Schweitzer Fachinformationen
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PEBBLE BEACH, KALIFORNIEN CONCOURS D'ELEGANCE
Gegenwart, August
Eine salzig frische Brise wehte vom Meer landeinwärts und blähte die schneeweiße Leinenplane der Zeltpavillons, in denen sich Zuschauer drängten und Champagner tranken. Hinter den Pavillons wurde der strahlende Sonnenschein von den auf Hochglanz polierten Motorhauben der Luxusoldtimer reflektiert, die auf dem frisch gemähten smaragdgrünen Rasen parkten. Zwei Kinder rannten zwischen einem blau-weißen 1932er Auburn V-12 Boattail und einem weißen 1936er Auburn Speedster herum und lachten ausgelassen, als ihre sichtlich genervten Eltern hinter ihnen herkamen, sie an den Händen fassten und von den Autos wegzogen.
Sam Fargo steuerte seine Frau, Remi, die in den Auktionskatalog vertieft war, ein Stück zur Seite, um den Eltern und ihren Kindern Platz zu machen.
»Gibt es da irgendwas Interessantes?«, fragte er und guckte ihr über die Schulter.
»Außer sehr seltenen und sehr teuren Autos?« Remi räusperte sich. »Ich habe hier gerade einen 1929er Bentley. Als Besitzer wird ein gewisser Lord Albert Payton, Viscount Wellswick, genannt. Ich hoffe, deine Mutter erwartet nicht, dass wir für den mitbieten.«
»Natürlich nicht.«
Sie sah ihn an, ihre seegrünen Augen hinter den dunklen Gläsern einer Sonnenbrille versteckt, das kastanienbraune Haar von einem breitkrempigen Hut vor der grellen kalifornischen Sonne geschützt. »Hast du wirklich keine Ahnung, weshalb wir hierherkommen sollten, um ihn zu treffen und mit ihm zu reden?«
»Ich weiß nur, dass es irgendwas mit Autos zu tun haben muss.«
»Das grenzt das Ganze ja schon erheblich ein«, sagte sie mit einem Anflug von Spott, blickte wieder ins Veranstaltungsprogramm und blätterte weiter. »Viscount Wellswick hat drei Wagen für die Auktion angemeldet. Warum um alles in der Welt sollte er sie den weiten Weg hierherbringen, wenn er in Großbritannien lebt?«
»Die Wagen sind nicht hier. Er allerdings schon.«
Sie schlug den Katalog zu und sah sich um. »Ich komme allmählich zu dem Schluss, dass auch er auf gewisse Art eine Seltenheit ist. Sagte deine Mutter nicht, dass er uns um zehn treffen wollte?«
Sam sah auf die Uhr. Es war kurz vor elf. »Vielleicht habe ich die Zeit falsch verstanden.« Er holte sein Telefon aus der Tasche und wählte die Nummer seiner Mutter. »Hi, Mum .«
»Hast du mit Albert gesprochen?«, fragte sie, ehe er eine Chance hatte, den Grund seines Anrufs zu nennen.
»Deshalb ruf ich an. Wir würden gern wissen, ob du etwas von ihm gehört hast.«
»Nein, aber ich bin sicher, dass er kommen wird. Ich bin am Hafen, sonst hätte ich euch die Telefonnummer des Motels nennen können, in dem er wohnt.« Im Hintergrund hörte er das Geräusch eines Bootsmotors. Seine Mutter, Eunice »Libby« Fargo, betrieb in Key West einen Charterboot-Service für Taucher und Hochseeangler. Früher, als sein Vater noch gelebt hatte, war das nur ein Hobby gewesen, nun aber gehörte es zu ihren Leidenschaften. Es war noch gar nicht so lange her, dass sie mehr Zeit an Land verbracht hatte als auf dem Wasser. Nun, mittlerweile in den Siebzigern, traf das Gegenteil zu, und sie war nicht bereit, dies zu ändern und in absehbarer Zeit irgendwo vor Anker zu gehen. »Es ist möglich, dass ich mich mit der Uhrzeit vertan oder irgendetwas verwechselt habe«, sagte sie.
»Besteht auch die Möglichkeit, dass du mehr über das weißt, um das es geht?«
»Nur das, was ich dir neulich erzählt habe - ich muss jetzt aber Schluss machen. Ich habe eine Gruppe Kunden an Bord, und wir wollen starten. Ruf mich wieder an, wenn du nicht bald von ihm hörst.«
Sie trennte die Verbindung.
»Nun?«, fragte Remi.
»Es ist nach wie vor ein Rätsel.«
Das Einzige, was er mit Sicherheit wusste, war, dass laut der Aussage seiner Mutter Albert Payton, der 7. Viscount Wellswick, ein entfernter Verwandter von ihm war. »Er gehört zur Familie und steckt in finanziellen Schwierigkeiten«, war alles, was sie verlauten ließ, als sie ein paar Tage zuvor angerufen und gefragt hatte, ob er und Remi sich mit ihm treffen könnten, wenn sie den Concourse d'Elegance in Pebble Beach besuchten.
Sam war nicht der Typ, der sich unvorbereitet auf irgendwelche Dinge einließ, aber als er versuchte, mehr zu erfahren, und sie fragte, um welche Art von Schwierigkeiten es sich handle, bequemte sie sich lediglich zu der vagen Andeutung, dass es irgendetwas mit Autos und Finanzen zu tun habe.
Dabei störte ihn ein wenig der Hinweis auf Finanzen, was er jedoch seiner Mutter gegenüber nicht erwähnen wollte. Er und Remi waren Selfmade-Multimillionäre, im Wesentlichen dank Sams Erfindungen, unter denen auch ein Argon-Laser-Scanner war. Dies war ein Gerät, mit dem unterschiedliche Metalle und Legierungen auf größere Entfernung aufgespürt und lokalisiert werden konnten. Mittlerweile investierten sie einen Großteil ihrer Energie in ihre Tätigkeit für die Wohltätigkeitsstiftung, die sie gegründet hatten. Erstaunlich war immer wieder, dass jedes Mal, wenn in irgendeinem Magazin oder im Internet ein Artikel erschien, in dem ihr Vermögen erwähnt wurde, kein Mangel an Freunden und Verwandten bestand, die sich plötzlich enger oder weniger enger Verbindungen mit Sam und Remi entsannen und sich Unterstützung für Investitionen oder ganz einfach nur eine milde Gabe erhofften.
Sosehr Sam sich auch wünschte, davon ausgehen zu können, dass niemand versuchen würde, über seine Mutter an ihn heranzukommen, wusste er es aus Erfahrung jedoch besser. Bis vor zwei Tagen, als seine Mutter ihn angerufen hatte, hatte er noch nie etwas von einem Viscount Wellswick gehört. »Wahrscheinlich noch nicht mal ein echter Viscount«, sagte Sam und ließ das Telefon in seiner Hosentasche verschwinden. »Welcher echte englische Adlige würde sich dazu herablassen, in einem Motel abzusteigen?«
Remi hielt das Ausstellungsprogramm hoch. »Höchstwahrscheinlich derjenige, der gezwungen ist, Autos bei einer Versteigerung zu verkaufen.«
»Da er nicht erschienen ist, dürfte dies jetzt eine rein hypothetische Frage sein. Vergessen wir das Ganze und genießen wir den Tag.«
Sie schlenderten über den Rasen und ließen sich ausreichend Zeit, um die präsentierten Fahrzeuge ausgiebig zu inspizieren. Remi blieb stehen, weil es ihr eine Reihe klassischer Sportwagen in allen Regenbogenfarben angetan hatte. Sie waren außerdem entsprechend der Reihenfolge bogenförmig angeordnet worden. »Dieses Spektakel beweist, dass Museen nicht die einzigen Orte sind, an denen man echte Kunst bewundern kann.«
»Der unwesentliche Unterschied ist in diesem Fall, dass diese Kunstwerke auf Rädern stehen«, sagte Sam. »Sieh dir nur mal diesen Motor an. Das ist wirklich echte Kunst . ein 6,3-Liter-Aggregat .«
»Konstruiert von Dr. Ferdinand Porsche«, beendete Remi seine Ausführungen.
»Bitte, stiehl mir nicht die Show.«
Sam trat beiseite, um einem Fotografen Platz zu machen, der eine geeignete Position suchte, um den Wagen und den Pazifischen Ozean als Hintergrund gleichzeitig ins Bild zu bekommen, als Remi ihrem Mann auf die Schulter klopfte. »Ist das nicht der Wagen von Clive Cussler? Der, den er nach Jahren aufwendiger Restaurierungsarbeiten 2010 der Öffentlichkeit vorgestellt hat?«
»Es sieht so aus.« Sie gingen zu dem seegrünen Wagen hinüber, und Sam las laut vor, was auf der Informationstafel eingetragen war. »Delahaye Type 135 Cabriolet Baujahr 1948 . Diese Farbe gefällt mir ausgesprochen gut. Könnte glatt meine Lieblingsfarbe sein, darf ich sie doch jeden Tag, den wir zusammen sind, bewundern. Und die sattelbraunen Ledersitze passen einfach perfekt dazu. Und dann dieser Innenraum .« Er umrundete den Wagen. »Das ist reinstes Art déco. Oder täusch ich mich?«
»Okay, Sam, du kannst jetzt aufhören zu sabbern. Und die reichlich plumpe Anspielung auf meine Augenfarbe kannst du dir auch schenken. Du bist ja wie ein Kind in einem Bonbonladen.«
»Wer wäre das nicht? Jedes Jahr, wenn wir hierherkommen, gibt es was Neues zu sehen.«
»Zugegeben, ohne einen Ausflug nach Pebble Beach wär der August ein Monat wie alle anderen. So ist er immer wieder etwas Besonderes.«
Sam sah seine Frau an und wollte sie daran erinnern, wie dankbar sie sein konnten, dass Clive stets persönliche Besucherpässe für sie bereitlegen ließ, als ihm in der Nähe des Champagner- und Erfrischungszeltes jemand auffiel. Es war ein dunkelhaariger Mann in Sams Alter, Mitte dreißig - damit viel zu jung, um der vermisste Viscount zu sein. Der Mann dort drüben jedenfalls beobachtete sie auf Schritt und Tritt.
Angesichts der vielen Menschen, die sich an diesem Ort eingefunden hatten, kam Sam das Interesse des Mannes - gelinde gesagt - seltsam vor. »Wie wäre es mit einem Glas Champagner?«, fragte er seine Frau.
»Vor dem Mittagessen? Sogar für uns wäre das ein bisschen früh am Tag, oder?«
»Ja, sicher, aber in diesem Moment«, sagte er und hakte sich bei ihr unter, »brauchen wir einen Vorwand, um herauszufinden, weshalb ausgerechnet wir so reges Interesse wecken.«
»Wie aufregend. Das gefällt mir. Auf wen haben wir es abgesehen?«
»Auf einen Mann in gelbem Oberhemd mit einem grünen Pullover über den Schultern. Er steht links hinten an der Ecke des Champagnerzeltes.«
»Gelb? Grün?« Sie blickte wie zufällig in diese Richtung. »Tatsächlich. Aber wie kann man sich nur für eine derart auffällige Farbkombination entscheiden, wenn man...
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