie sich heute allerhöchstens auf Augenhöhe - und könnten in einigen Jahren zu Bittstellern abgestiegen sein. Wer China als totalitäres System begreift, muss das als Aufforderung zum Handeln...
Dateiformat: ePUBKopierschutz: Adobe-DRM (Digital Rights Management)
Systemvoraussetzungen:
Das Dateiformat ePUB ist sehr gut für Romane und Sachbücher geeignet – also für „fließenden” Text ohne komplexes Layout. Bei E-Readern oder Smartphones passt sich der Zeilen- und Seitenumbruch automatisch den kleinen Displays an. Mit Adobe-DRM wird hier ein „harter” Kopierschutz verwendet. Wenn die notwendigen Voraussetzungen nicht vorliegen, können Sie das E-Book leider nicht öffnen. Daher müssen Sie bereits vor dem Download Ihre Lese-Hardware vorbereiten.Bitte beachten Sie: Wir empfehlen Ihnen unbedingt nach Installation der Lese-Software diese mit Ihrer persönlichen Adobe-ID zu autorisieren!
Weitere Informationen finden Sie in unserer E-Book Hilfe.