Schweitzer Fachinformationen
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KUBA ARCOS, KUBA
An einem schwülen Nachmittag brauste ein alter russischer Geländewagen durch das winzige kubanische Dorf Arcos. Verfallene Gebäude säumten die Straßen. Telefonmasten neigten sich in schrägen Winkeln, als wollten sie gleich umfallen. Der Geländewagen fegte - der tiefstehenden Sonne entgegen - um eine Kurve am Stadtrand und verfehlte nur knapp einen wilden Hund, der sich zu weit von der Gosse auf die Straße gewagt hatte.
Martin Colon warf einen Blick in den Rückspiegel. Der Streuner war herumgewirbelt und gerade noch rechtzeitig weggesprungen. Jetzt kauerte er im Unkraut neben einem alten Gebäude unter verblassten Bildern der kubanischen und sowjetischen Flagge.
»Wie weit ist es noch bis zum Labor?«, fragte jemand neben ihm.
Colon warf dem Mann auf dem Beifahrersitz einen Blick zu. Ernesto Molina war Politiker und Mitglied des Zentralkomitees in Havanna. Er war ein ziemliches Raubein, setzte gern seine ganze Körpermasse ein und blies sich mächtig auf. Als Leiter der Kommission für Spionageabwehr - einer Gruppe, die mit der Suche nach Verrätern und Spionen beauftragt war - besaß er außerdem Einfluss. Colon hatte sich zwar alle Mühe gegeben, ihn als Verbündeten zu halten, aber ihre Beziehung verschlechterte sich zusehends.
»Noch drei Meilen«, antwortete Colon.
Molina zupfte am Kragen seiner zerknitterten olivfarbenen Feldjacke. Wie viele andere Mitglieder der kubanischen Regierung trug auch Molina eine Militäruniform, in der Hoffnung, als einer der Führer der Revolution betrachtet zu werden. Colon war das genaue Gegenteil. Er kleidete sich ausschließlich zivil, obwohl er aktiver Colonel im kubanischen Geheimdienst und ehemaliger Pilot der Luftwaffe war.
»Und Sie sind sicher, dass die Amerikaner kommen werden?«, fragte Molina.
Colon war sich sicher. »Meine Quellen sagen mir, dass sie jederzeit eine Razzia durchführen werden.«
Molina gefiel das nicht. Das Gespenst amerikanischer Soldaten auf kubanischem Boden war sowohl erschreckend als auch ärgerlich. Und er gab Colon die Schuld für diese gefährliche Situation. »Ich hatte Sie vor diesem Projekt gewarnt. Das Komitee hat es schon immer misstrauisch beäugt, aber ich habe mich für Sie eingesetzt. Und Sie haben mir das dadurch vergolten, dass Sie zu weit gegangen sind. Entführung eines amerikanischen Wissenschaftlers! Menschliche Versuchsobjekte. Was ist das bloß für ein Wahnsinn?«
»Der Amerikaner ist freiwillig gekommen«, erwiderte Colon, obwohl das nur die halbe Wahrheit war. »Und die Testpersonen waren politische Gefangene. Verräter. Ihr geliebtes Komitee hätte mindestens die Hälfte von ihnen vor ein Erschießungskommando gestellt, wenn ich sie Ihnen nicht vorher weggeschnappt hätte.«
»Sie waren leichtsinnig!«, schnauzte Molina ihn an. »Und jetzt müssen Sie die Konsequenzen tragen.«
Colon blieb ruhig und beherrscht. Er war weit weniger besorgt als sein politisch engagierter Mitfahrer. Und er war alles andere als leichtsinnig gewesen. »Von welchen Konsequenzen sprechen Sie überhaupt?«
»Das Ende der Fahnenstange ist erreicht«, antwortete Molina. »Wir machen Ihren Laden jetzt dicht. Das Material und die Forschungsergebnisse werden auf eine Militärbasis gebracht, wo sie angemessen gesichert, wenn nicht sogar vernichtet werden.«
»Vernichtet?«
»Ja«, antwortete Molina. »Einige Mitglieder des Komitees halten Ihre Arbeit schlichtweg für abscheulich. Andere bewerten sie sogar als Bedrohung. Und jetzt werden sie entscheiden, wie es damit weitergeht.«
Colons Kiefer spannte sich an, aber das war nur Show. Seine Informanten hatten ihm schon vor langer Zeit von der wachsenden Unruhe im Komitee berichtet. Also war er auf diese Nachricht vorbereitet - wie er auf alles vorbereitet war.
Er blickte nach Westen. Gerade verschwand die Sonne hinter den Bergen. Wenn er recht hatte, würde ein Kommando der US-Marines irgendwann nach Einbruch der Dunkelheit hier eintreffen.
»Es ist gut, dass die Amerikaner kommen«, erklärte er.
Molina sah ihn an, als hätte er sich verhört. »Was soll das heißen?«
»Weil ich möchte, dass die Welt sie für das, was ich vorhabe, verantwortlich macht.« Mit einem Ruck am Lenkrad steuerte Colon den Wagen scharf nach links. Molina, der nicht angeschnallt war, wurde gegen die Beifahrertür geschleudert, die schon seit Jahren nicht mehr richtig schloss. Durch den Aufprall flog die Tür auf.
Molina segelte hindurch und auf die unbefestigte Straße. Er überschlug sich und ruderte mit Armen und Beinen, bis er in einem Unkrautdickicht landete, das um einen Holzzaun gewuchert war.
Colon stieg in die Eisen und brachte den Lada abrupt zum Stehen. Er zückte seine Pistole, stieg aus dem Auto und ging zu Molina zurück. Der Mann lag verkrümmt und mit zahlreichen gebrochenen Knochen da, war aber noch nicht tot.
»Warum . das?«, keuchte Molina und sah zu ihm auf. »Warum?«
»Weil Sie und der Rest der alten Männer in Havanna das, was wir erreicht haben, mit albernen Gedankenspielen vergeuden . oder sogar gegen unser eigenes Volk richten würden. Das werde ich nicht zulassen.«
»Aber . die Amerikaner?«, brachte Molina mühsam hervor.
»Machen Sie sich um die keine Sorgen«, sagte Colon. »Die bekommen es auch nicht.«
Während Colon sprach, sah er, wie Molina seine blutige Hand mit den gebrochenen Fingern zu einem Holster an seinem Gürtel schob. Er wartete nicht, bis der Mann es erreichte, sondern richtete sein Handgelenk auf und jagte Molina eine Kugel in die Brust und eine zweite in den Schädel. Das Echo der Schüsse hallte durch die seltsam stille Landschaft. Colon bezweifelte, dass irgendjemand die Schüsse hören oder - wenn doch - Nachforschungen anstellen würde. Dies war schließlich die Zona de la muerte - die Todeszone -, ein Feld, das die Versuchsanlage umgab und von toten Tieren übersät war, die in der Sonne verwesten. Es bildete einen äußerst effektiven Schutzschild. Keiner kam hierher, wenn er nicht musste.
Colon steckte die Waffe wieder ein, ging zu dem Geländewagen zurück, kletterte hinein, beugte sich hinüber und schloss die Beifahrertür. Dann legte er den Gang ein. Als er losfuhr, warf er einen Blick in die Ferne. In der aufziehenden Dämmerung konnte er gerade noch die Umrisse eines Funkturms erkennen. Lange würde es jetzt nicht mehr dauern.
Lieutenant Mason Weir kroch durch ein dicht bewachsenes Feld mit hohem Gras, als an dem sich verdunkelnden Himmel über ihm vereinzelte Sterne funkelten. Weir, Spezialagent der Naval Intelligence, führte ein dreiköpfiges Team zu einem kleinen Gebäude in einiger Entfernung. Langsam kroch Weir durch die dichtesten Stellen des hohen Grases, als er auf halbem Weg über das Feld mitten im Dreck auf ein totes Pferd mit leeren Augenhöhlen stieß. Er blieb neben dem Kadaver stehen und wartete, bis die beiden Soldaten seines Teams zu ihm aufgeschlossen hatten.
Der Erste, der eintraf, war ein Petty Officer namens Bosworth Conners. Alle nannten ihn Bosco. »Eine Schande, ein Tier so zu misshandeln«, stellte er fest und betrachtete das augenlose Pferd.
Weir hatte drüben an der Baumgrenze noch ein anderes totes Pferd gesehen, außerdem ein paar tote Ziegen und mindestens einen Bullen. Von den Satellitenbildern wusste er, dass die Felder rund um das kleine Gebäude mit Kadavern übersät waren. Dieser hier sah noch am frischesten aus. »Brass möchte wissen, woran das Vieh gestorben ist«, sagte er zu Bosco. »Nimm ihm eine Blutprobe ab.«
Während Bosco seinen Verbandskasten herauskramte, tauchte das dritte Teammitglied neben ihnen auf. »Ich kann euch sagen, was das Pferd getötet hat«, verkündete Diego Marquez. »Das war ein Todesstrahl - per Funk.«
Er zeigte auf einen Turm, der sich hinter dem Flachdachgebäude erhob - ein klassischer Sendeturm aus Stahlrohrgitter. Auf halber Höhe zeigten drei halbmondförmige Sendeschüsseln in verschiedene Richtungen, während ein rotes Leuchtfeuer an der Spitze blinkte. »Das Havanna-Syndrom«, setzte er hinzu. »Das ist die neueste Art, einem das Gehirn zu schmelzen.«
Havanna-Syndrom war die Bezeichnung für eine Reihe von neurologischen Symptomen, die bei Mitarbeitern der US-Botschaft in Kuba auftraten. Jeder Fall lag zwar etwas anders, aber meistens kam es zu einem plötzlichen Klingeln in den Ohren, zu Schmerzen in verschiedenen Gelenken und zu einem Gefühl starker Hitze, die von innen zu kommen schien. Manchmal traten auch schwerere Probleme wie Schwindel, Verwirrung und Krampfanfälle auf. Mehrere Personen waren bereits ins Krankenhaus eingeliefert worden. Eine davon mit einem Trauma, das Strahlungsverbrennungen ähnelte.
Die CIA hielt die ganze Sache für ausgemachten Blödsinn. Die NSA dagegen gab sich unentschlossen und wartete noch auf weitere Daten. Nur die Naval Intelligence stufte die ganze Angelegenheit als echte Bedrohung ein. Aber auch bloß, weil sie es mit einem abtrünnigen amerikanischen Wissenschaftler namens Wyatt Campbell in Verbindung brachten, der Erfahrung mit Laser- und Teilchenstrahlenwaffen hatte.
Seine Spur hatten sie bis nach Havanna verfolgt. Und dann weiter nach Arcos. Als Satellitenbilder eine mit toten Tieren übersäte Weide und ein kleines Gebäude mit übermäßiger Hitzeentwicklung zeigten, beschlossen sie zu handeln. Sie schickten Weir und sein Team los, um den Fall zu untersuchen.
Je nachdem, was sie letztlich herausfanden, sollten sie Campbell entweder retten oder ihn gefangen nehmen und in Ketten zurück in die Staaten...
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