Schweitzer Fachinformationen
Wenn es um professionelles Wissen geht, ist Schweitzer Fachinformationen wegweisend. Kunden aus Recht und Beratung sowie Unternehmen, öffentliche Verwaltungen und Bibliotheken erhalten komplette Lösungen zum Beschaffen, Verwalten und Nutzen von digitalen und gedruckten Medien.
Während die Kamera lief, tat Marcus alles, um das Offensichtliche nicht zugeben zu müssen: Das hier war eine wirklich dämliche Art zu sterben.
Also ließ er auf Anweisung des Regisseurs ein kehliges Heulen erklingen und ritt abermals mitten hinein in das Chaos des Krieges; der metallische Geschmack von Adrenalin lag auf seiner Zunge, als er durch die dichten Wolken der Nebelmaschinen galoppierte. Brüllende Stuntleute rauschten auf ihren Pferden an ihm vorbei, während sein eigenes rhythmisch weitertrabte. Matsch - oder, dem Geruch nach zu urteilen, irgendeine finstere Mischung aus Matsch und Pferdescheiße - spritzte gegen seine Wange. Der Kamerawagen raste ihm voraus, und der schwenkbare Arm auf dem SUV fing all seine Hingabe und seine Verzweiflung ein.
Zugegeben, Marcus fand das Skript der aktuellen Staffel ziemlich übel. Aber das hier, das liebte er. Wie echt sie alles wirken lassen konnten. Mit dem enormen Budget der Serie konnte man gigantische Nebelmaschinen ranschaffen, all die Seilkameras aufspannen, Stuntmenschen anheuern und sein Reittraining bezahlen. Unzählige Hektar an der spanischen Küste wurden nur zu einem einzigen Zweck abgesperrt: um die finale epische Schlacht der Serie abzudrehen. Und es erlaubte ihnen, die ganze Sache Woche um Woche um endlos zähe Woche zu proben und zu filmen, um am Ende genau die gewünschten Aufnahmen im Kasten zu haben.
Es war eine Qual. Ziemlich oft sogar. Aber weil die Crew, die hinter den Kulissen agierte und aus fast tausend Vollprofis bestand, alles so gründlich, so überzeugend vorbereitet hatte, fiel es ihm leichter, sich nicht in negativen Gedanken zu verlieren. Das diffuse Chaos um ihn herum half ihm dabei, in seine Rolle zu schlüpfen, auch wenn er die Schauspielkünste, die eine solch erfolgreiche Serie und jene Szene im Speziellen von ihm verlangten, eigentlich sowieso mühelos abrufen konnte.
Es gab keinen Schnitt, als Dido - beziehungsweise Carah, seine talentierte Kollegin seit inzwischen mehr als sieben Jahren, als damals die Vorproduktion der Serie begann - durch den Nebel trat, an exakt der Stelle, an der sie es geprobt hatten, und mit einem Schwert direkt auf ihn zielte. Die Produzenten der Show hatten sich für die Schlacht-Sequenzen möglichst lange, fortlaufende Aufnahmen gewünscht.
«Ich bin hier, um Rache zu nehmen, Aeneas der Verräter!», rief Dido, ihre Stimme rau und brüchig vor Zorn. Und außerdem vor echter Erschöpfung, vermutete er.
In sicherer Entfernung brachte er sein Pferd zum Stehen und saß ab. Er schritt zu ihr, schlug ihr Schwert mit einer schnellen Bewegung zur Seite und packte ihre Schultern.
«Und ich bin deinetwegen hier, meine Geliebte!» Er umfasste ihr Gesicht mit einer schmutzigen Hand. «Sobald ich erfahren hatte, dass du wieder am Leben bist, bin ich hierhergeeilt. Nicht einmal die Rückkehr der Toten aus dem Tartaros konnte mich aufhalten. Nichts und niemand außer dir bedeutet mir etwas. Lass die Welt brennen. Ich will dich, dich allein, und ich würde selbst den Göttern trotzen, um dich zu besitzen.»
Dass diese Drehbuch-Sätze der Entwicklung der Charaktere über die letzten Staffeln hinweg komplett widersprachen - ganz zu schweigen von den Büchern, die die Serie inspiriert hatten -, darüber würde er sich keine Gedanken machen. Nicht jetzt.
Für einen Moment entspannte sich Carah unter seiner Berührung und schmiegte ihr Gesicht an seine Handfläche.
Zu diesem Zeitpunkt des langen Drehtages stank sie. So wie er. So wie alle anderen. So wie das mit Pferdeäpfeln übersäte Feld. Matsch hatte sich an Stellen festgesetzt, an die er lieber gar nicht denken mochte. Um also elend und müde auszusehen, so als hätte er bis hierher sämtlichen Widrigkeiten erfolgreich getrotzt, musste er sich nicht wirklich anstrengen.
Dido stieß ihn von sich.
«Du bist ein Halbgott», erinnerte sie ihn höhnisch lächelnd. «Mit einer anderen verheiratet und nebenbei noch ein Ehebrecher. Du lagst bei meiner Schwester - und als sie von meiner Rückkehr aus dem Hades erfuhr, hat sie sich in ihr Schwert gestürzt, weil sie diese Schande nicht ertragen konnte. Ich kann nur hoffen, dass auch sie sich heute erhebt und ihre eigene Rache zu nehmen vermag.»
Er neigte den Kopf voll Scham, eine Empfindung, die er nur allzu leicht abrufen konnte. «Ich glaubte, dich für immer verloren zu haben. Lavinia mag dem Namen nach mein Eheweib sein, aber ihr gehört nicht mein Herz. Und Anna .» Er runzelte die Stirn, eine Bitte um Vergebung trotz seines offensichtlichen Verrats. «Sie war bloß ein trübes Spiegelbild von dir. Nicht mehr.»
Der Gedanke kam gänzlich ungebeten. Unapologetic Lavinia Stan[*] wird so was von in die Luft gehen, wenn sie diese Szene sieht.
«Du hast bereits die Sterblichen betrogen, und jetzt hintergehst du auch noch die Götter.» Mit einer raschen Bewegung hob sie ihr Schwert vom Boden auf. «Aber ich werde meine Rache zuerst nehmen. Alle anderen werden sich damit begnügen müssen, dir erst im Jenseits Qualen zuzufügen.»
Ihr Griff um das Schwert war fest und sicher, und sie schwang es ohne Schwierigkeiten. Trotz des schweren bronzenen Knaufs bestand die Klinge aus stumpfem, leichtem Aluminium, um die Sicherheit aller Beteiligten zu gewährleisten - so wie seine im Moment. Das durchdringende Geräusch von Metall auf Metall erklang, als sie den Tanz begannen, den sie wochenlang geübt hatten.
Seine Bewegungen waren fließend und kamen wie von selbst, es war das Ergebnis endloser Wiederholungen. Der Kampf-Choreograf hatte jeden Schritt sorgfältig geplant, um die Einseitigkeit des Duells hervorzuheben: Dido wollte ihn verletzen, doch er versuchte, sie zu entwaffnen, ohne dass sie verwundet wurde.
Dido trieb ihn mit einem heftigen Stoß nach hinten. «Kein Mann wird mich je besiegen!», stieß sie rau hervor.
Weitere Pferde galoppierten vorbei. Entflohene aus der Unterwelt, teilweise vom Rauch verborgen, bissen, traten und richteten ihre Schwerter gegen die sterblichen und unsterblichen Feinde, die sie zurück in den Tartaros schicken wollten. Stöhnen, Tod und Geschrei umgaben ihn während seines eigenen Kampfes.
Fechtschritt, auf Dido zu. Fechtschritt. Fechtschritt. Parieren ihres wilden Schwungs.
«Das mag die Wahrheit sein.» Er zeigte ein Lächeln, scharf und raubtierhaft. «Aber wie du uns beide eben erinnert hast: Ich bin mehr als nur ein Mann.»
Das war eine unbeholfene Anspielung auf die berühmten Sätze aus dem zweiten Gods-of-the-Gates-Buch und der zweiten Staffel der Serie: Als Dido in seinen Armen lag, hatte sie gemurmelt, dass kein Mann sie je zu verführen vermochte. Ich bin mehr als nur ein Mann, hatte er erwidert. Danach hatten sie die Dreharbeiten unterbrochen, weil Carahs Körperdouble für den Rest der Szene übernahm.
Weitere Schwertschwünge. Manche pariert, manche nicht. Und schließlich kam der verhängnisvolle Moment: Er wehrte ihre letzte leidenschaftliche Attacke ab und trieb sie damit unabsichtlich auf das mit einer grünen Spitze versehene Gummischwert von einem seiner Männer.
Die Visual-Effects-Abteilung würde das mit dem Blut und dem Schwert hinterher noch anpassen. Das Publikum bekam später eine tödliche Wunde zu sehen, wo sich gerade nur schlammige Seide befand.
Dann Tränen. Und letzte geflüsterte Worte.
Er kniete auf dem Feld nieder, und Dido starb in seinen Armen.
Nachdem sie dahingeschieden war, warf er noch einen letzten tränenfeuchten Blick auf die Schlacht, die um ihn herum tobte. Er erkannte, dass die Streitkräfte aus dem Tartaros dabei waren zu verlieren. Seine Männer benötigten seine Hilfe nicht länger. Also bettete er Dido sanft auf die Erde neben sein eigenes Schwert - ein Geschenk von ihr während ihrer Zeit in Karthago -, lief erhobenen Hauptes mitten hinein in das Chaos und ließ zu, dass einer der Feinde ihn tödlich verwundete.
«Wir sehen uns auf den elysischen Feldern wieder, meine Geliebte», murmelte er mit seinem letzten Atemzug.
In diesem Moment existierte Marcus nicht mehr. Es gab nur noch Aeneas, desorientiert, einsam, sterbend und doch voller Hoffnung.
«Schnitt!», rief der Regisseur, der Befehl wurde wie ein Echo von den Crew-Mitgliedern wiederholt. «Ich glaube, wir haben diesmal alles, was wir brauchen. Die Szene ist im Kasten!»
Regisseur und Produktionsleiter wandten sich ab, um etwas zu besprechen, und Marcus kam wieder zum Vorschein. Er blinzelte so lange, bis er sich wieder wie er selbst fühlte. Sein Kopf schien über seinen Schultern zu schweben, schwerelos und leer; das geschah manchmal, wenn er sich völlig in einer Rolle verloren hatte.
Das war eine ganz eigene Art von Glück. So lange hatte er für dieses Gefühl gelebt und gearbeitet.
Aber es war nicht genug. Nicht mehr.
Carah erholte sich schneller als er. Sie rappelte sich aus dem Schlamm auf und stieß einen abgrundtiefen Seufzer aus. «Das wurde verdammt noch mal Zeit.» Sie streckte ihm eine Hand hin. «Wenn ich Matsch in meiner Arschritze will, würde ich mir eine dieser Ganzkörper-Detox-Behandlungen gönnen. Und das Zeug riecht wenigstens nach Teebaumöl oder Lavendel und nicht nach Pferdescheiße.»
Er lachte und ließ sich von ihr auf die Füße helfen. Seine Lederrüstung schien genauso viel zu wiegen wie Rumpelstilzchen, das Friesenpferd, das der Stallmeister jetzt wegführte. «Falls es dich irgendwie tröstet, du hast so einen gesunden Gerade-frisch-erstochen-Glanz.»
«Tja, dann war es wohl ein Fehler, dass sie die Nahaufnahmen vorhin schon...
Dateiformat: ePUBKopierschutz: Wasserzeichen-DRM (Digital Rights Management)
Systemvoraussetzungen:
Das Dateiformat ePUB ist sehr gut für Romane und Sachbücher geeignet - also für „fließenden” Text ohne komplexes Layout. Bei E-Readern oder Smartphones passt sich der Zeilen- und Seitenumbruch automatisch den kleinen Displays an. Mit Wasserzeichen-DRM wird hier ein „weicher” Kopierschutz verwendet. Daher ist technisch zwar alles möglich – sogar eine unzulässige Weitergabe. Aber an sichtbaren und unsichtbaren Stellen wird der Käufer des E-Books als Wasserzeichen hinterlegt, sodass im Falle eines Missbrauchs die Spur zurückverfolgt werden kann.
Weitere Informationen finden Sie in unserer E-Book Hilfe.