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Ehe wir Goethe in Ilmenau ankommen lassen, halten wir unsere Erzählung an. Und blicken zurück auf seine früheren Erfahrungen und Erlebnisse dort.
Im Mai 1776 ist er erstmals hier; äußert jenes die Gegend ist herrlich herrlich!
Seit wenigen Monaten weilt er in Thüringen.
Er hat seine Laufbahn als bürgerlicher Schriftsteller mit einer Anwaltspraxis zum Broterwerb in der freien Reichsstadt Frankfurt am Main aufgegeben, hat seine hessische Heimat verlassen, um sich, gerufen von einem jungen Fürsten, auf eine politische Karriere in der Regierung eines winzigen Fürstentums in Thüringen einzulassen.
Reizt ihn auch die Idee der Fürstenerziehung? Es sei ein wunderbaar Ding ums Regiment dieser Welt, so einen politisch moralischen Grindkopf nur halbe weegen zu säubern und in Ordnung zu halten, schreibt er.
Er, der sich bisher mit der Rolle des Lehrmeisters seiner Schwester Cornelia zu begnügen hatte, gefällt sich nun in der weitaus attraktiveren dem acht Jahre jüngeren Landesfürsten gegenüber.
In der wahrsten und innigsten Seelen Verbindung stehe er zu Carl August, und später, als er ihn an seine Geschäffte gebunden hat, heißt es: aus unsrer Liebschafft ist eine Ehe entstanden.
Am 11. Juni 1776 wird er zum Geheimen Legationsrat ernannt und in die Weimarer Regierung berufen.
Ein kleines armes Land hat er erwählt.
Nicht ohne schauspielerischen Übermut stilisiert er sich, triumphierend schreibt er neun Monate nach seiner Ankunft in Thüringen: Ich bin nun ganz in alle Hof- und politische Händel verwickelt ... Meine Lage ist vortheilhaft genug, und die Herzogthümer Weimar und Eisenach immer ein Schauplatz, um zu versuchen, wie einem die Weltrolle zu Gesichte stünde.
Goethe sei nun Geheimer Legationsrat und sitzt im Ministerio unseres Herzogs, äußert Wieland und prophezeit: er wird viel Gutes schaffen, viel Böses hindern, und das muß ... uns dafür trösten, daß er als Dichter wenigstens auf viele Jahre für die Welt verloren ist. Denn Goethe tut nichts halb. Da er nun einmal in diese neue Laufbahn getreten ist, so wird er nicht ruhen, bis er am Ziel ist; wird als Minister so groß sein, wie er als Autor war.
Goethe selbst vergleicht sich ein wenig kokett mit dem König von Preußen. Wenn ein deutscher Dichter ist so ist ers, schreibt er am 14. Mai 1780 an Johann Georg Christian Kestner. Meine Schriftstellerey subordinirt sich dem Leben, doch erlaub ich mir, nach dem Beyspiel des grosen Königs der täglich einige Stunden auf die Flöte wandte, auch manchmal eine Übung in dem Talente das mir eigen ist.
Der Konflikt zwischen Minister und Autor beginnt schon bald zu schwelen.
Zuwachs im Praktisch-Tätigen innerhalb der Regierungsarbeit und drohender Verlust des poetischen Vermögens stehen sich gegenüber. Er gewinne täglich mehr in Blick und Geschick zum thätigen Leben. Doch ist mirs wie einem Vogel der sich in Zwirn verwickelt hat, ich fühle, dass ich Flügel habe und sie sind nicht zu brauchen, heißt es schon 1780.
Aber noch überhört oder verdrängt Goethe die innere Stimme.
Mit Feuereifer stürzt er sich in die Arbeit.
Bei seinen vielfältigen Aufgaben in der Weimarer Regierungsbehörde, dem Geheimen Consilium, nimmt die Tätigkeit abseits der Residenzstadt Weimar im ärmsten Landesgebiet, der Exklave des Amtes Ilmenau – und nur darüber reden wir hier –, eine besondere Stellung ein.
Das Amt Ilmenau umfaßt die gleichnamige Stadt, acht Dörfer in ihrem nördlichen Vorland, im südlichen Waldgebiet einige Häuser von Manebach (beim Steinkohlenbergwerk Kammerberg) und ein Teil von Stützerbach (etwa zwölf Häuser).
Der junge Herzog hat bei seinem Regierungsantritt 1775 den Entschluß gefaßt, den Bergbau in Ilmenau wiederzubeleben.
Seit Mitte des 15. Jahrhunderts wurden in Ilmenau Silber und Kupfer gefördert. An der Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert fanden 600 bis 800 Knappen Arbeit und Brot im Bergwerk.
Zahlen sind überliefert. Die Stollen der Sturmheide brachten im Zeitraum von 1730 bis 1739, innerhalb von nur neun Jahren, einen Gewinn von 288 878 Reichstalern. Eine beträchtliche Summe.
1739 kam die Förderung durch einen Wassereinbruch zum Erliegen.
Drei Jahre später, 1741, fällt das Ilmenauer Amt aus Teilen der Hennebergischen Erbschaft an das Weimarer Herzogtum. In dem fast ausschließlich von Landwirtschaft geprägten Ländchen knüpft der Landesherr große wirtschaftliche Erwartungen an die Bodenschätze des neu hinzugekommenen Gebietes. Es soll die Einnahmequelle für das nicht mit Reichtümern gesegnete Land werden.
Goethe ist, als die Entscheidung fällt, noch nicht zugegen. Aber er bekundet, als er von dem Plan erfährt, sofort Interesse.
Bei seinem ersten Besuch in Ilmenau 1776 fährt er bereits einen Tag nach seiner Ankunft, am 4. Mai, in ein stillgelegtes Bergwerk ein. Auch über Tage sieht er die toten Zeichen der einstmals florierenden Zechen; traurig die alten Ofen, schreibt er seinem Herzog.
Bereits wenig später, am 20. Juli, inspiziert er mit Carl August und dem Vizeberghauptmann Friedrich Wilhelm Heinrich von Trebra aus Clausthal-Zellerfeld den Threuen-Friedrich-Schacht.
Trebra, der Fachmann, hat ein Gutachten erstellt. Um das Ilmenauer Bergwerk wieder in Gang zu bringen, sei eine Summe von 22 500 Reichstalern notwendig, verteilt auf drei Jahre, danach werde es gewinnbringend arbeiten.
Der Herzog gründet eine Bergwercks-Commission. Kammerpräsident Johann August von Kalb steht ihr vor. Hofrat Eckardt gehört ihr an.
Am 18. Februar 1777 beruft Carl August seinen Freund und Favoriten in die Kommission. Goethe trägt nun den Titel: Bergwercks-Commisar.
Mit Kalb muß er Differenzen gehabt haben, wie aus einer Tagebuchnotiz Goethes von 1778 zu schließen ist. Hundsfüttisches Votum von K in der Bergw. Sache heißt es da.
Am 8. April 1780 wird Kalb suspendiert. Mit Dekret vom 18. April überträgt der Herzog Goethe die Direction über alle Bergwercks-Angelegenheiten in Unseren sämtlichen Fürstlichen Landen.
Da er nichts aus Büchern lernen kann, wie er sagt, habe er die meilenlangen Blätter unserer Gegenden umgeschlagen; auf Ritten und Wanderungen erkundet er geologisch den Raum um Ilmenau.
Durch den Bergbau wird er in das Reich der Steine, in die Mineralogie und Geologie eingeführt; hier ist der Ausgangspunkt seines Weges als Naturwissenschaftler. Hier beginnt sein Gespräch mit der Erde.
Ilmenau wird zum Raum seiner Feldforschung, in dem Naturerfahrung und Menschenerfahrung eine ungewöhnliche Symbiose eingehen.
Er sei höchst unwissend in allen Naturstudien nach Weimar gekommen und erst die Unternehmungen des Herzogs hätten ihn zum Studium der Natur getrieben, wird er später sagen. Ilmenau hat mir viel Zeit, Mühe und Geld gekostet, dafür habe ich auch etwas dabei gelernt und mir eine Anschauung der Natur erworben, die ich um keinen Preis umtauschen möchte.
Und: Ohne meine Bemühungen in den Naturwissenschaften hätte ich jedoch die Menschen nie kennengelernt, wie sie sind.
Wir sind auf die hohen Gipfel gestiegen und in die Tiefen der Erde eingekrochen, und mögten gar zu gern der grosen formenden Hand nächste Spuren entdecken. Es kommt gewiss noch ein Mensch der darüber klaar sieht. Wir wollen ihm vorarbeiten, formuliert er am 7. September 1780. Und auf das Ilmenauer Bergwerk bezogen: Könnten wir nur auch bald den armen Maulwurfen von hier Beschäfftigung und Brod geben.
Goethes Einstieg in die ihm fremde Materie der Steine geschieht nicht auf der akademischen Ebene, sondern im Hinblick auf praktisch-menschliche Tätigkeit. Die Mineralien begegnen ihm nicht als Musterstücke einer Lehrsammlung, sondern als natürliche Vorkommen im Gebirge, die in mühseliger Arbeit vom Bergmann aus der Masse des Gesteins als nutzbare Erze herausgelöst werden müssen.
Dieser Einstieg in die Berg- und Gesteinslust ist folgenreich. 1829 schreibt er: Wo der Mensch im Leben hergekommen, die Seite von welcher er in ein Fach hineingekommen läßt ihm einen bleibenden Eindruck ... ich habe mich der Geognosie (älterer Ausdruck für Geologie) befreundet, veranlaßt durch den Flözbergbau.
Zu dem Umschlagen der meilenlangen Blätter unserer Gegenden zu geologischen Zwecken tritt das Gespräch mit den Bewohnern der Region. Durch das Ilmenauer Bergwerk lernt Goethe Menschen kennen, denen er in einer Frankfurter Rechtsanwaltspraxis niemals begegnet wäre.
Hautnahe Berührungen. Mit denen Leuten leb ich, red ich, und lass mir erzählen. Wie anders sieht auf dem Plazze aus was geschieht als wenn es durch die Filtrir Trichter der Expeditionen eine Weile läufft ...
Die Erfahrungen schärfen sein soziales Gespür. Im Vorfeld einer Consiliumssitzung notiert er: Bei denen ohne Frage überspannten Abgaben der Unterthanen ist ihnen die möglichste Nachsicht zu gönnen. Immer aber muß die alte Betrachtung wieder vor Augen stehen, dass der Unterthan in seinen bekannten Umständen jederzeit Mitleiden und Nachsicht verdient.
Aus Ilmenau heißt es an Herder: Das arme Volck muß immer den Sack tragen und es ist ziemlich einerley ob er ihm auf der rechten oder lincken Seite schweer wird.
Ebenfalls aus Ilmenau, von einem...
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