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Die junge Meeresforscherin Nina Kirov ist in hellster Aufregung: Vor der Küste Marokkos wurde ein riesiges Steingesicht entdeckt! Bevor Nina diesen brisanten Fund jedoch auswerten kann, werden alle Teilnehmer der Expedition ermordet. Nur Nina gelingt mit Hilfe von Kurt Austin, einem Kollegen des berühmten Agenten Dirk Pitt, die Flucht. Um kurz darauf prompt in eine tödliche Verschwörung zu geraten.
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10. Juni 2000
An der marokkanischen Küste
Nina Kirov stand am oberen Ende der antiken Treppe, ließ den Blick über das fast spiegelglatte grüne Wasser der Lagune schweifen und fragte sich, ob sie jemals einen öderen Landstrich gesehen hatte als dieses abgelegene Stück marokkanischer Küstenlinie. Nichts regte sich in der drückenden Backofenhitze. Das einzige Anzeichen menschlicher Besiedlung war die Ansammlung kalkweißer Grabmäler mit Tonnendach, die über der Lagune thronten, als handelte es sich um Seeresidenzen für Verblichene. Jahrhundertelang war Sand durch die gewölbten Portale geweht worden und hatte sich mit dem Staub der Toten vermischt. Nina grinste verzückt, als wäre sie ein Kind, das die Geschenke unter dem Weihnachtsbaum zu Gesicht bekommt. In den Augen einer Meeresarchäologin war diese kahle Umgebung weitaus schöner als die weißen Strände und Palmen eines tropischen Paradieses. Die extreme Unwirtlichkeit der Begräbnisstätte dürfte den Ort vor dem schlimmsten Schicksal bewahrt haben: den Eingriffen späterer Generationen.
Nina schwor sich, Dr. Knox ein weiteres Mal dafür zu danken, dass er sie zur Teilnahme an dieser Expedition überredet hatte. Ursprünglich hatte sie die entsprechende Einladung abgelehnt und dem Anrufer vom ehrwürdigen Fachbereich für Anthropologie der Universität von Pennsylvania gesagt, es handle sich um reine Zeitverschwendung. Inzwischen musste jeder Zentimeter der marokkanischen Küste genauestens untersucht worden sein. Und selbst wenn jemand tatsächlich eine Unterwasserstätte entdeckte, würde sie unter Tonnen von Gestein begraben liegen, denn die Römer hatten allerorten künstliche Hafenbecken angelegt. So sehr Nina auch das technische Geschick der Eroberer bewunderte, so hielt sie die alten Römer letztlich doch für die größten ignoranten Trampel der Weltgeschichte.
Sie wusste, dass ihre Absage eher auf persönlicher Überlastung als auf einem archäologischen Fachurteil basierte. Nina versuchte gerade, sich durch einen wahren Berg an Papierkram zu kämpfen, dessen Ursache ein Schiffswrack vor der Küste Zyperns war. Erste Begutachtungen hatten ergeben, dass es sich vermutlich um ein antikes griechisches Schiff handelte, doch die entsprechenden Gewässer wurden von der Türkei beansprucht, so dass die beiden verfeindeten Nationen wechselseitig Forderungen geltend machten. Da die nationale Ehre auf dem Spiel stand, ließen die Kampfflugzeuge auf den Startbahnen von Ankara und Athen bereits die Turbinen warm laufen, als Nina zum Wrack hinabtauchte und es als syrisches Kaufmannsschiff identifizierte. Jetzt schalteten sich auch die Syrer in die Angelegenheit ein, aber wenigstens sank die Wahrscheinlichkeit einer kriegerischen Auseinandersetzung. Da Nina zugleich Eigentümerin, Generaldirektorin und einzige Angestellte ihrer meeresarchäologischen Beratungsfirma Mari-Time Research war, blieb auch die gesamte Büroarbeit an ihr hängen.
Wenige Minuten nachdem sie der Universität gesagt hatte, sie sei zu beschäftigt, um die Einladung anzunehmen, rief Stanton Knox bei ihr an.
»Ich schätze, mein Hörvermögen lässt nach, Dr. Kirov«, sagte er in dem trockenen nasalen Tonfall, den sie aus unzähligen Vorlesungen kannte. »Stellen Sie sich vor, da habe ich doch tatsächlich geglaubt, jemand hätte zu mir gesagt, Sie wären nicht an unserer Marokko-Expedition interessiert, und das kann natürlich nicht den Tatsachen entsprechen.«
Sie hatte schon seit Monaten nicht mehr mit ihrem alten Mentor gesprochen. Lächelnd stellte sie sich seinen schneeweißen Schopf vor, das fast manische Funkeln hinter dem Metallgestell der Brille und den Roué-Schnurrbart, dessen Enden sich über einem koboldhaften Mund ringelten.
Nina versuchte, sich gegen die unausweichliche Charme-Attacke zu wappnen, die ihr jetzt mit Sicherheit bevorstand.
»Bei allem schuldigen Respekt, Professor Knox, ich bezweifle, dass noch irgendein Stück nordafrikanischer Küste existiert, das weder von den Römern überbaut noch von jemand anders bereits entdeckt worden ist.«
»Brava! Es freut mich, dass Sie sich noch an die ersten drei Lektionen aus Archäologie ıoı erinnern, Dr. Kirov.«
Angesichts der Zwanglosigkeit, mit der Knox sich stets ganz als Professor gab, lachte Nina leise in sich hinein. Sie war Mitte dreißig, besaß eine erfolgreiche Beratungsfirma und beinahe genauso viele akademische Titel wie Knox, aber ihm gegenüber kam sie sich noch immer wie eine Studentin vor. »Wie könnte ich die je vergessen? Skeptizismus, Skeptizismus und noch mehr Skeptizismus.«
»Richtig«, sagte er mit deutlichem Vergnügen. »Die drei knurrenden Hunde des Skeptizismus, die Sie in Stücke reißen werden, falls Sie ihnen kein Nachtmahl harter Fakten vorsetzen können. Sie würden überrascht sein, wie oft meine Mahnungen auf taube Ohren stoßen.« Er seufzte theatralisch. Dann wurde sein Tonfall sachlicher. »Tja, ich kann Ihre Befürchtungen verstehen, Dr. Kirov. Normalerweise würde ich Ihnen hinsichtlich einer Verfälschung der Stätte zustimmen, aber diese hier liegt an der Atlantikküste, ein ganzes Stück hinter den Säulen von Melkart und außerhalb des römischen Einflussbereichs.«
Interessant. Knox benutzte den phönizischen Namen für das westliche Ende des Mittelmeers, wo der Felsen von Gibraltar und der Berg Abyle in Ceuta sich direkt gegenüberliegen. Die Griechen und Römer nannten diesen Ort die Säulen des Herkules. Nina wusste aus eigener bitterer Studienerfahrung, dass Knox bei Namen so präzise wie ein Hirnchirurg war.
»Na ja, aber ich habe sehr viel zu tun .«
»Dr. Kirov, ich will gar nicht lange um den heißen Brei herumreden«, warf Knox ein. »Ich brauche Ihre Hilfe. Dringend. Ich habe hier bloß einen Haufen Landarchäologen, die so ängstlich sind, dass sie sogar in der Badewanne Galoschen tragen. Wir benötigten unbedingt jemanden, der sich ins Wasser traut. Es ist nur eine kleine Expedition, etwa ein Dutzend Leute, und Sie wären die einzige Taucherin.«
Knox war nicht umsonst als erfahrener Fliegenfischer bekannt. Er wedelte ihr mit der phönizischen Anspielung vor der Nase herum, brachte sie mit seinem sympathischen Hilfeersuchen zum Anbeißen und holte dann die Leine ein, indem er durchblicken ließ, dass sie als einzige Taucherin die Lorbeeren für alle Unterwasserfunde ernten würde.
Nina konnte förmlich vor sich sehen, wie die rosafarbene Nase des Professors vor freudiger Erregung zuckte. Sie schob die Akten auf ihrem Schreibtisch zurecht. »Ich habe hier eine Tonne Papierkram zu erledigen .«
Knox ließ keine Ausrede gelten. »Ich weiß sehr wohl über Ihren Zypern-Job Bescheid«, sagte er. »Übrigens, Glückwunsch, dass Sie eine Krise zwischen NATO-Partnern abgewendet haben. Ich habe mich bereits um alles gekümmert. Ich kenne zwei überaus kompetente Examenskandidaten, die liebend gern Erfahrungen mit der Bürokratie sammeln würden, wie sie aus der heutigen Archäologie gar nicht mehr wegzudenken ist. Das hier ist bloß eine vorläufige Besichtigung und wird nicht länger als eine Woche oder zehn Tage dauern. Und bis dahin werden meine getreuen jungen Helfershelfer jedes Formular geprüft und jeden Antrag ausgefüllt haben. Sie brauchen sich nicht sofort zu entscheiden. Ich faxe Ihnen ein paar Unterlagen. Werfen Sie einen kurzen Blick darauf und rufen Sie mich zurück.«
»Bis wann müssen Sie spätestens Bescheid wissen, Dr. Knox?«
»Eine Stunde reicht völlig. Tschüs!«
Nina legte den Hörer auf und lachte laut. Eine Stunde.
Fast im selben Moment begann das Faxgerät Papier auszuspucken, als handelte es sich um Lava aus einem aktiven Vulkankrater. Knox schickte ihr die Projektbeschreibung, die er mit seinem Antrag auf Fördermittel eingereicht hatte. Er beantragte Geld, um ein gewisses Gebiet nach griechisch-römischen oder auch anderen Ruinen abzusuchen. Die Masche war typisch für Knox: eine verlockende Mischung aus Fakten und Eventualitäten, die so abgefasst war, dass sich sein Projekt deutlich von allen anderen abheben würde, die ebenfalls um Mittel ersuchten.
Mit geübtem Blick überflog Nina die Seiten und nahm dann die Karte genauer in Augenschein. Das Forschungsgebiet lag südlich der sich von Tanger bis nach Essaouira erstreckenden marokkanischen Küstenebene und umfasste den Bereich zwischen der Mündung des Wadi Draa und den nördlichsten Ausläufern der Westsahara. Gedankenverloren kaute Nina auf ihrem Stift herum und musterte einen vergrößerten Ausschnitt der Region. Ihr fiel die Nähe des Gebiets zu den Kanarischen Inseln auf. Die Küstenlinie sah aus, als hätte der Kartograph beim Zeichnen einen Schluckauf gehabt. Nina lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück. Ihr war bewusst, wie sehr sie sich danach sehnte, endlich wieder praktisch zu arbeiten, bevor sie noch den Verstand verlor. Sie nahm den Hörer und wählte die Nummer.
Knox hob beim ersten Klingeln ab. »Wir brechen nächste Woche auf.«
Jetzt, da Nina die echte Lagune vor Augen hatte, verwandelten sich die Linien und Schnörkel der Karte von selbst in geographische Charakteristika. Das Becken war ungefähr kreisförmig und wurde von zwei Zangen aus zerklüftetem ziegelrotem Fels eingerahmt. Jenseits der Einfahrt lagen Untiefen, aus denen bei Ebbe gekräuselte Schlammflächen wurden. Vor einigen tausend Jahren öffnete die Lagune sich noch unmittelbar auf den Ozean. Die geschützte Lage dürfte auf die antiken Seefahrer äußerst einladend gewirkt haben, denn es war allgemein üblich, vor oder hinter einer Landzunge zu ankern, um auf gutes Wetter oder das Tageslicht zu warten....
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