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2 Weichenstellungen internationaler Entwicklungspolitik seit den 1990er Jahren
Die 1990er Jahre waren eine Dekade grundlegender weltpolitischer Veränderungen. Bedingt durch das Ende des Ost-West-Konfliktes kam es zur Neuorientierung des internationalen Ordnungssystems. Mit dem progressiven Globalisierungsprozess gewann eine Vielzahl von Akteuren an politischer Bedeutsamkeit und Einflussnahme. Entwicklungspolitik durchlief einen konzeptionell-strategischen Wandel, der zur Gestaltung neuer Rahmenbedingungen in der Armutsbekämpfung und zur Stärkung der politischen Dimension von Entwicklung beitrug.68 Mit der in Kapitel 2.1 vorgenommenen Darstellung des internationalen Entwicklungsprozesses im Rahmen der Vereinten Nationen werden die Veränderungen in der entwicklungspolitischen Konditionierung seit den 1990er Jahren skizziert. Insbesondere der Bedeutungszuwachs privatwirtschaftlicher Akteure hat zu einem Umdenken bzw. zur konzeptionellen Erweiterung multilateraler69 Entwicklungszusammenarbeit geführt. Entsprechend wird in Kapitel 2.2 die Rolle der Privatwirtschaft im internationalen System der Entwicklungspolitik wiedergegeben, die ihr im Rahmen der UN-Weltkonferenzen zugewiesen wurde.
2.1 Nachhaltigkeit, Armutsbekämpfung und Entwicklungsfinanzierung im Kontext von Global Governance
1980 konstatiert die Unabhängige Kommission für Internationale Entwicklungsfragen (Independent Commission on International Development Issues) in ihrem Entwicklungsbericht die Notwendigkeit eines neuen Dialogs zwischen Industrie- und Entwicklungsländern zwecks Bewältigung globaler Problematiken. Grundvoraussetzung für die Verständigung unter- und des Umgangs miteinander sei ein Umdenken, welches sich durch Gleichwertigkeit, gemeinsame Verantwortlichkeit, Solidarität und das Auftun gemeinsamer Interessen auszeichnen müsse.70 Das Ende der bipolaren Weltordnung bot die Gelegenheit für die Entwicklungspolitik, ihren Beitrag zur Neuordnung der internationalen Beziehungen zu leisten.
Den Ausgangspunkt kennzeichnete ein zum Ende der 1980er Jahre vollzogener entwicklungspolitischer Paradigmenwechsel. Nachhaltige Entwicklung und das darin inbegriffene multidimensionale Problemverständnis71 traten an die Stelle ökonomischer Wachstumsfokussierung.72 Bis heute erfolgt die konzeptionelle und pragmatische Umsetzung der 1987 vom Brundtland-Bericht formulierten Zielsetzung einer nachhaltigen Entwicklung73 im Kontext von Global Governance74 und erfasst menschliche Sicherheit75 und Entwicklung unter politischer, ökonomischer, ökologischer, sozialer, kultureller und sicherheitspolitischer Perspektive.76
Ihre Neuorientierung am Nachhaltigkeitsparadigma vollzog die internationale Entwicklungsgemeinschaft in den 1990er Jahren über eine Anzahl wegweisender UN-Weltkonferenzen. Auf dem Weltumweltgipfel in Rio de Janeiro 1992 (United Nations Conference on Environment and Development) wurde mit der Verabschiedung der Rio-Deklaration (Rio Declaration on Environment and Development) und der Agenda 21 nachhaltige Entwicklung zum Leitbild erhoben und damit erstmalig ökologische mit sozialen Zielsetzungen verknüpft.77 Der Nachhaltigkeitsprozess und die daraus gewachsene Erkenntnis der Korrelation von Globalproblemen waren ausschlaggebend für die Programmatik der nachfolgenden Weltkonferenzen der 1990er Jahre.
Höhepunkt der vierten Entwicklungsdekade markierte schließlich der im September 2000 in New York abgehaltene UN-Millenniumsgipfel. Die von 189 Nationen verabschiedete Millenniumserklärung war das Ergebnis einer langjährigen Diskussion um nachhaltige Entwicklung und Armutsbekämpfung. Auf die Deklaration folgte die Ratifizierung der acht Millenniumsentwicklungsziele, deren Verwirklichung bis zum Jahr 2015 angestrebt wird.78 Sie sind eine handlungsorientierte Konkretisierung nachhaltiger Entwicklung und haben zur Anerkennung der klassischen Anliegen der Entwicklungspolitik beigetragen.79 Gleichzeitig erzeugt die Implementierung quantitativer Indikatoren eine qualitative Verbesserung des multidimensionalen Zielsystems. Somit ist die Millenniumserklärung in Verbindung mit den MDG sowohl Kulminationspunkt vergangener Entwicklungsbemühungen als auch Grundstein und Orientierungsrahmen gegenwärtiger Entwicklungspolitik.80
Nach der Verständigung auf entwicklungspolitische Zielsetzungen in New York rückten Themen in den Mittelpunkt, deren Konkretisierung wichtige Voraussetzung für den Verwirklichungsprozess waren und heute noch sind. Wichtiger Handlungsbedarf bestand in den Bereichen Entwicklungsfinanzierung, Konsolidierung von Nachhaltigkeit als Querschnittsthema (mainstreaming)81 und Optimierung internationaler Ordnungspolitik. Die erste UN-Weltkonferenz zum Thema Entwicklungsfinanzierung (International Conference on Financing for Development) in Monterrey/Mexiko im März 2002 hatte die Finanzierung nachhaltiger Entwicklung und der MDG als Verhandlungsgegenstand. Sechs Themenschwerpunkte wurden zur finanziellen Ressourcenmobilisierung festgehalten.82 Neben den formulierten Eigenanstrengungen bzw. der spezifischen Verantwortung der Länder83 verwiesen die teilnehmenden Staaten auf eine effektive Partnerschaft in puncto Einsatz ODA und betonten das Zusammenwirken von Staat und Markt.84 Auf Monterrey folgte vom 26. August bis zum 4. September 2002 der UN-Gipfel für nachhaltige Entwicklung (World Summit on Sustainable Development oder Rio+10) in Johannesburg. Auf der Folgekonferenz von Rio de Janeiro standen u.a. die Umsetzung der Agenda 21 und MDG im Mittelpunkt der Gespräche. Eine ergebnisorientierte Arbeit im Sinne konkretisierter Umsetzungsmaßnahmen gestaltete sich aufgrund der Vereinigten Staaten von Amerika als schwierig, die angesichts der Vorbereitungen zum Irak-Krieg die Verhandlungen konterkarierten.85 Trotzdem konnten sich die Teilnehmer darauf verständigen, Nachhaltigkeit als Querschnittsthema in zukünftigen Follow-up-Prozessen aller Weltkonferenzen zu verankern.86 Ferner konstituierte sich auf den Gipfeltreffen von Monterrey und Johannesburg der Grundsatz der gemeinsamen aber unterschiedlichen Verantwortung der Staaten.87 In der Summe blieben die Ergebnisse allerdings hinter den Erwartungen zurück. Unter den veränderten politischen Rahmenbedingungen wurden in Johannesburg wie auch zuvor in Monterrey wichtige Absichtserklärungen verkündet, die jedoch aufgrund ihrer Unverbindlichkeit und Ungenauigkeit nur wenig Aussage- und Bedeutungskraft hatten.88
Rückblickend markieren die 1990er Jahre den Beginn einer sich wandelnden internationalen Entwicklungspolitik. Als Instrument globaler Politikgestaltung zielt sie bis heute auf eine nachhaltige Entwicklung ab. Die entwicklungspolitischen Kooperationsbemühungen fanden ihren Ausdruck in einer Anzahl wegweisender UN-Weltkonferenzen.89 Inhaltlich bauten sie aufeinander auf und sorgten für eine holistische Problembetrachtung. Es bildete sich ein mehrdimensionales Entwicklungsverständnis heraus, welches die Programmatik der wirtschaftsliberalen Wachstumsfokussierung der 1980er Jahre hinterfragte und die ökonomischen mit politischen, sozialen und ökologischen Gesichtspunkten ergänzte. Diese, bedingt durch die Erkenntnis korrelierender Globalprobleme, ganzheitliche Sichtweise auf Entwicklungsbereiche kennzeichnete den Unterschied zu vorherigen primär sektoral beschränkten Konferenzen.90 Wirkung zeigten die Gipfeltreffen in Form eines von ihnen initiierten dreifachen Paradigmenwechsels. Der zuvor ökonomisch ausgerichtete Entwicklungsbegriff wurde durch das Leitbild nachhaltiger Entwicklung ersetzt. Daneben wich das alte Abhängigkeitsmodell zwischen Industrie- und Entwicklungsländern dem Konzept der Entwicklungspartnerschaft, welches die Eigenverantwortung der Länder (ownership)91, die Komplementarität der Entwicklungshilfeleistungen sowie die wachsende Rolle des Privatsektors hervorhebt. Als drittes avancierten Partizipation und Good Governance zu voraussetzenden Prinzipien nachhaltiger Entwicklung.92
Auch neun Jahre nach der Millenniumserklärung ist das Anwachsen von Armut93 und Hunger nicht im angemessenen Ausmaß gemindert worden. Die Entwicklungsbemühungen haben nicht zu einer ausreichenden Verbesserung der sozialen, ökologischen und ökonomischen Lebensverhältnisse in den ärmsten Weltregionen geführt.94 In Anbetracht der polyzentrischen Struktur von Weltpolitik, Verdichtung grenzüberschreitender Netzwerkstrukturen, globaler Interdependenzen, korrelierender Globalprobleme und einer auf Nachhaltigkeit abzielenden Entwicklung bedarf es der kohärenteren und komplementären Gestaltung von Global Governance durch die Koordination und das Zusammenwirken von Politikbereichen und Akteuren. Dies schließt die Privatwirtschaft mit ein.
2.2 Die Privatwirtschaft im internationalen System der Entwicklungspolitik
"Heute sind eher die Staaten in Märkte als die Volkswirtschaften in staatliche Grenzen eingebettet."95 Die von Habermas geschilderte Verlagerung politischökonomischer Entscheidungsprozesse geht zurück auf...
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